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Albert-Schweitzer-Gymnasium

Von Schülerstreichen und Schulpolitik

Seit einem halben Jahrhundert hat Gundelfingen ein Gymnasium. Der erste Schulleiter und einer der ersten Abiturienten erinnern sich an die Anfangszeit. Dabei lüften sie ein 50 Jahre gehütetes Geheimnis.  

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Martin Fischer erinnert sich gerne an seine lebhafte Zeit als Schulleiter zurück. Foto: Andrea Steinhart
Ein übler Geruch zog durch das Rektorat, verursacht durch einen riesengroßen Misthaufen vor dem Eingang des Albert-Schweitzer-Gymnasiums. Auf dem Schild, das obenauf thronte, stand in großen Buchstaben: ‚Diesen Mist haben die Schüler produziert.‘ "Jugendliche machten schon immer Unfug – das gehört zur Schule", sagt nun, viele Jahre später, Martin Fischer, der damalige Schulleiter. Als Strafe mussten die Schülerinnen und Schüler den Schulhof fegen. "Ich habe oft Besen verteilt – vor allem, wenn Zigarettenkippen herumlagen." In Erinnerung blieb ihm auch ein anderer Streich: "Einmal haben Lausbuben aus dem Weinlager der Schule zwei Kisten Rotwein stibitzt – der Wein wurde aber dann auf der Abifeier ausgeschenkt." Bis heute, sagt Fischer im Gespräch mit der BZ, wisse er nicht, wer für den Diebstahl damals verantwortlich war. Ein Umstand übrigens, der sich mit der Lektüre dieses Artikels ändern wird. Doch dazu später mehr.

Inzwischen ist Fischer 83 Jahre alt, ein aktiver und lebhafter Rentner, der seine Gäste herzlich empfängt. Der ehemalige Schulleiter lebt immer noch in Gundelfingen und engagiert sich in der CDU-Ortspolitik. Zudem widmet er sich seinem großen Hobby: Züge und Eisenbahnstrecken. Kürzlich sei er in Japan mit dem Rail-Hochgeschwindigkeitszug bis zum äußersten Norden des Inselstaates im Pazifischen Ozean gereist, erzählt Fischer. "Die Züge in Japan sind unglaublich pünktlich." Eine Eigenschaft, die dem ehemaligen Pauker zusagt. Seine Liebe zu Zügen komme aus seiner Kindheit, die er in Haltingen verbracht habe, sagt er. "Dort bin ich noch mit Dampfzügen zur Schule gefahren."

Später widmete er sich zeit seines beruflichen Lebens der Bildung und Erziehung junger Menschen. Als am 1. August 1974 sein Dienst am Albert-Schweitzer-Gymnasium in Gundelfingen begann, war er gerade 30 Jahre alt. "Das Gymnasium in Gundelfingen war damals dringend nötig, weil die Gymnasien in Freiburg völlig überlastet waren. In manchen Schulen wurde bis unters Dach unterrichtet", sagt Fischer, der zuvor am Rotteck-Gymnasium in Freiburg unterrichtet hatte. In den ersten Wochen musste er die Möbel für die Klassen- und Lehrerzimmer aussuchen. "Den letzten Handwerker habe ich einen Tag vor Schulbeginn verabschiedet", erinnert sich der Oberstudiendirektor. Am 26. August wurde die Schule dann offiziell eröffnet, und die ersten Schülerinnen und Schüler trafen auf ein recht ungewöhnliches Gebäude mit zwei Türmen und fünfeckigen Klassenzimmern. Das Architektenbild hängt heute noch im Wohnzimmer von Fischer.

Der erste Jahrgang umfasste 180 Schülerinnen und Schülern. "Dieser Jahrgang war etwas ganz Besonderes – die Mädchen und Jungen waren auch immer die Großen", erinnert sich der Schulleiter. "Wir haben viel Rücksicht auf sie genommen – bei ihrer Abiturprüfung haben wir sogar den Gong abgestellt." Für diese Schüler mussten Fischer und seine Kollegen alles neu beschaffen und manchmal auch improvisieren. Fischer unterrichtete Geschichte, Politik und Französisch. Außerdem engagierte er sich im Landesschulrat und war Vorsitzender der Bundesvereinigung der Oberstudiendirektoren. Wenn im Schulbereich nach Kompromissen gesucht und Mehrheiten gewonnen werden mussten, habe es aus dem Kultusministerium in Stuttgart öfter geheißen: "Der Fischer kann das."

Gegründet wurde die Gundelfinger Schule als Pro-Gymnasium, das nach der zehnten Klasse endete. Die Schüler hätten ihr Abitur auf einer Freiburger Schule machen müssen. Doch 1978 wurde das Statut geändert und das Albert-Schweitzer-Gymnasium ein allgemeinbildendes Gymnasium. Spanisch, als dritte Fremdsprache, konnte Fischer allerdings erst ab 1996 unterrichten lassen. Zudem führte er einen Musikzug ein und förderte Schüleraustausch-Programme nach Australien, Chile, Spanien, Polen und Frankreich. Fischer engagierte sich auch als Bauherr. "Das Schulhaus war energetisch sehr ungünstig", sagt er. Bis zuletzt sei Wind durch die Deckenpaneele gezogen, und die großen Fensterfronten hätten Wärme und Kälte durchgelassen. Daher sei die jetzige Sanierung mehr als nötig. "Als das Gebäude 1972 geplant wurde, kostete das Heizöl noch umgerechnet 4,5 Cent pro Liter – heute kostet es das Zwanzigfache."

Einer, der Fischer damals von der ersten Stunde an erlebt hat, ist Martin Weiner aus Heuweiler. 1974 wechselte er vom Friedrichs-Gymnasium in Freiburg in die siebte Klasse des neuen Kreisgymnasiums in Gundelfingen und gehörte somit dem ersten Jahrgang der neuen Schule an. "Ich blicke fast schon romantisch auf meine alte Schulzeit zurück", sagt Weiner im Gespräch mit der BZ, in dessen Verlauf sich herausstellt, wie gerne er in Erinnerungen schwelgt. Vielleicht weil schon so viele Jahre ins Land gezogen sind, seit der heutige Vorsitzende der Baugenossenschaft Heimbau die Schulbank gedrückt hat. Vielleicht aber auch deshalb, weil er Teil einer besonderen Gemeinschaft war, die sich in den 1970er Jahren am ASG herausbilden sollte.

"Wir waren immer die ältesten Schüler – von der siebten Klasse an", sagt Weiner. Und angesichts der anfangs überschaubaren Schülerzahlen sei auch das Lehrerkollegium zunächst recht klein gewesen. "Viele Lehrer waren selbst noch recht jung und hatten eine emotionale Bindung zu uns Schülern", sagt Weiner, der sich noch gut an die Mischung aus Kaffeeduft und "zartem Rauch" erinnert, die den Jugendlichen beim Öffnen der Lehrerzimmertür entgegenströmte. Im Lehrerzimmer sei abends auch öfter gefeiert worden, sagt Weiner. "Es hatte nicht umsonst den Spitznamen Müller-Thurgau-Gymnasium", sagt er lachend.

Doch nicht nur die Lehrer wussten zu feiern, auch die Schüler haben sich ihre Späße erlaubt – und das gemacht, was Jugendliche in dem Alter eben so machen. Unermüdliche Diskussionen mit Lehrern führen, Hausaufgaben abschreiben oder so lange den Musikunterricht stören, bis sie des Klassenzimmers verwiesen werden, nur um dann auf dem Schulhof ungestört Federball spielen zu können. "Wir waren faule Hunde und haben viel Blödsinn gemacht, aber wenn es drauf ankam, hat alles funktioniert", sagt Weiner, der nach eigener Auskunft eine Zeitlang Schülersprecher war. In dieser Funktion habe er oft gemeinsam mit seinem Freund und Klassenkamerad, dem heutigen Arzt und SPD-Gemeinderat Karl-Christof Paul, bei Fischer vorgesprochen, ihm Listen mit Schülerforderungen überreicht. "Christof hat die Forderungen in seiner ihm typischen Art recht forsch und direkt vorgetragen", erinnert sich Weiner. "Und ich musste dann diplomatisch zwischen beiden vermitteln." Offenbar mit Erfolg. Denn mit ihren Anliegen habe der Schulleiter sie immer ernst genommen. "Obwohl er wusste, dass wir Schlitzohren sind", sagt Weiner.

Nach Geschichtsklausuren hätten er und seine Klassenkameraden den Schulleiter oft zu Hause besucht. "Er wohnte in einer Drei-Zimmer-Wohnung und hat uns immer in sein Wohnzimmer eingeladen." Bei einem Glas Spezi sei dann im Nachgang die Klausur besprochen worden. "Das war alles sehr familiär damals", sagt Weiner, der den Fächern Physik und Musik nichts abgewinnen konnte, dafür aber Deutsch und Geschichte liebte und das Fach im Abitur auch als Leistungskurs wählte. Zudem habe er – als Protestant – seine mündliche Abiturprüfung in katholischer Religion ablegen müssen. Schließlich habe es im katholisch geprägten Gundelfingen weder genügend evangelische Mitschüler noch einen evangelischen Lehrer gegeben.

Bei der Abifeier sei dann auch der Rotwein ausgeschenkt worden, den Weiner und Konsorten zuvor aus dem Lehrerzimmer stibitzt hatten. "Ich dachte eigentlich, dass Fischer uns schon im Verdacht hatte", sagt Weiner heute. Die Aktion damals sei nicht spontan, sondern von langer Hand geplant gewesen. "Ich bin immer über die Bergstraße zur Schule gegangen und habe den Hintereingang genutzt." Auf dem Weg sei er am Lehrerzimmer vorbeigekommen, das im ersten Stock über einen separaten Ausgang aufs Flachdach verfügte. "Dort hatten die Lehrer ihr Rotweinlager", sagt Weiner. "Und so haben wir uns dann eines Nachts verabredet, um mit einer Leiter aufs Dach zu klettern und zwei Kisten Rotwein mitzunehmen." Trotz seines späten Geständnisses hat Weiner wohl nichts zu befürchten. Denn Besen verteilt Fischer schon lange nicht mehr.

Ressort: Gundelfingen

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 19. November 2024: PDF-Version herunterladen

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