Urwald im Grill
Damit hierzulande Steaks brutzeln können, wird in Paraguay Tropenwald abgeholzt / Bäume werden zu Holzkohle, gerodete Flächen für Rinderzucht und Soja verwendet.
Marie Frech und Juan Garff (dpa)/BZ
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"Der Chaco ist ein Hotspot des Landnutzungswandels", sagt Matthias Baumann. Der Geograf von der Humboldt-Universität Berlin hat im Chaco die Auswirkungen der Abholzung auf das Klima untersucht. Er geht davon aus, dass dort im Schnitt alle zwei bis drei Minuten eine Fläche in der Größe eines Fußballfeldes gerodet wird.
Umweltschützer warnen vor den Folgen der teils illegalen Rodung. Der Chaco steht hier selten im Fokus. Jüngst verschaffte der Region ein Bericht der Nichtregierungsorganisation Earthsight über die paraguayischen Holzkohleindustrie Aufmerksamkeit.
Der Wert der Holzkohleexporte Paraguays ist laut örtlichen Medien von sieben Millionen Dollar 2003 auf 40 Millionen gestiegen. 15 Prozent der Exporte sollen nach Deutschland gehen. 2015 waren das laut Statistischem Bundesamt 34 000 Tonnen im Wert von 14 Millionen Euro. Damit war Paraguay der zweitwichtigste Lieferant für Grill-Holzkohle, hinter Polen.
Holzkohle sei nicht der Hauptgrund für die Rodungen, sondern ein Nebeneffekt, erklärt Forscher Baumann. Mehr als 95 Prozent der betroffenen Flächen würden abgeholzt, um sie für die wachsende Viehzucht zu nutzen. Auch der Sojaanbau – für Tofu oder für Futtermittel – spiele eine wichtige Rolle, heißt es von Greenpeace.
Aus Baumanns Studie geht hervor, dass zwischen 1985 und 2013 eine Fläche des paraguayischen Chacos abgeholzt wurde, die der Größe Niedersachsens entspricht. 250 Gigatonnen klimaschädlicher Treibhausgase seien dadurch freigesetzt worden. Hier legen Forscher eine Formel zugrunde, die die wegfallende Speicherfunktion des Waldes als auch die bei der landwirtschaftlichen Nutzung entstehenden Emissionen berücksichtigt. Laut der Lateinamerikanischen Klimaplattform gehen 95 Prozent der Emissionen Paraguays von Landwirtschaft und Waldrodung aus.
Forscher Baumann plädiert für mehr Zonen, in denen die Abholzung verboten ist. Dass das funktioniere, zeigten Beispiele aus Brasilien. Schutzgebiete andernorts führten aber dazu, dass neue Abholzung in den Chaco verlegt werde. Um das zu verhindern, brauche es Naturschutzprojekte, die international koordiniert werden.
Die Wälder des Chacos sind auch deshalb bei der Industrie beliebt, weil der Boden günstig ist. "In der besten Pampa-Gegend kostet ein Hektar Land bis zu 15 000 Dollar, im Chaco 300 Dollar", so Hernán Giardini von Greenpeace Argentinien. In diesem Nachbarland Paraguays erwiesen sich die Schutzzonen anders als in Brasilien nur bedingt erfolgreich. Die Geldstrafen für illegale Rodung seien so gering, dass die Firmen sie in Kauf nehmen.
In Paraguay, einem der ärmsten Länder Südamerikas, bietet die Holzkohle für die Landbevölkerung eine Erwerbsquelle. Mehr als 200 000 Menschen sind nach Angaben des Branchenverbandes Fepama in der Holzkohleverarbeitung tätig. "Die Kohlegewinnung wird zumeist in Schwarzarbeit mit sehr geringen Gehältern verrichtet", sagt Giardini von Greenpeace. Für die Soja-Landwirtschaft sei weniger Personal nötig, weshalb sie ansässige Arbeiter vertreibe. Es komme zu gewalttätigen Streits zwischen ihnen und Sicherheitsleuten.
Holzkohle aus Tropenhölzern findet sich Naturschützern zufolge auch in deutschen Supermärkten. Nicht immer wird auf der Verpackung deutlich, woher die Kohle stammt. Werden keine Angaben gemacht, könne es sich um Tropenholz handeln, erklärt die Umweltschutzorganisation BUND. Aber es gibt Alternativen, etwa Holzkohle aus Resthölzern oder aus nachhaltig bewirtschafteten deutschen Wäldern. Es gibt auch Briketts aus Kokosnussschalen oder aus verkokten Resten landwirtschaftlicher Abfälle. So entsteht Brennmaterial aus Olivenkernen, Maiskolben oder aus abgeschnittenen Weinreben. Diese Produkte werden oft online vertrieben.
Aldi Nord erklärt, dass für ihre Grillkohle verschiedene Zertifikate vorlägen, die eine saubere Herkunft belegten. Zudem plane das Unternehmen, mit Lieferanten Maßnahmen zu entwickeln, mit denen künftig soziale und ökologische Risiken in der Wertschöpfungskette von Kohleprodukten vermieden werden. Aldi Süd kündigte nach dem Earthsight-Bericht Untersuchungen zur Herkunft seiner Holzkohle an. In den kommenden Jahren will der Lebensmittelhändler nur Kohleprodukte verkaufen, die als nachhaltig zertifiziert wurden. Umweltschützer sagen, dass nicht jedes Siegel vertrauenswürdig sei und Hersteller Grauzonen ausnutzten, um zertifiziert zu werden.
Trotz allem gebe es Möglichkeiten, nachhaltige Forstwirtschaft im Chaco zu betreiben, sagt Giardini von Greenpeace. Dafür seien erst Studien zur Erholung der Waldflächen nötig. Das sei mit Blick auf die für Holzkohle bevorzugten Bäume der Art "quebracho blanco" wichtig. Denn diese brauchten 40 Jahre, um auszuwachsen.