Plagegeist in Baden-Württemberg
Zecken stechen im Südwesten mittlerweile ganzjährig zu
Der Winter war eigentlich immer eine zeckenfreie Zeit. Ab März oder April stieg stets die Gefahr, von den kleinen Übeltätern in Wiesen und Wäldern gestochen zu werden. Das ändert sich zunehmend.
Martin Oversohl (dpa)
Di, 19. Jan 2021, 18:32 Uhr
Südwest
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Inzwischen sind Zecken in Baden-Württemberg ganzjährig verbreitet. Außer Heilbronn gelten alle Stadt- und Landkreise im Südwesten als FSME-Risikogebiete.
Bis vor wenigen Jahren sah man vor allem den Gemeinen Holzbock (Ixodes ricinus) als Übeltäter. Inzwischen wurde das FSME-Virus nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) jedoch auch in der Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus) nachgewiesen. Hinter dem lateinischen Namen versteckt sich ein kleines braunes Krabbeltier, das vor allem für Hunde und Pferde, ein wenig aber auch für den Menschen zum gefährlichen Begleiter werden könnte.
Denn der größte Freund der Auwaldzecke – auch Winterzecke genannt – ist die Klimaerwärmung. Im Gegensatz zu ihren seit Jahren etablierten Verwandten sucht sie schon bei Temperaturen um die vier Grad nach Wirten, die sie stechen kann. Und damit steigt das Risiko für Menschen, schon früh im Jahr an Erregern zu erkranken, die durch Zecken übertragen werden. Die meisten FSME-Infizierten bleiben zwar beschwerdefrei. Aber in schweren Fällen kann die Viruserkrankung zu Gehirnentzündung und einer Schädigung des Rückenmarks führen.
"Wir wissen, dass FSME pro Jahr etwa 0,8 Tage früher auftritt", sagt Gerhard Dobler vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr (München). Die Zeckenaktivität habe sich in den vergangenen 20 Jahren um mehr als zwei Wochen nach vorne verschoben. "So wird auch der Zeitraum größer, in dem FSME als meldepflichtiges Ereignis wichtig wird und von Ärzten beachtet werden sollte", warnt der Leiter der Abteilung für Virologie und Rickettsiologie.
Auch die Corona-Pandemie hat etwas damit zu tun, dass die Gefahr durch die Zecken insgesamt steigt. "Bedingt durch die empfohlenen Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 haben sich Menschen in ihrer Freizeit häufiger im Freien aufgehalten und hatten somit ein erhöhtes Expositionsrisiko", heißt es beim Landesgesundheitsamt (LGA) in Stuttgart.
Außerdem hat sich das Verhältnis der Nymphen – also der Jungtiere – zu den erwachsenen Zecken extrem verändert. Die Anzahl der Erwachsenen-Stadien der Zecken sei zuletzt ungewöhnlich hoch gewesen, sagte eine LGA-Sprecherin. Bei ihnen ist die Durchseuchung mit dem FSME-Virus etwa fünf bis zehn Mal höher als bei Jungtieren. "Es ist davon auszugehen, dass in der zurückliegenden Zeckensaison in den bekannten FSME-Risikogebieten auch die Wahrscheinlichkeit erhöht war, von einer infizierten Zecke gestochen zu werden", hieß es beim LGA.
"Wir sehen, dass die Auwaldzecke vor allem im Norden eine sehr invasive Art ist", sagt auch Dobler. Sie komme ursprünglich aus dem Osten, aus Sachsen und Sachsen-Anhalt, und sei über den Westen nordwärts gezogen. Forscher gehen davon aus, dass auch schon eine FSME-Übertragung von der Auwaldzecke auf Menschen stattgefunden hat. Allerdings scheint sie für den Menschen eher ungefährlich zu sein. Sticht die Zecke dagegen Hunde oder Pferde, kann sie neben den üblichen Krankheiten, die von Zecken übertragen werden, die Babesiose oder "Hundemalaria" übertragen. Sie verursacht hohes Fieber, außerdem kann sie rasch zum Tode führen, weil sie die roten Blutkörperchen zerstört. Tierärztin Tina Hölscher rät, Tiere sofort ganzjährig gegen Zecken schützen.
Für Menschen wird eine Impfung dann empfohlen, wenn man sich viel in der Natur aufhält. Sie sollte frühzeitig vor dem Sommer beginnen, weil zwischen den insgesamt drei Impfterminen genügend Zeit verstreichen muss. In Risikogebieten wie Baden-Württemberg werden die Kosten von den Krankenkassen vollständig übernommen. Für die Behandlung der FSME gibt es dagegen keine Medikamente.
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