Wo das Glück wächst
Der Wald lebt – jetzt im Herbst sprießen überall die Pilze aus dem Boden, faszinieren mit ihren Farben und Formen und manche auch mit ihrem Geschmack. Eine Liebeserklärung ans Suchen und Finden.
Manche sehen aus wie Korallen im Meer, andere wie stachlige Steine oder außerirdische Glibberwesen. Manchmal entdeckt man massenhaft Exemplare, deren Fruchtkörper wie die Fangarme eines Tintenfisches aussehen, oder steht plötzlich in einem sogenannten Hexenring. So nennt man es, wenn die Fruchtkörper in einem großen Kreis wachsen. Andere – wie beispielsweise die Stinkmorchel – riecht man schon von fern. Und je nachdem, ob man in Nadel- oder Laubwald unterwegs ist, sehen die Waldbewohner komplett anders aus.
"Es ist ein bisschen wie eine Schatzsuche", sagt Nadja Frotscher-Kanka, die in Badenweiler als Pilzcoach und -sachverständige arbeitet, Korbberatungen anbietet und auch über ihren Instagram-Kanal (@pilzcoachbadenweiler) ihr Wissen weitergibt. In ihren Kursen lässt sie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer daher nicht gezielt Speisepilze sammeln. "Sie sollen erstmal durch den Wald gehen und alles bringen, was für sie ein Pilz sein könnte. Wenn ich ihnen dann zum Beispiel etwas zeige, was wie ein Stein aussieht, beim Durchschneiden aber innen eine andere Konsistenz hat, sind sie meistens ziemlich erstaunt."
Die meisten, die solche Kurse besuchen, wollen natürlich lernen, Speisepilze zu finden. Und sie wollen die Pilze sicher bestimmen, denn es gibt auch tödlich giftige Exemplare. Manchmal machen hier Feinheiten in der Bestimmung den entscheidenden Unterschied. Doch beim Suchen und Finden geht es letztlich um viel mehr als nur das Abendessen. Es geht darum, den Blick für die Natur wieder zu schärfen.
Darum, bewusst langsam zu sein. Denn wer schnell durch den Wald geht, übersieht das Spannendste. Das Suchen lehrt Demut, denn allzu oft bleibt das Körbchen für die Speisepilze auch nach Stunden leer. Und das Suchen lehrt, achtsam mit dem Wald umzugehen –und deshalb meist auch eine Mülltüte im Gepäck zu haben, um Bierflaschen oder Plastikpapierchen einzusammeln, die selbst im tiefsten Dickicht zu finden sind.
Suchen macht glücklich, weil man sich die Zeit dafür lässt. Man geht nicht in den Supermarkt oder ins Internet, um das zu kaufen, wonach einem gerade ist. Man muss sich seine Funde erlaufen und weiß nicht, ob die Mühe letztlich Erfolg hat. Steht man dann plötzlich in einem Feld voller Pfifferlinge oder entdeckt einen festfleischigen, frisch gewachsenen Steinpilz, kommt natürlich auch die Freude am Finden nicht zu kurz.
Pilzenthusiasten sind dann kaum zu bremsen, denn nun will man natürlich doch mehr finden als die anderen. Innerfamiliärer Konkurrenzdruck stachelt an, den eigenen Korb zu füllen, auch wenn letztlich alles in der selben Pfanne landet.
Neben dem Suchen und Finden ist auch das Verarbeiten der Schätze aus dem Wald eine Beschäftigung, die guttut. Nadja Frotscher-Kanka rät dazu, Speisepilze schon im Wald zu putzen, dann fällt zuhause nicht so viel Dreck an. Zu tun hat man meist trotzdem genug. Während man die Pilze zum Trocknen in dünne Scheiben schneidet, fürs Einfrieren vorbereitet oder die schönsten und knackigsten direkt als Soße für den Abend vorbereitet, kann man sich sicher sein, dass man eine vergleichbare Qualität nirgends sonst bekommt. Empfohlen wird dennoch weiterhin, pro Woche nicht mehr als 250 Gramm Waldpilze zu essen, weil sie Schwermetalle wie Cadmium oder Quecksilber anreichern.
Klar ist aber: Wer je selbst gesammelte Pfifferlinge gegessen hat, wird wohl nie wieder zu den schrumpeligen Exemplaren im Supermarkt greifen wollen. Und egal, was die Lebensmittelindustrie zusammenmischt, ein besseres vegetarisches Schnitzel als einen panierten Parasolpilz wird sie vermutlich nie erfinden können. Das liegt nicht nur daran, dass der Geschmack fantastisch ist, sondern daran, dass man es nicht kaufen kann.
Man muss Pilze suchen, sich Zeit für sie nehmen, sie sich erlaufen. Das Glück lässt sich finden. Aber eben nur manchmal.
Eingelegte Waldpilze
Pilzcoach Nadja Frotscher-Kanka legt ihre Pilzfunde gerne ein, um sie haltbar zu machen. Dazu nimmt sie beispielsweise Violette Rötelritterlinge, Pfifferlinge, Steinpilze, Maipilze oder Reizker.Die geputzten Pilze brät sie an, währenddessen bereitet sie einen Sud vor, der zur Hälfte aus Essig und zur Hälfte aus Wasser besteht, dazu kommen etwas Zucker und Salz sowie Gewürze wie Lorbeer, Rosmarin oder Knoblauch. Die gebratenen Pilze in saubere Gläser geben, den kochend heißen Sud dazu schütten, die Gläser fest verschließen. Passt gut zu Salaten oder Suppen, zum Vesper oder zum Raclette.
Kommentare
Liebe Leserinnen und Leser,
die Kommentarfunktion ist aktuell geschlossen, es können keine neuen Kommentare veröffentlicht werden.
Öffnungszeiten der Kommentarfunktion:
Montag bis Sonntag 6:00 Uhr - 00:00 Uhr