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"Warum heißt jemand so?"

Verlagsthema BZ-Interview mit dem Namensforscher Konrad Kunze über südbadische und Schwarzwälder Familiennamen und deren Ursprung  

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Typisch Schwarzwald – das sind nicht nur Tannen oder Fichten , sondern auch einige Namen. Foto: by-studio busse/yankushev (stock.adobe.com)
Sie gehen uns meist ganz locker über die Lippen und doch wissen wir oft nicht, was sie bedeuten: die Nachnamen. Im Gespräch mit Anita Fertl erklärt der emeritierte Universitätsprofessor Konrad Kunze, wie die für unsere Region typischen Namen zustande kamen, verrät Kuriositäten und seinen Favoriten.

Herr Kunze, woher kommt eigentlich Ihr Name?
Es gibt viele Namen mit der Endung "-ze": Heinze, Götze und so weiter. Das sind alles Vornamen, die man mit einer Kose-Endung versehen hat. Aus Heinrich wird Heinze, aus Gottfried Götze. Und aus Konrad, früher Kuonrad, hat man zärtlich Kunze gemacht. Also bin ich doppelt gemoppelt, Konrad Kunze ist zweimal Konrad.

Seit wann gibt es überhaupt Familiennamen?
Jahrtausende sind die Menschen mit nur einem Namen ausgekommen. Der König Salomon hieß nur Salomon und der Philosoph Sokrates nur Sokrates. Nur die Römer hatten drei Namen: Gaius Julius Caesar. Bei uns hatte man nur einen Namen.

Als aber seit dem 11. Jahrhundert die Städte wuchsen, gab es Probleme; in Köln hießen Hunderte von Männern Heinrich oder Johannes. Jetzt musste man die Namen eindeutiger machen, erst mit individuellen Beinamen, dann mit erblichen Familiennamen. Etwa Ende des 15. Jahrhundert waren dann die Familiennamen fest, wie man das nennt.

In Ihren Publikationen legen Sie fünf verschiedene Ursprungsgruppen der Familiennamen fest. Welche sind das?
Die erste Gruppe unterscheidet die Personen nach dem Vater: Hans (der Sohn des) Friedrich. Manchmal auch nach der Mutter, in unserem Raum gibt es etwa die Familiennamen Ketterer, Nachkomme der Katharina, oder Dilger, Nachkomme einer Odilie, im Dialekt Dilg.

Und die anderen Gruppen?
Die zweite Gruppe ist nach ihrem Wohnplatz benannt: Hans am Bach, an der Gasse, auf dem Bühl. Das ergibt Namen wie Bach(mann), Gasser, Bühler. Die dritte Möglichkeit ist, dass man die Personen nach ihrer Herkunft benannt hat: Bayer, Schwab, Freiburger. Die vierte Möglichkeit ist die Unterscheidung nach dem Beruf: Müller, Schlosser, Bauer.
Müller muss es wohl sehr viele gegeben haben?
Ja. Deshalb ist es der häufigste Name überhaupt, gefolgt von Schmidt und Schneider. Die fünfte Möglichkeit ist, dass man die Leute nach ihrem Aussehen oder Charakter benannt hat: Lange, Klein, Groß. Oder Dicke nannte man bei uns Feist. Den Charakter schildern Namen wie Wohlgemut oder Hebstreit – "hebe den Streit". Wenn jemand gern ein aus Grieß, Eiern und Schmalz geschmortes Gericht aß, nannte man ihn Grießhaber. Und wenn jemand besonders nett war: Schätzle.

Welche Namen gelten als typisch für den Schwarzwald?
Da gibt es zum Beispiel viele Allgaier, die als Bauern aus dem Allgäu gekommen sind, oder Beha, das sind Zuwanderer aus Böhmen, oft Glasbläser, die dann hier ihrem Beruf nachgingen. Beispiele für Wohnstättennamen sind folgende: Zipfel heißt jemand, der hinten im Zipfel vom Tal wohnt. Die Winterhalter oder auch Spiegelhalter waren Bauern, die auf der Winterhalde oder Spiegelhalde eines Tales ihre Höfe hatten, wo der Schnee länger liegen blieb beziehungsweise sich die Sonne spiegelte. Sie schreiben sich meist mit t, weil man im Alemannischen d und t kaum unterscheiden kann. Häufig sind auch Herkunftsnamen nach Orten im Schwarzwald wie Furtwängler "aus Furtwangen" oder Zeller "aus Zell". Aber wenn jemand Schwarzwälder heißt, dann lebte er nicht im Schwarzwald, sondern ist aus diesem ausgewandert.

Was ist ein typisch süddeutscher Name? Und sind Sie bei Ihren Forschungen auf einen überraschenden Namen gestoßen?
Die alemannisch-schwäbische Verkleinerungssilbe ist "-le". Sie findet sich in mehr als 10.000 verschiedenen Familiennamen wie Häberle, Eberle, Wehrle, Eisele, Kienzle und so weiter.

Und ja, es gibt kuriose Namen: Im Wiesental findet sich etwa der Name Muckenhirn. Warum heißt jemand so? Das Hirn ist im Dialekt entweder die Stirn oder das Gehirn. Und die Mucke ist eine Fliege. Es ist wohl kaum jemand gemeint, der eine Stirn hat so klein wie eine Fliege. Eher jemand, der Mucken im Hirn hat und sich deswegen etwas sonderbar verhält. In Thüringen gibt es auch den Namen Spinnenhirn, wo die Mucken durch Spinnen ersetzt sind. Im Hessischen gibt es den Familiennamen Klohoker. Das darf man nicht missverstehen. Es ist jemand, der Holzklötze verhökert, also verkauft.

Gibt es Namen, bei dem die Herleitung schwerfällt?
Ja, beispielsweise Bierschneider, ein Name aus Bayern. Wie kann man Bier schneiden? Das "Bier" in diesem Namen ist, aus welchen Gründen auch immer, aus "Bär" entstanden. "Bär" ist die bayerische Bezeichnung für eine kastrierte Sau. Und derjenige, der die Schweine kastriert hat, war der Bärschneider. Das hat man falsch verstanden und "Bier" daraus gemacht. Der Schweinekastrator heißt übrigens im Südwesten Nonnenmacher, ein nicht seltener Familienname.

Ihr Lieblingsname?
Ein typisch Schwarzwälder Name und für mich der schönste in ganz Deutschland ist Schätzle. Er ist im Elztal heimisch und dann auch in Freiburg, wohin viele Schätzle aus dem Elztal gezogen sind.

Zur Person: Konrad Kunze (85) gehört zu den bekanntesten deutschen Namensforschern. Mit Damaris Nübling hat er den Deutschen Familienatlas sowie als Zusammenfassung aus diesem den Kleinen deutschen Familienatlas

herausgegeben.
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