Wenn es im Leben mal nicht rund läuft
Über Scheitern und Versagen spricht man nicht gerne, in der Politik noch weniger. Bei der F*ckup Night Lörrach in der Reihe zum Tag der Demokratie haben es drei Personen des öffentlichen Lebens vor Ort trotzdem getan.
Jörg Lutz erzählte die Geschichte, wie aus einem Bauplatz ein Parkplatz und aus einem Parkplatz ein Bauplatz wurde. Schon vor Jahren war klar, dass die DHBW ein Studierenden-Wohnheim braucht. Das Studierendenwerk Freiburg sollte Bauherr sein, und als Bauplatz schlug Lutz ein Restgrundstück neben dem Innocel-Gebäude an der Marie-Curie-Straße vor. An dieser innenstadtnahen Stelle müsste es natürlich von hochwertiger Architektur sein, was den Bau verteuern würde, die Hanglage und die Bäume machten das Projekt zudem schwierig. So ging es nie richtig voran, dann kamen Corona und der Ukraine-Krieg, die Baupreise stiegen in zwei Jahren um ein ganzes Drittel. "In einer sehr emotionalen Sitzung am 23. März 2023, in der auch die Fetzen flogen, wurde klar, das funktioniert nicht", erzählte Lutz. Studierendenwerk und Stadt hatten Zeit und Geld investiert, der OB fühlte sich vor den Kopf gestoßen. Jetzt wird aus dem Bauplatz gerade ein Parkplatz für Marktbeschicker, das Studierendenwohnheim wird auf dem Parkplatz an der Hangstraße bei der DHBW gebaut. "Manchmal wäre es gut, früher zu scheitern und zu merken, dass man auf einem toten Pferd sitzt", zog Lutz die Lehre aus dem Vorgang. Auf Nachfrage sagte er: "In der Politik scheitert man öffentlich. Man muss abstrahieren, wann ist die Amtsperson gemeint und wann der Mensch dahinter. Und man muss den Menschen vermitteln, wir brauchen auch das Scheitern."
Hubert Bernnat erzählte zum ersten Mal öffentlich von einer tiefen Krise, die er vor 25 Jahren erlebte. Mit einem befreundeten Kollegen hatte er ein Haus in Tüllingen gekauft, doch den Sanierungsbedarf des 200 Jahre alten Gebäudes unterschätzt. Gleichzeitig war er familiär stark gefordert, ebenso im Lehrerberuf. Er hatte ein Buch geschrieben über die Geschichte des SPD-Ortsvereins Lörrach und konnte sich vorstellen, als freischaffender Historiker zu arbeiten. "Ich war gerne Lehrer, aber ich hätte auch gerne was Neues gewagt, aber mit Haus und drei Kindern wäre das nicht einträglich genug gewesen", erzählte er. Die hohen Ansprüche an sich als Vater, als Autor und als Lehrer, dazu der Hausbau: Mehr und mehr habe er gespürt, wie ihm alles zu viel wurde und er immer tiefer in eine Abwärtsspirale geriet, erzählt Bennat. Als das auch in den Sommerferien nicht nachließ, wandte er sich an einen Vater und Arzt, den er von der Schule kannte, der ihm eine Psychotherapie vermittelte. Ein Jahr später war er wieder stabil, wurde dann auch in den Gemeinderat gewählt, 2002 wurde er Schulleiter am HTG.
"Aber diese schier ausweglose Situation hat mir in meinem weiteren Leben viel geholfen", stellte Hubert Bernnat fest. Auf Nachfrage sprach er sich für Teamarbeit unter Lehrern aus und dafür, auch im Lehrerzimmer über Scheitern zu sprechen und sich nicht gegenseitig als Konkurrenten zu betrachten. "Wichtig ist, dass man offen darüber spricht, und ich finde es noch heute schade, dass ich damals auch mit guten Freunden nicht darüber gesprochen habe", sagte Bernnat.
Jessica Langs Geschichte hatte auch mit Jörg Lutz zu tun. Sie hat in Müllheim Verwaltungsfachangestellte gelernt, war dann im Landratsamt Lörrach in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, danach im selben Metier im Bayerischen Staatsministerium in München. Schließlich wollte sie zurück in die Heimat und fand eine Stellenausschreibung der Stadt Lörrach, die eine Leiterin für den Fachbereich Zentrale Dienste und Ratsarbeit suchte. Für das Bewerbungsgespräch hatte sie sich gut vorbereitet und sich für alle Eventualitäten etwas überlegt. Trotzdem war sie nervös.
Auf dem Weg zum Lörracher Rathaus traf sie zufällig einen früheren Kollegen aus dem Landratsamt, den promovierten damaligen Umwelt-Fachbereichsleiter im Landratsamt, Dr. Georg Lutz. Während des Vorstellungsgesprächs stieg die Nervosität, und so unterlief es ihr, dass sie, wohl wegen der vorherigen Begegnung, den Lörracher OB – der keinen Doktortitel hat – mit "Dr. Lutz" anredete. Dieser schaute daraufhin irritiert. Bei der abschließenden Fragerunde habe sie schon gespürt, dass sie sie Stelle nicht bekommen würde. "Daraus habe ich gelernt, ein Schema F gibt’s nicht, und es ist besser, sich auf das eigene Können und seine Stärke zu verlassen", sagte Jessica Lang. Bei der Bewerbung um den Posten als Hauptamtsleiterin in Maulburg habe sie mit dieser veränderten Einstellung ebenso Erfolg gehabt, wie später im Maulburger Bürgermeister-Wahlkampf.
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