Wehr setzt auf eigene Konzepte zum Klimaschutz
Wehr verabschiedet sich vom European Energy Award. Der Gemeinderat setzt auf die Umsetzung des eigenen Klimaschutzkonzeptes.
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Klimaschutzmanager Sven Geiger zog eine Bilanz des EEA-Programms, in welches die Stadt im Jahre 2013 eingestiegen war. 2021 wurde Wehr ein "Zielerreichungsgrad von 53 Prozent" und damit die Zertifizierung bescheinigt. Allerdings, so Geiger, habe die Stadt viele sinnvolle Programme wie den Ausbau der Wärmenetze verwirklicht, die im starren Punktesystem des EEA gar nicht berücksichtigt wurden. Dass die Stadt Wehr aussteige, bedeute nicht, "dass wir unsere Anstrengungen in Sachen Klimaschutz relativieren", stellte Bürgermeister Michael Thater klar. "Es gibt weitere Kommunen, die über einen Ausstieg nachdenken, auch wenn einige Leute beim EEA jetzt beleidigt sind – aber damit müssen wir leben".
Die Grundlage für die Wehrer Klimaschutzanstrengungen soll künftig das Energie- und Klimaschutzkonzept bilden, das 2015 beschlossen und 2019 fortgeschrieben wurde. Dessen Ergebnisse stellte Jan Münster von der Energieagentur Südwest vor. Das Konzept analysiert den Ist-Zustand, ermittelt Sparpotenziale und entwickelt einen Maßnahmenkatalog, über deren Umsetzung der Gemeinderat entscheiden wird. Vorgesehen ist eine jährliche Überprüfung. Aktuell hat die Wärmeerzeugung einen Anteil von 46 Prozent an den Treibhausgasemissionen; die Stromerzeugung trägt zu 31 Prozent und die Mobilität zu 23 Prozent zum Kohlendioxid-Ausstoß bei. Die meisten Emissionen (43 Prozent) verursachen private Haushalte, das verarbeitende Gewerbe (26) und der Verkehr (22). Aktuell werden 88 Prozent der Wärme und 85 Prozent des Stromes aus fossilen Trägern gewonnen, während die Photovoltaik zwölf Prozent des Stroms in Wehr erzeugt.
Jan Münster sah ein großes Einsparpotenzial in der Sanierung vor allem der älteren Häuser und schlug die verstärkte Nutzung von Dachflächen für Solaranlagen vor. Für Windkraftanlagen gebe es auf Wehrer Gemarkung keine geeigneten Standorte, und angesichts der Flächenknappheit kämen auch Solarparks eher nicht in Frage. Um bis 2040 Treibhausgasneutralität zu erreichen, hat die Energieagentur einen "Absenkungspfad" mit jährlich sinkenden Emissionsmengen entwickelt. Während die Stadt 2021 noch 64.000 Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente emittierte, waren es 2023 nur noch knapp 58.000 Tonnen, womit das Ziel sogar übertroffen wurde. Auch die großen Waldflächen der Stadt könnten als Kohlendioxid-Senken angerechnet werden. Insgesamt listet das Konzept 34 "Steckbriefe" auf, in denen die Maßnahmen nach Kosten, Umsetzungsaufwand und Klimaschutzwirkung bewertet werde. Der Gemeinderat entscheidet Jahr für Jahr über die Umsetzung bestimmter Maßnahmen.
Während alle Räte den Ausstieg aus dem EEA befürworteten, waren die Meinungen über das Klimaschutzkonzept geteilt. Stefan Tussing (CDU) verwies auf die sich wandelnden politischen Rahmenbedingungen und plädierte dafür, Klimaschutzmaßnahmen "mit Augenmaß und nicht mit der Brechstange" durchzusetzen. Ähnlich äußerte sich sein Fraktionskollege Paul Erhart (CDU): "Ich war nie ein Freund des EEA, und unser Klimaschutzkonzept ist fast das gleiche, nur ohne Punktesystem." Anstatt eine Fülle von Maßnahmen zu entwickeln, solle man sich auf wenige Projekte beschränken, die den Klimaschutz auch wirklich weiterbrächten. Annette Hufschmidt (Grüne) erwiderte, dass der Gemeinderat genau dies tue, denn er wähle ja die umzusetzenden Maßnahmen aus, und Claudia Arnold (Grüne) sekundierte: "Was Paul Erhart kritisiert, erhoffe ich von dem vorgesehenen Controlling – dadurch können wir die wichtigen Maßnahmen auswählen." Stefan Engel (Grüne) lobte, dass das Konzept eine Verstetigung der Klimaschutzbemühungen vorsehe, und Christoph Schmidt (FW) betonte: "Wir brauchen die Gesamtbetrachtung, um geeignete Maßnahmen zu finden." Jan Münster versicherte, dass der Gemeinderat Herr des Verfahrens bleibe. "Wir möchten das Gute am EEA beibehalten, aber ohne dessen bürokratischen Aufwand."
Bürgermeister Thater stellte klar, dass man auf jeden Fall etwas für den Klimaschutz tun müsse. "Aber wir sind Realpolitiker und gehen pragmatisch vor." Ganz im Gegensatz zur Stadt Mannheim, die 2035 die Gaslieferungen einstellen möchte. "In Wehr wird es auf jeden Fall bis 2040 Gas geben."