Weniger Flüchtlinge kommen hier an
In Deutschland haben im ersten Halbjahr 90 389 Menschen Asyl beantragt / Dagegen erreichen immer mehr Afrikaner Italien.
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
FREIBURG. SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz hat im Wahlkampf vor einer erneuten Flüchtlingskrise in Deutschland gewarnt. Die Lage gestaltet sich derzeit allerdings deutlich anders als im Sommer vor zwei Jahren, als nach Angaben des Bundesinnenministeriums 890 000 Flüchtlinge nach Deutschland kamen – und nicht mehr als eine Million, wie Schulz sagte. Ein Überblick:
der Flüchtlinge heute aus?
Mit Blick auf die internationale Lage gibt das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) keinesfalls Entwarnung. Wie vor zwei Jahren auch seien weltweit etwa 65 Millionen Menschen auf der Flucht. Zwei Drittel davon sind sogenannte Binnenvertriebene, also Menschen, die in ihrem Heimatland auf der Flucht sind. Die meisten anderen bleiben in den Nachbarländern ihrer Heimatstaaten. Die wenigsten schaffen es bis nach Europa oder nach Deutschland.
Wie viele Flüchtlinge kamen
2017 in Griechenland an?
Die Zahl der Flüchtlinge, die aus der Türkei übers Mittelmeer nach Griechenland gelangen, ist drastisch zurückgegangen: Sie lag in diesem Jahr bei 10 700. Das ist ein Bruchteil im Vergleich zu 2015, als ein Großteil der Flüchtlinge in Griechenland strandete (im ganzen Jahr 850 000) und dann nach Deutschland und andere EU-Staaten weiterwanderte. Da die Balkanroute inzwischen weitgehend geschlossen ist, können die Flüchtlinge nicht mehr auf eigene Faust in andere EU-Staaten gelangen. Insgesamt leben etwa 60 000 Flüchtlinge in Griechenland. In den Flüchtlingscamps auf den griechischen Inseln ist die Versorgungslage laut UNHCR sehr schwierig.
Wie sieht die Lage
in Italien aus?
Die Zahl der Menschen steigt, die von Nordafrika übers Mittelmeer nach Italien kommen. 93 300 Menschen waren es im ersten Halbjahr dieses Jahres – nach 153 000 im gesamten Jahr 2015 und 181000 im Jahr 2016. Diese Route ist besonders gefährlich. Laut Pro Asyl ertranken seit Jahresanfang 2300 Menschen. Die meisten, die in Italien ankommen, stammen aus Westafrika und Bangladesch. Sie haben schlechte Chancen, in EU-Staaten als Flüchtlinge oder politisch Verfolgte anerkannt zu werden. Besser sieht es für Eritreer aus, die 4,8 Prozent der Flüchtlinge ausmachen. Ihre Anerkennungsquote ist hoch, da die Menschenrechtslage in ihrer Heimat trostlos ist. Italien sieht sich überfordert angesichts der vielen Flüchtlinge – und von der EU alleine gelassen. So hat das Land Probleme mit der Unterbringung. Manche Regionen weigern sich, Flüchtlinge aufzunehmen. Italien droht, keine Schiffe mit Flüchtlingen mehr in italienische Häfen einlaufen zu lassen. Bisher konnten sich die EU-Staats- und Regierungschefs aber nicht auf mehr Hilfe für Italien verständigen. Länder wie Ungarn und Polen wollen niemanden aufnehmen.
An der Deutsch-Schweizer Grenze machen sich die Probleme in Italien bemerkbar. Kamen in Weil am Rhein im ersten Halbjahr des Vorjahres 870 Flüchtlinge an (2015: 920), so waren es im selben Zeitraum dieses Jahres 1672. Die meisten von ihnen stammten aus Afrika.
Wie viele Flüchtlinge gibt es
in Deutschland insgesamt?
Nach Auskunft des Bundesinnenministeriums wurden in Deutschland seit Jahresbeginn insgesamt 90 389 Asylsuchende registriert – deutlich weniger als 2015. Davon stammten 22 320 aus dem Bürgerkriegsland Syrien, 9283 aus dem Irak und 6316 aus Afghanistan. Die Zahlen der afrikanischen Flüchtlinge liegen darunter. Das UNHCR geht davon aus, dass die meisten auf dem Landweg nach Deutschland gelangen, nicht übers Mittelmeer.
Welche Rolle spielt der
Flüchtlingsdeal mit der Türkei?
Im März 2016 haben sich die EU und die Türkei, die drei Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen hat, auf ein Abkommen geeinigt. Darin verpflichtete sich die EU, drei Milliarden Euro für Flüchtlingshilfsprojekte in der Türkei zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug versprach Ankara, Flüchtlinge nicht mehr nach Europa weiterzulassen. Die EU verpflichtete sich im Gegenzug dazu, für jeden in die Türkei abgeschobenen Flüchtling, einen syrischen Flüchtling aufzunehmen. Wie der Rückgang in Griechenland zeigt, wirkt dieses Abkommen. Trotz der scharfen Töne aus Ankara Richtung Berlin wird an diesem Abkommen nicht gerüttelt, wie aus dem Auswärtigen Amt zu vernehmen ist. Dort geht man davon aus, dass sich das in Zukunft nicht ändern wird, da auch die Türkei von der Hilfe profitiert und sie nicht alles alleine stemmen muss.
Auffällig ist, dass weniger Syrer nach Europa kommen. Ein Grund dafür ist laut UNHCR, dass die Türkei die Grenzen in das Nachbarland dichter gemacht hat. Konnten im Jahr 2015 Syrer noch ohne Visum in die Türkei reisen, ist das heute nicht mehr möglich. Laut UNHCR veranlasste die Reisefreiheit damals besonders viele Syrer, das Land zu verlassen, weil sie keine Hoffnung auf eine Besserung der Lage mehr hatten. Obwohl es immer noch schwere Kämpfe in Syrien gibt, ist in manchen Regionen eine leichte Entspannung zu erkennen. So kehren einige Binnenflüchtlinge in ihre Heimat zurück.
Kommentare
Liebe Leserinnen und Leser,
leider können Artikel, die älter als sechs Monate sind, nicht mehr kommentiert werden.
Die Kommentarfunktion dieses Artikels ist geschlossen.
Viele Grüße von Ihrer BZ