Ehemaliger SS-Wachmann vor Gericht
"Wie konnten Sie sich bloß an das Grauen gewöhnen?"
Das Landgericht Hamburg hat einen ehemaligen SS-Wachmann im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig zu zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt.
dpa
Do, 23. Jul 2020, 20:21 Uhr
Deutschland
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"Wie konnten Sie sich bloß an das Grauen gewöhnen?" fragte die Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring den 93-jährigen Bruno D. bei der Urteilsbegründung. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Jugendstrafe von drei Jahren Haft beantragt, die Verteidigung Freispruch gefordert.
Bereits zum Auftakt des Prozesses im vergangenen Oktober hatte der 93-Jährige bestätigt, dass er von August 1944 bis April 1945 Wachdienst im Lager Stutthof hatte. Er hatte betont, dass er nicht freiwillig Wachmann wurde. Als Wehrmachtssoldat habe er wegen eines Herzfehlers nicht an die Front gehen können und sei deshalb in das Lager abkommandiert worden. Vor Gericht hatte er die Überlebenden und Hinterbliebenen der KZ-Opfer um Entschuldigung gebeten.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft waren während der Dienstzeit des Angeklagten mindestens 5230 Gefangene ermordet worden. 30 wurden in einer geheimen Genickschussanlage im Krematorium des Lagers getötet. Mindestens 200 wurden in der Gaskammer und in einem verschlossenen Eisenbahnwaggon mit Zyklon B umgebracht. Wenigstens 5000 Menschen starben in Folge der lebensfeindlichen Bedingungen in Stutthof.
An dem Prozess waren rund 40 Nebenkläger beteiligt, unter ihnen 35 Überlebende des Konzentrationslagers. Vier von ihnen hatten persönlich im Gerichtssaal ausgesagt, zwei über eine Videoschaltung. Sie hatten von täglichen Misshandlungen, Hinrichtungen, Hunger und einer Fleckfieber-Epidemie berichtet. Ein weiteres Verfahren gegen einen anderen ehemaligen Wachmann in Stutthof könnte vor dem Landgericht Wuppertal beginnen. Es steht aber noch ein Gutachten zur Verhandlungsfähigkeit des 95 Jahre alten Mannes aus, wie ein Sprecher des Gerichts sagte. Nach Angaben der Zentralen Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg führen deutsche Staatsanwaltschaften noch 14 Ermittlungsverfahren wegen Verbrechen in Konzentrationslagern. Offen seien drei Verfahren zu Buchenwald bei der Staatsanwaltschaft Erfurt und acht zu Sachsenhausen bei der Anklagebehörde in Neuruppin. Zudem beschäftige das Lager Mauthausen mit jeweils einem Verfahren die Staatsanwaltschaften in München und Berlin. Ferner ermittelt die Staatsanwaltschaft Itzehoe gegen eine ehemalige Schreibkraft im KZ Stutthof.
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