Auto der Zukunft
Verbrennungsmotor verbieten? Experten sind dagegen
Die Autoindustrie ist unter Druck: Die Grünen wollen Neuzulassungen von Diesel- und Benzinmotoren nach 2030 verbieten. Doch was hieße das? Und was würde das bringen?
Mi, 2. Nov 2016, 14:06 Uhr
Wirtschaft
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Die Autoindustrie ist unter Druck. Auf der Straße hat sich in Sachen Klimaschutz kaum etwas bewegt, obwohl in Deutschland die Kohlendioxid-Emissionen insgesamt seit 1990 um mehr als ein Viertel gesunken sind. Der VW-Dieselskandal hat überdies gezeigt, dass auch der Ausstoß krankmachender Schadstoffe viel höher ist, als die Branche glauben machen will.
auf E-Autos setzen
Einen wesentlichen Grund nennt Willi Diez, Professor an der Hochschule Nürtingen-Geislingen: In Deutschland wächst zwar der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung. Aber auch 2030 wird voraussichtlich nicht viel mehr als die Hälfte des Stroms aus Wind-, Wasserkraft und Solarenergie kommen. Die andere Hälfte ist dann immer noch Kohlestrom. "Ein Elektroauto fährt deswegen nicht weniger klimabelastend als ein Auto mit Verbrennungsmotor."
Thomas Schiller, Automobilexperte der Prüf- und Beratungsgesellschaft Deloitte bezweifelt, dass es gelingt, in dieser Zeit die notwendigen Ladestationen für die Batterien aufzubauen. "Stellen Sie sich vor, es ist Urlaubszeit, die Massen fahren nach Süden und wollen hinter München an der Raststätte Irschenberg tanken. Da brauchen Sie einige hundert Ladestationen und ein Kraftwerk für den Strom. Das ist eine enorme Herausforderung für eine so kurze Zeitspanne." Peter Fuß, der Branchenspezialist von der Beratungsgesellschaft EY, verweist auf die verheerenden Auswirkungen für die Beschäftigung bei Autoherstellern und Zulieferbetrieben.
Motor und Antriebsstrang, vom Kühler bis zum Kolben, vom Getriebe bis zur Dieseleinspritzpumpe und der Abgasreinigungsanlage, seien die kompliziertesten Teile beim Auto. "Ein Elektromotor ist viel einfacher zu fertigen. Es gäbe erhebliche Einbrüche bei der Beschäftigung", so Fuß. Die Autoindustrie und ihre Zulieferer gehören zu den wichtigsten Industriebranchen in Deutschland. Dort sind rund 780 000 Menschen beschäftigt.
"Wir brauchen Zeit, uns anzupassen", sagt deswegen Thomas Koepfer, Chef des Furtwanger Autozulieferers Koepfer Zahnrad- und Getriebetechnik. "Nicht nur unser Geschäft hängt zu 90 Prozent vom bisher gebräuchlichen Antriebsstrang im Auto ab." Fuß weist noch auf einen anderen Aspekt hin: "Würden Verbrennungsmotoren bald verboten, würde nicht mehr in die Weiterentwicklung investiert. Da steckt aber noch viel Entwicklungspotenzial drin. Das kann man nicht ungenutzt lassen." (Siehe Beitrag unten.)
Dass die Branchenkenner ein Verbot des Verbrennungsmotors ablehnen, heißt nicht, dass alles so weiterlaufen soll wie in der Vergangenheit. "Die Weichen sind gestellt", sagt Hochschullehrer Diez. Angesichts der Luftverschmutzung in den chinesischen Städten werde dort der Druck wachsen, schadstofffreie Fahrzeuge auf den Markt zu bringen. "Sobald die chinesischen Hersteller dazu in der Lage sind, wird die Regierung in Peking solche Fahrzeuge vorschreiben", erwartet Thomas Schiller.
Willi Diez warnt allerdings davor, sich einseitig auf das E-Auto zu kaprizieren. "Die EU muss schnell sagen, welche Anforderungen es für die Euro-7-Norm bei Schadstoffen und beim Verbrauch geben wird. Dann können die Ingenieure entwickeln und man wird sehen, wie sie die Probleme lösen", sagt er. Er plädiert für Technologieoffenheit und Planbarkeit. "Dann kommt wahrscheinlich irgendwann ein Punkt, an dem man die Vorschriften nicht mehr mit Diesel und Benziner erfüllen kann. Dann wird sich zeigen, welcher Antrieb sich durchsetzt."
Aus seiner Sicht wird das Ende des Verbrennungsmotors eher 2050 als 2030 kommen. Das hat auch einen finanziellen Grund: "Der Staat nimmt Jahr für Jahr 40 Milliarden Euro Mineralölsteuer ein. Die müssen ja irgendwie ersetzt werden", so Diez.
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