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Jugend und Beruf

Wenn Generation Pause durchhängt

  • Claudia Wittke-Gaida (dpa)

  • Mi, 18. September 2024, 11:40 Uhr
    Verlagsthema

     

Verlagsthema "Ich weiß noch nicht, was ich arbeiten will": Tipps für Eltern im Umgang mit der Hängepartie der Sprösslinge – und warum Geduld besser ist als Drängeln.

Bei einer Phase der Orientierungslosig...llten Eltern gewisse Regeln festlegen.  | Foto: Kite_rin (stock.adobe.com)
Bei einer Phase der Orientierungslosigkeit und des „Abhängens“ sollten Eltern gewisse Regeln festlegen. Foto: Kite_rin (stock.adobe.com)
Wenn die Zehntklässler am letzten Schultag auseinanderströmen, wissen sie meist, was hinterher kommt: Die einen gehen weiter bis zum Abitur zur Schule, andere beginnen eine Ausbildung. Aber es gibt auch jene, die wissen es nicht. Manchmal kamen sie vielleicht nur noch selten in den Unterricht. Aus ihrer Sicht schien der sinnlos – wenn man eh nicht weiß, was man will.

"Über die Diffusität von Pubertierenden rund um den beruflichen Werdegang hat sich die Wissenschaft schon immer Gedanken gemacht", sagt Erziehungsberater und Buchautor Jan-Uwe Rogge. So habe man drei Typen ausgemacht – egal ob weiblich oder männlich.

Die erste Gruppe weiß relativ früh, also schon vor der Pubertät, was sie wird. "Bei ihr ist die Berufsbiografie programmiert, weil sie etwa auf dem Bauernhof leben und Bauer werden oder die Familie ein Hotel hat und sie dort mit einsteigen", so Rogge. Bei der zweiten Gruppe schwanke es. Zu Beginn der Pubertät wollen sie dies werden, sechs Monate später das und ein halbes Jahr danach jenes. Und die dritte Gruppe wisse gar nicht, was sie will.

Zeit des Suchens

"Von diesem dritten Typ berichten mir Lehrlingsausbilder immer häufiger", sagt Rogge. Ihn wundert das nicht. "Das liegt auch an der ständigen Veränderung von Berufsbildern." Um die 15, 16 Jahre herum sei ohnehin die Zeit des Suchens – auch was den Job angeht. Wenn Eltern dann die Nerven verlieren, flehen und schreien, führt das laut Rogge nur selten zum Erfolg. Stattdessen sei Geduld gefragt. "Drängeln führt nur dazu, dass sich das massiv auf die Beziehung zwischen Eltern und Kind auswirkt", warnt Rogge.

Kira Liebmann, Gründerin einer Akademie für Familiencoaching, empfiehlt zunächst, genau hinzuschauen, was hinter der Planlosigkeit steckt und nennt Beispiele: Will der junge Mensch nach der Schule erstmal auf Reisen gehen, etwa auf der Aida jobben, ein Work-and-Travel-Jahr machen? Oder ist er einfach nur bocklos und gammelt sich Richtung in Bürgergeld? Denkbar sei auch, dass die Orientierungslosigkeit eine Folge der Pandemie ist, weil Schnupperkurse und Praktika in der 9. Klasse nicht möglich waren. Dann könnten Eltern schon eine gewisse Zeit einräumen, um das nachzuholen.

Deal vereinbaren für Ende der Findungszeit

Für die Familiencoachin ist dabei folgender Deal denkbar: Du darfst dich gern selber finden und an deiner Persönlichkeit feilen. Aber wir erwarten, dass du dann etwas zurückgibst. Nach dem Findungsjahr solltest du jobmäßig etwas ausprobieren. "Das sollte mindestens ein halbes Jahr dauern. Denn erst dann weiß man, ob etwas passt oder nicht."

Schwierig werde es, wenn die Findungszeit vertrödelt wird. "Wenn man nur zu Hause hockt, bis mittags schläft, nicht in die Gänge kommt oder Nächte durchfeiert, wird das schwer mit der Eigenmotivation", so Liebmann. Sie rät Eltern daher, in der vereinbarten Zeit auf Struktur Wert zu legen, einen gewissen Druck aufzubauen und sanft zu schieben. "Denn mitunter braucht das Gehirn bei manchen Teenagern Zeit, in der es noch nachreift."


Keine Jobs vorgeben, aber Deadline setzen

Beim Ausprobieren von Tätigkeiten und Anleiern von Praktika sollten Eltern nichts vorgeben. Der Grund: "Wenn es dann nicht passt, ist Mama schuld. Das ist wieder die bequeme Nummer", erklärt Liebmann.

Helfen beim Sammeln von Job-Ideen, Anregungen für Messen und Schnupperpraktika geben, Links schicken oder gemeinsam googeln könnten Eltern aus Sicht von Rogge aber schon. Das gebe den Betroffenen das Gefühl, sie im Prozess des Findens zu unterstützen.

Und der Erziehungsexperte hat noch einen Tipp, und zwar, auf die ältere Generation zu setzen: "Häufig gehen Oma oder Opa viel einfühlsamer mit dem Thema um. Es lohnt sich, sie mit ins Boot zu holen", rät Rogge.

Haben Eltern das Gefühl, sie halten die Hängepartie ihres Sprösslings überhaupt nicht mehr aus, können sie sich Unterstützung holen: "Beratungsstellen der Agentur für Arbeit oder der Handwerkskammer haben Erfahrungen mit dem Problem", sagt Rogge.

Und sollten Eltern die Findungszeit finanzieren? "Nichtstun sollten Eltern auf keinen Fall finanzieren", sagt die Erziehungsexpertin Liebmann. Wer es aus schlechtem Gewissen heraus aber dennoch tue, sollte eine zeitliche Deadline setzen und klare Ziele vereinbaren.

Dabei konsequent zu sein, ist für Liebmann sehr wichtig, denn: "Wenn wir es nicht sind, wird es das Kind auch nicht", erklärt sie abschließend.
Aktuelle Ausbildungsplätze gibt es auf dem Jobmarkt der Badischen Zeitung.

Ressort: Verlagsthema

Dossier: Jugend und Beruf

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