Nepal
Wenn Kinder zu Ehefrauen werden
In Nepal sind Ehen mit Minderjährigen offiziell verboten / Trotzdem wird dort jedes dritte Mädchen unter 18 verheiratet.
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KATHMANDU (dpa). Mehr als jedes dritte Mädchen in Nepal wird minderjährig verheiratet. Kritiker, wie die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, sagen, die Regierung schiebe das Problem vor sich her – und gefährde so die Zukunft des Landes.
Die Geschichten, von denen die Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch (HRW) berichten, klingen alle ähnlich. Minderjährige Kinder werden durch wirtschaftlichen oder sozialen Druck in eine Heirat getrieben, verlassen die Schule, kurz darauf kommt das erste Kind. Perspektiven für die Zukunft: so gut wie keine. "Vielen Kindern in Nepal wird die Zukunft gestohlen", sagt Heather Barr. Sie ist eine der Autorinnen der Studie "Our Time to Sing and Play" (Unsere Zeit, zu singen und zu spielen), die HRW in Nepals Hauptstadt Kathmandu vorgestellt hat. Mit 149 Experten und Betroffenen haben sie und ihre Kollegen dafür gesprochen. Barrs Fazit: "Die Regierung verspricht Reformen, aber in Städten und Dörfern im ganzen Land zeigt sich, dass sich nichts geändert hat."
Vor allem Mädchen sind in Nepal betroffen. 37 Prozent der Mädchen heiraten, bevor sie 18 Jahre alt sind. Jede Zehnte ist bei der Hochzeit sogar jünger als 15. Bei den Jungen sind es elf Prozent, die bei ihrer Eheschließung noch nicht volljährig sind. Damit steht Nepal in Sachen Kinderheirat an Nummer drei in Asien, hinter Indien und Bangladesch.
Legal ist die Praxis in Nepal nicht. Seit 1963 sind Kinderehen verboten, das offizielle Heirats-Mindestalter liegt bei 20 Jahren. Doch laut HRW interessiert das sowohl die Behörden als auch die Dorfgemeinschaften kaum. Ehen von Minderjährigen würden so gut wie nie angezeigt, und es sei kein Fall bekannt, in dem die Polizei ohne eine Anzeige gehandelt hätte, heißt es in der Studie. Auch würden viele Beamte Ehen registrieren, ohne das Alter des Brautpaars zu überprüfen.
"Es gibt in Nepal eine große Lücke zwischen geschriebenem Gesetz und gelebter Praxis ", sagt Gauri Pradhan. Er ist der Vorsitzende der nationalen Menschenrechtskommission in Nepal und ein Aktivist für Kinderrechte in Nepal. "Ein Problem ist, dass viele Eltern sogar denken, sie tun ihren Kindern mit den frühen Ehen einen Gefallen. Sie denken, so die Zukunft der Kinder zu sichern."
Das Problem ist oft ein wirtschaftliches. Kinder sind für arme Familien zunächst einmal ein Kostenfaktor. Während die Jungen eines Tages zum Familieneinkommen beitragen, werden die Mädchen ab dem Moment ihrer Ehe Teil der Familie des Bräutigams. Diese erwartet darüber hinaus häufig noch eine Mitgift. Eine frühe Hochzeit bedeutet eine kleinere Mitgift – und ein Familienmitglied weniger, das versorgt werden muss. "Ich dachte, ich könnte meine Großeltern ein wenig entlasten, wenn ich heirate", sagt ein 15-jähriges Mädchen in einem Film, den HRW zu seiner Studie veröffentlicht hat.
Zudem berichtet HRW, dass einige Kinder freiwillig heiraten, weil sie durch die Ehe schlechten Lebensbedingungen entkommen wollen. Sie sprächen von diesen Ehen zwar als Liebesheirat, diese seien aber genau so gefährlich wie erzwungene Ehen. "Die Ursachen sind Flucht vor häuslicher Gewalt oder vor der Zwangsheirat mit einem Partner, den sie noch weniger wollen", heißt es in der Studie.
Die Regierung hat ihre Fristen im Kampf gegen Kinderehen erst Anfang des Jahres verlängert. Anstatt bis 2020 soll die Praxis nun erst bis 2030 aus dem Land verschwunden sein. "Das Phänomen hat seine Wurzeln so tief in der Gesellschaft, dass es Jahrzehnte dauern wird, es zu beenden", sagt Narayan Prasad Kafle, Sprecher des Familienministeriums. Die Verschiebung des Ziels auf 2030 war eine pragmatische Entscheidung."
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