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Universitätsklinikum

Warum Freiburgs neue Kinderklinik nicht wie andere Krankenhäuser aussieht

Thomas SteinerKathrin Blum
  • &

  • So, 15. September 2024, 11:30 Uhr
    Südwest

     

Anti-Warteraum, Elternhaus und angenehme Atmosphäre: Die neue Kinder- und Jugendklinik ist kein gewöhnliches Krankenhaus. Ihre Architektur soll die Genesung fördern. Jetzt wurde sie eröffnet.

Geladene Gäste unter der Lichtdecke: A... und Jgendklinik in Freiburg eröffnet.  | Foto: Rita Eggstein
Geladene Gäste unter der Lichtdecke: Am vergangenen Mittwoch wurde die neue Kinder- und Jgendklinik in Freiburg eröffnet. Foto: Rita Eggstein

"Wie empfinden es Kinder, krank zu sein? Wie ist es für sie, den Fuß in ein Krankenhaus zu setzen?" So formulierte Tobias Feuchtinger die Fragen, die bei der Gestaltung der neuen Kinder- und Jugendklinik in Freiburg eine große Rolle gespielt haben. Der Medizinprofessor ist Ärztlicher Direktor der pädiatrischen Klinik für Hämatologie und Onkologie. Sie ist eine der Kliniken für Kinder und Jugendliche, die nun in dem großen Gebäude auf dem Campus des Freiburger Universitätsklinikums untergebracht werden. Am vergangenen Mittwoch wurde der Neubau mit einem Festakt eröffnet, Feuchtinger war einer der Redner. In Betrieb genommen wird der spektakuläre Bau in zwei Wochen.

Die Decke ist einer Waldlichtung nachempfunden

Wer – auch als Erwachsener – den Fuß hineinsetzt, für den ist schon der erste Eindruck ungewöhnlich. So sieht ein Krankenhaus sonst nicht aus. Die Eingangshalle ist hoch und großzügig, sie wird von einer Lichtdecke erhellt, die beim Blick hinauf florale Figuren zeigt.

Gestaltet hat die Decke der Künstler Paul Schwer. "Ich habe mir zunächst eine Art Waldlichtung vorgestellt", erzählt er. Die Vorarbeit bestand darin, Eindrücke zu sammeln. Das machte er, indem er sich im Schwarzwald und den Vogesen auf Waldlichtungen ins Gras legte und den Blick in den Himmel richtete.

Tag der Offenen Tür am 21. September

Am Samstag, 21. September, wird die neue Kinder- und Jugendklinik zur Besichtigung freigegeben. An dem Tag der Offenen Tür gibt es von 10 bis 16 Uhr Einblicke in die Räume, aber auch in die Intensivstation oder Labore. Für Kinder gibt es eine Rallye durch den Bau, für Eltern Vorträge, etwa über Vergiftungen oder die Knochen von Kindern. Infos unter https://mehr.bz/tdotkk.

Sacht im Wind wiegende Grashalme und vorbeiziehende Wolken hielt er fotografisch und zeichnerisch fest und setzte diese Bilder in der Decke künstlerisch um, am Rande kombiniert mit Kinderzeichnungen. Das Ergebnis ist eine Decke, die Heiterkeit wie Leichtigkeit verbreitet. Die Eingangshalle ist ein Raum, der kein Unbehagen auslöst.

"Der Raum, in dem ich mich aufhalte, macht etwas mit mir."Charlotte Niemeyer, Medizinerin

Für Charlotte Niemeyer ist die Lichtdecke ein Baustein im Konzept der sogenannten Healing Architecture, einer die Genesung fördernden baulichen Umgebung. Die Medizinerin war früher die Ärztliche Direktorin der Kinder- und Jugendklinik und auch als Vorsitzende der Initiative "Echte Helden" die treibende Kraft hinter dem Klinikneubau. "Der Raum, in dem ich mich aufhalte, macht etwas mit mir", sagt sie.

Deshalb sind viele Räume in der neuen Klinik etwas besonderes, beispielsweise die Patientenzimmer mit Zeichnungen an Wänden und Decke. Auch auf den Fluren sind lustige Zeichnungen von Jack Broeders zu sehen. Sie lohnen die nähere Betrachtung: Er hat zum Beispiel dem Münster eine umgedrehte Eistüte als Turmhelm aufgesetzt.

Auch der Anti-Warteraum gehört zum Konzept

Nicht nur Ausgestaltung der Räume gehört zur heilenden Architektur. 2013, ein Jahr bevor die Entscheidung für den Neubau fiel, hatte der Verein "Echte Helden" ein Rotterdamer Büro für Architektur und Psychologie mit der Entwicklung qualitativer Raumkonzepte beauftragt.

Daraus wurden schließlich im Neubau der "Anti-Warteraum", in dem Kinder und Eltern Wartezeiten vor Beratungen oder Behandlungen etwa in Spiel- oder Bewegungsbereichen statt auf bloßen Sitzgelegenheiten überbrücken können, oder "Räume für Entwicklung und Normalität", eine – laut der Initiative einzigartig für deutsche Kinderkliniken – stationsübergreifende Versorgungseinheit, die sich dem psychischen Wohlbefinden der Kinder, Jugendlichen und Eltern widmet.

Dieses Haus wird guttun."Ministerpräsident Winfried Kretschmann

"Dieses Haus wird guttun", so brachte es Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei der feierlichen Eröffnung am vergangenen Mittwoch auf den Punkt. Er war nicht zuletzt als Geldgeber gekommen: 133 der 169 Millionen Euro kamen aus Stuttgart, die übrigen 39 Millionen aus den Mitteln der Universitätsklinik.

Das große Gebäude mitten im Uniklinik-Campus bietet knapp 13.400 Quadratmeter Nutzfläche. Platz ist für 156 Betten. Familien, deren Kinder stationär in der Kinder- und Jugendklinik behandelt werden, finden Unterkunft auch im neuen, spendenfinanzierten Elternhaus neben der Kinder- und Jugendklinik, das bereits seinen Betrieb aufgenommen hat.

Auch von außen ist die neue Klinik ein ästhetisches Gebäude.  | Foto: Rita Eggstein
Auch von außen ist die neue Klinik ein ästhetisches Gebäude. Foto: Rita Eggstein

Tobias Feuchtinger lenkte bei der Eröffnung den Blick auch auf die Labore für Grundlagenforschung und die Räume für klinische Studien im neuen Bau. Er verwies darauf, dass häufig neue Medikamente nicht für Kinder und Jugendliche zugelassen seien. Die für eine Zulassung nötige Forschung könne an der Klinik geleistet werden. "Wissenschaftliche Exzellenz", sagte er, "wird verbunden mit menschlicher Wärme."

Ein breites medizinisches Spektrum

Neben der Behandlung schwerer akuter Fälle von Krankheiten oder Verletzungen von Kindern (siehe Infobox) übernimmt die Klinik die stationären Behandlung etwa von Kindern mit Krebserkrankungen oder Herzfehlern, mit Stoffwechselstörungen oder neurologischen Bewegungsstörungen.

Das gesamte medizinische Spektrum der Universitätsklinik für Erwachsene findet sich hier in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen wieder. Auch die Neonatologie, eine Klinik für Frühgeburten, gehört dazu.

Das Notfallzentrum in der Kinderklinik

In die neue Kinderklinik (Breisacher Straße 62) zieht am 28. September auch das Kinder-Notfallzentrum ein. Es sollte bei sehr schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankungen in Anspruch genommen werden, etwa bei akuter Atemnot, akuten Blutungen, Vergiftungen, Krampfanfällen, starken Schmerzen, Nackensteife, Bewusstlosigkeit oder schweren Verletzungen, besonders am Kopf. Im Zweifel können Eltern die Telefonnummer 112 wählen, dann wird direkt eingeschätzt, ob es erforderlich ist, ins Notfallzentrum zu fahren. Der Eingang ist rechts am Gebäude der Kinder- und Jugendklinik, an der Breisacher Straße. Das Notfallzentrum ist durchgehend geöffnet.

Nicht zu verwechseln ist das Notfallzentrum mit der Kinder-Notfallpraxis , die außerhalb der Sprechzeiten von Kinderärzten als Ansprechpartner bei nicht sehr schweren Erkrankungen dient. Auch diese zieht ins neue Gebäude ein.

Ressort: Südwest

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