Panorama
Virtuelle Influencer erobern das Netz
Sie sprechen über Gefühle, sind politisch und sehen fast aus wie Menschen. Dabei existieren sie nur auf dem Bildschirm. Die Scheinwelt der virtuellen Influencer wirkt auf viele Menschen faszinierend.
Taylan Gökalp (dpa)
Fr, 14. Apr 2023, 18:24 Uhr
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Dass imma nur eine virtuelle Erscheinung ist, lässt sich auf vielen ihrer Bilder kaum erkennen. Wenn man sie aber in ihren Kurzvideos in Bewegung sieht, wird klar, dass sie am Computerbildschirm entstanden ist. Nach Angaben des Unternehmens Aww Inc., das imma entwickelt hat, ist sie Japans erstes virtuelles Model. Auch in anderen Ländern, besonders im asiatischen Raum, sind in den vergangenen Jahren eine Reihe von virtuellen Influencern entstanden. Wie ihre echten Vorbilder zieren sie die Cover von Modezeitschriften, fungieren als Werbeträger und manche spielen sogar Konzerte. Damit die optische Illusion um imma perfekt wird, teilt sie in den sozialen Medien regelmäßig Fotos, die sie mit echten Menschen zeigen. Etwa mit dem spanischen Cartoonisten Joan Cornella bei seiner Ausstellungseröffnung in Tokio oder mit DJ Steve Aoki.
Aber imma zeigt ihren Followern nicht nur ihr Jetset-Leben zwischen Modemetropolen und Weltprominenz, sondern auch ihre Gefühle. "Seit ich geboren wurde, habe ich es immer gehasst, einsam zu sein", kommentiert sie etwa ein Foto von sich mit traurigem Blick, übergroßem Kapuzenpullover und schwarzem Regenschirm in der Hand. Mit dieser Art von emotionaler Ansprache gehen die Macher von imma deutlich über das Virtuelle hinaus. Sie bauen Bindungen zwischen Model und Betrachter auf und stellen ihre Figur als verletzlich dar. Das kommt gut an: imma ist zwar klar als künstliche Figur zu identifizieren, trotzdem folgen ihr mehr als 400.000 Nutzer bei Instagram. Angesprochen auf die offensichtliche Künstlichkeit von immas Gefühlswelt, sagen ihre Schöpfer, dass ja auch echten Influencern vorgeworfen werde, ein unechtes Leben im Internet zu inszenieren. Letztlich finde das Leben der Menschen schon so sehr im digitalen Raum statt, dass die Grenze zur Realität ständig verschwimme, heißt es aus dem Unternehmen weiter.
Das große Problem an dieser Form der emotionalen Ansprache durch künstlich erschaffene Wesen sieht der Medienexperte Oliver Zöllner vom Stuttgarter Institut für Digitale Ethik in der fehlenden Transparenz der zum Einsatz kommenden Programme. Nicht jeder Mensch könne sofort erkennen, dass es sich bei virtuellen Influencern nicht um reale Menschen handelt, sagt er. Und fügt hinzu: "Auch die dahinterstehenden Geschäftsmodelle der Datengewinnung und -ausbeutung sind nicht jeder Person bekannt." Zöllner spricht von einer Form der Ausbeutung, die tief in den menschlichen Wesenskern eingreife.
Gesteuert werden die virtuellen Influencer in der Regel von menschlichen Teams im Hintergrund, wie es auf der Internetseite Virtualhumans.org heißt, die nach eigenen Angaben von Brancheninsidern betrieben wird. Imma etwa wird in einem Studio, unter anderem mit Schauspielern und mittels Bewegungserfassung zum Leben erweckt. Bei manchen Influencern ist aber auch Künstliche Intelligenz im Spiel, so etwa bei Kuki Ai, die sich im Netz mittels eines Chatroboters mit ihren Fans unterhalten kann. In den sozialen Medien hingegen muss Kuki laut Virtualhumans.org immer noch von echten Menschen gesteuert werden.
Aber virtuelle Influencer können nicht nur Gefühle, sondern auch Haltung: Lil Miquela etwa, die als eine der reichweitenstärksten virtuellen Influencer gilt, ist nicht nur erfolgreich als Musikerin und Werbegesicht großer Modefirmen, sondern auch als Aktivistin. In ihrem Instagram-Profil zeigt sie den Hashtag #BlackLivesMatter. Und in einem Post präsentiert sich die ewig 19-Jährige mit kayalgefärbten Tränen, die ihr über das Gesicht laufen. Daneben der Satz: "Für die Normalisierung von hässlichem Weinen in der Öffentlichkeit." Wie authentisch das auf ihre Fans wirkt, ist unklar. Das Time-Magazine jedenfalls wählte die Influencerin mit dem Pony-Schnitt im Jahr 2018 zu den 25 einflussreichsten Menschen im Internet – neben Donald Trump und Rihanna.
Fest steht, dass imma, Lil Miquela und Co. für Unternehmen einen unschlagbaren Vorteil gegenüber ihren Mitbewerbern aus Fleisch und Blut haben: Sie haben keine unberechenbaren menschlichen Launen und sind kostengünstiger. "Aber als Mensch hat man sie auch schnell durchschaut, wenn man sich ein bisschen mit ihnen beschäftigt. Und sie werden wahrscheinlich schnell langweilig", fügt Oliver Zöllner hinzu.
Mit Blick in die Zukunft deutet sich laut Zöllner an, dass die Menschen von Tech-Unternehmen immer weiter in virtuelle Räume eingeladen werden, "in denen wir auf vielfältige Art und Weise miteinander und auch mit virtuellen Figuren interagieren sollen". Es liege an den Menschen selbst, aus solchen technischen Möglichkeiten etwas zu schaffen, das für die Gesellschaft dienlich ist.
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