Schwanau / La Paz
Tunnelbaufirma Herrenknecht will beim Ozean-Express mitmischen
In Südamerika soll eine 4000 Kilometer lange Bahnstrecke Atlantik und Pazifik verbinden. Kosten: 13 Milliarden Euro. Deutsche Firmen wollen da mitmischen – auch der Schwanauer Tunnelbauer Herrenknecht.
dpa
Sa, 25. Mär 2017, 0:01 Uhr
Wirtschaft
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Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts war das noch anders. Es war die Blüte des Bahnbaus in Südamerika. So lieferte zum Beispiel die längst geschlossene Maschinenfabrik Esslingen die Lokomotiven für eine Zahnradbahn, die durch mehrere Tunnel vom Pazifik in Chile über 4256 Meter Höhe bis in das bolivianische La Paz fuhr. Heute endet im Bahnhof La Paz nur noch eine Seilbahnlinie.
Geht es nach Boliviens Staatspräsident Evo Morales, soll es nun aber eine große Zug-Renaissance geben, mit einem noch nie da gewesenen Projekt. Eine rund 3750 Kilometer lange Strecke vom brasilianischen Hafen in Santos durch das tropische Tiefland Boliviens, über 4000 Meter die Anden hoch und dann wieder hinunter zum peruanischen Ilo, um Güter schneller Richtung Europa und Asien zu bekommen. Die Kosten werden auf etwa 13 Milliarden Euro geschätzt.
"Wir sind überzeugt, dass der "Bioceanico"-Zug zwischen Brasilien, Bolivien und Peru der Panama-Kanal des 21. Jahrhunderts wird", sagt Morales. Nun hat Brasilien bei einer Konferenz in La Paz seinen Willen zur Mitarbeit beim "Zug zwischen den Ozeanen" kundgetan. Der für das Land wichtige Sojatransport könnte damit beschleunigt werden. Das Binnenland Bolivien will unabhängiger werden von chilenischen Häfen. Denn das Verhältnis zu Chile ist traditionell schlecht. Um das Projekt bewerben sich deutsche und Schweizer Unternehmen.
Bomba ist sich der ganzen technologischen Herausforderung bewusst, an der viele Ingenieure vor mehr als 100 Jahren verzweifelten. "Wir müssen die Anden überwinden, das machen wir nicht im Eselsweg, sondern mit dem Einsatz von Hochtechnologie. Wir müssen Tunnel bauen, deshalb habe ich Herrenknecht mit dabei." Mit dessen Maschinen sei schon der Gotthard-Tunnel gebohrt worden. Die Realisierungschancen, da ist Bomba überzeugt, stünden gut.
Als Verkehrsstaatssekretär wird er die Einweihung der Strecke – so sie je gebaut wird – wohl kaum erleben. Bei Herrenknecht in Schwanau weist man darauf hin, dass es noch keine Machbarkeitsstudien oder Finanzierungsvereinbarungen gebe. "Das Projekt ist sehr interessant", so Herrenknecht auf Anfrage der Badischen Zeitung. Es könne in Reichweite von rund zehn Jahren "ein recht konkretes Großprojekt sein".
Bomba ist überzeugt, dass es für solche Infrastrukturprojekte, "die durchdacht sind und später mal ordentliche Rendite abwerfen", am Weltmarkt gute Finanzierungsmöglichkeiten gebe. Geplant ist eine Trasse für Personen- und Güterverkehr. Agrarprodukte und Rohstoffe könnten mit dem Zug schneller und günstiger in andere Weltregionen transportiert werden, als wenn sie wie bisher mit dem Schiff entweder im Norden durch den Panamakanal oder rund um Kap Hoorn an der Südspitze Südamerikas fahren müssten. Mindestens 8000 Arbeitsplätze könnten entstehen.
Haken 1: Die Finanzierung ist völlig unklar. Bolivien, das jahrelang prächtig am Erdgasexport verdiente, leidet unter den gesunkenen Einnahmen.
Haken 2: Es gibt ein Parallelprojekt, von Brasilien nach Peru, an Bolivien vorbei. Hier ist China im Boot. Die Trasse soll durch das Amazonasgebiet führen – unklar ist, ob Brasilien China einen Korb geben wird.
Haken 3: Es fehlt fast die komplette Infrastruktur. Noch nicht einmal auf einem Drittel der geplanten Strecke gibt es bisher Trassen. Und bei Brasilien weiß man nicht, wie belastbar die Zusage ist.
Antreiber Bomba spricht unverdrossen von einer einmaligen Chance: "Es ist ein Jahrhundertprojekt, so wie seinerzeit der Panama-Kanal."
Schon einmal wollte ein Ingenieur aus Südbaden den Bau einer Eisenbahnlinie in Lateinamerika vorantreiben. Hans Grether aus Lörrach plante in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts den Bau einer Eisenbahnlinie durch die Anden von Bolivien zum Amazonas. Bolivien sollte so über den Strom Zugang zum Welthandel bekommen, um seine Rohstoffe besser vermarkten zu können. Vier Jahre lang vermaß Grether im Auftrag der Regierung die Strecke, am 24. Oktober 1925 präsentierte er dem Nationalkongress in La Paz seinen Abschlussbericht und die Pläne. Stunden später erlag der 45-Jährige einem Herzinfarkt. Er ist in La Paz beigesetzt. Nach ihm ist ein Hafen benannt (Puerto Grether).
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