Lieferengpässe
Vor allem die kleinen Fahrradhändler leiden
Corona und die gefälligen Elektroantriebe haben in Deutschland einen wahren Radelboom ausgelöst. Doch die Pandemie sorgt auch für anhaltende Lieferengpässe und höhere Preise.
dpa
Fr, 22. Apr 2022, 18:45 Uhr
Wirtschaft
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"Die Läden sind nicht leergekauft", sagt Tim Salatzki, Technikexperte beim Zweirad-Industrieverband (ZIV) in Berlin. Die Hersteller arbeiten nach seinen Angaben auf Hochtouren und gehen trotz anhaltender Schwierigkeiten in der Lieferkette davon aus, ihren Rekordumsatz von 2021 übertreffen zu können. Allerdings werde nicht jeder Kunde sein Wunschrad erhalten. Kompromissbereitschaft etwa bei Farbe oder einzelnen Ausstattungskomponenten sei notwendig.
In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 4,7 Millionen Räder verkauft, von denen 2,0 Millionen einen elektrischen Antrieb hatten. Die E-Bikes und Pedelecs legten im Vergleich zum Vorjahr weiter leicht zu. Beim Verkauf der klassischen Fahrräder gab es hingegen ein deutliches Minus (2,7 Millionen im Vergleich zu 3,09 Millionen). Mit dem rasant wachsenden E-Anteil stiegen die Durchschnittspreise (1395 Euro pro Rad) ebenso wie der Gesamtumsatz auf 6,56 Milliarden Euro.
Schon 2021 mussten die Einzelhändler den Mangel verwalten. "Entsprechend der eingeschränkten Warenverfügbarkeit verlagerte sich die Beratung eher in eine "Verteilung der Ware" an die Endkunden", notiert der Handelsverband Zweirad (VDZ). Preissteigerungen sind auf diesem Verkäufermarkt die zwangsläufige Folge. Ukraine-Krise, anhaltende Lieferprobleme bei den meist aus Asien importierten Teilen sowie die stark gestiegenen Rohstoffpreise heizen den Markt auch 2022 an.
Laut VDZ haben einzelne, stark nachgefragte Marken von den Händlern bereits detaillierte Stückorder für das Jahr 2023 verlangt. Die allgemeine Knappheit treffe kleine stationäre Händler, die früher sehr flexibel über den Großhandel agieren konnten, sehr viel stärker als Onlineanbieter und große Filialisten.
Michael Bachmann von Micha’s Rad-Atelier in Koblenz berichtet beispielsweise, dass sein Umsatz beim Verkauf von Neurädern im vergangenen Jahr um rund 40 Prozent gegenüber 2020 eingebrochen sei. "2021 war der erste große Break, und dieses Jahr wird es extrem sein", befürchtet er. Von den 123 Rädern, die er für diese Saison bestellt habe, seien noch 97 Lieferungen offen. Und ständig würden die Termine weiter geschoben.
Größere Hoffnungen setzen auch die kleineren Anbieter auf das Werkstattgeschäft, das laut VDZ nach Lockdowne-Einbußen im Vorjahr deutlich anziehen sollte. Bis Ende Mai muss aktuell warten, wer beim Frankfurter Fahrradladen Montimare einen Wartungstermin haben will.
Laut einer kürzlich veröffentlichten Yougov-Umfrage im Auftrag des Portals Check24 planen 23 Prozent der Befragten noch in diesem Jahr einen Fahrradkauf oder haben ihn bereits getätigt. Das ist bei einem bundesweiten Bestand von rund 81 Millionen Fahrrädern erstaunlich, denn rein rechnerisch besitzt schon jeder Bürger und jede Bürgerin ein Bike.
Von einem nachhaltigen Trend zum Fahrrad geht auch der Professor für nachhaltige Mobilität und Radverkehr an der Frankfurt University of Applied Sciences, Dennis Knese, aus. "Enormes Potenzial gibt es auf Kurzstrecken, unter zwei oder fünf Kilometern, die werden oft noch mit dem Auto gefahren", sagt der Experte. Dringend nötig sei ein starker Ausbau der Infrastruktur, aus Radwegen müssten zusammenhängende Netze werden, um auch auf längeren Strecken Alternativen zum Auto zu ermöglichen. Zudem brauche es sichere Abstellmöglichkeiten.