Körperkunst
Tattoos und Piercings: Ärzte warnen vor langfristigen Risiken
Stars wie Cara Delevingne, Justin Bieber oder Rihanna sind für viele Jugendliche tätowierte und gepiercte Vorbilder. Doch Ärzte warnen nach wie vor vor langfristigen Risiken.
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In Deutschland sind laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rund neun Prozent der Bevölkerung tätowiert, Tendenz steigend. In der Gruppe der 16- bis 29-Jährigen sind es bereits 23 Prozent. Wie beliebt Tattoos sind, erlebt Laurence Imhof täglich: Sie ist Oberärztin an der Dermatologischen Klinik und Leiterin der Lasermedizin am Universitätsspitals Zürich und spürt die steigende Nachfrage nach Tattoos an der steigenden Nachfrage nach Entfernungen genau dieser Körperbilder. "Das ist allerdings zeitlich sehr aufwändig, schmerzhaft und sehr teuer", sagt Imhof. Zudem könne es bereits beim Stechen eines Tattoos zu einigen Komplikationen kommen. "Man sollte nicht vergessen: Jeder Eingriff ist ein Risiko."
Das Risiko beim Tätowieren beginnt mit der Nadel. Hier muss das Studio höchsten Wert auf Hygiene legen, um sicherzustellen, dass sich der Kunde nicht mit Hepatitis oder dem Aids-Virus infiziert. Selbst wenn es nicht zu solch gravierenden Übertragungen kommt: Ein Restrisiko, dass Bakterien in die zwar nur oberflächliche, aber offene Wunde gelangen und sie entzünden, bleibt immer. Tätowierungen können auch Hauterkrankungen hervorrufen. "Vor allem dann, wenn es in der Familie bereits Erkrankungen gibt, kann der mechanische Reiz des Stechens ein Auslöser sein und zum Beispiel einen neuen Herd der Schuppenflechte produzieren", erklärt Imhof.
Häufig kommt es zu allergischen Reaktionen auf die Tätowierfarbe. Wie hoch das Risiko ist, lässt sich vorher nie genau sagen. Der Grund: Viele Hersteller der Farben halten sich nicht an die gesetzlichen Regelungen. Seit 2009 sind Tätowiermittel und Permanent-Make-Up durch die deutsche Tätowiermittelverordnung geregelt. Sie benennt in einer Negativliste Stoffe, welche nicht verwendet werden dürfen. Da die Hersteller jedoch kein Zulassungsverfahren durchlaufen müssen, sind nach wie vor Farben in Umlauf, die potentiell gesundheitsschädlich sind. Das BfR rät daher zur äußerst sorgfältigen Auswahl eines Tätowierstudios – wenn schon gestochen werden soll.
Hohe Hygienestandards, freundliches Personal, das sich Zeit nimmt für Erklärungen und es in Ordnung findet, wenn man nach dem ersten Besuch untätowiert nach Hause geht, um noch einmal in Ruhe drüber nachzudenken – das zeichnet ein professionelles Tätowierstudio aus. Das Arbeiten mit Handschuhen und Einmalnadeln ist selbstverständlich. Der Tätowierer sollte ungefragt und am besten schriftlich über mögliche Risiken und Allergien aufklären und Auskunft über Herkunft und Zusammensetzung seiner Farben geben. Minderjährige werden nur mit schriftlicher Genehmigung beider Eltern tätowiert.
"Wir wissen nicht, was die Farbe im Körper anrichtet", sagt Felix Bross, Oberarzt an der Klinik für Dermatologie und Venerologie des Universitätsklinikums Freiburg. Da es keine großen Studien darüber gibt, können Mediziner bis heute nicht sagen, wie sich ein Tattoo auf die Gesundheit auswirkt. Experten streiten, ob es einen Zusammenhang mit Hautkrebs gibt. Klar ist: Die Farbe, die in der Regel in die Lederhaut – die mittlere der drei Hautschichten – eingebracht wird, bleibt nicht dort. Etwa ein Drittel der gesamten Menge landet über die Lymphbahnen im Körper. "Wir haben von tätowierten Menschen Lymphknoten entfernt, die völlig dunkel vor lauter Farbe waren", sagt Felix Bross. Ein sicheres Zeichen dafür, dass sich die Farbe verteilt. Bedenklich ist das Bross zufolge vor allem deshalb, weil bei chemischen Laboruntersuchungen der Farbzusammensetzung krebserregende Substanzen wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), hochgiftige aromatische Amine sowie potente Allergene wie Nickel und Cadmium gefunden worden sind. Wenn solche giftigen Bestandteile der Farben in der Lymphe unterwegs sind, können sie theoretisch allerlei Krankheiten auslösen, beispielsweise in der Leber oder der Blase. Untersuchungen dazu fehlen.
Ein oft unterschätztes Risiko bei der Entscheidung für oder gegen ein Tattoo ist der eigene Geschmack. Jugendliche können sich nicht vorstellen, dass sie in drei, vier Jahren andere Dinge schön finden als heute. "Wir erleben hier viele Enttäuschte", sagt Felix Bross. "Jeder sollte sich das wirklich zweimal, dreimal, viermal überlegen und sich vor allem klar machen, dass es sich nicht um eine temporäre Sache handelt, die man bei Nichtgefallen problemlos wieder entfernen kann."
In der Tat stellt die Entfernung eines Tattoos Dermatologen vor eine große Herausforderung. Die Theorie ist einfach: Mit einem Laser wird durch die Haut hindurch auf die Farbe geschossen. Diese wird in einzelne Pigmente zertrümmert, die der Körper nach und nach über die Lymphe und die Haut abtransportiert. Das dauert mehrere Wochen. In der Praxis erfordert jede Farbe eine andere Wellenlänge und damit einen anderen Laser. "Häufig wissen wir nicht, wie die einzelnen Farben auf eine Laserbehandlung reagieren. Da es so viele unterschiedliche Farbhersteller gibt, müssen wir immer wieder probieren, vor allem, wenn es sich um Mischfarben handelt", erklärt Bross. Daher wird bei jedem Patienten erst eine kleinere Probebehandlung gemacht. Dadurch, dass der Arzt nie sicher sein kann, was genau in der Farbe enthalten ist, kann auch niemand vorhersagen, wie sie auf die Laserbehandlung reagiert. Mitunter verursacht die Laserbehandlung einen Farbumschlag, das heißt, die Farbe verändert sich – beispielsweise von Blau zu Schwarz oder von Rot zu Braun. Die chemische Zusammensetzung der Farbe kann sich auch so verändern, dass der Tätowierte plötzlich allergisch reagiert.
Hinzu kommt: Die Tattoos, die Profis in den empfohlenen seriösen Tätowierstudios anfertigen, sind sehr tief und dicht gestochen und enthalten oft Farbmischungen – das macht das Entfernen um einiges schwieriger. Eine vollständige Entfernung des Tattoos ist oft nicht möglich, eine verblasste oder vernarbte Stelle auf der Haut bleibt zurück. Dennoch sollte, wer sein Tattoo entfernen lassen möchte, unbedingt die Hilfe von Experten in Anspruch nehmen. Viele nicht-ärztliche Institutionen bieten die Entfernung der von ihnen angebrachten Schmuckstücke an. Dafür spritzen sie zum Beispiel hochkonzentrierte Milchsäure in die bemalte Haut, die die Farbpigmente abtransportieren soll. Laurence Imhof vom Universitätsspital Zürich rät dringend ab von dieser chemischen Methode: "Dabei entstehen oft großflächige Narben, so dass selbst wir nichts mehr retten können." Auch die Dermabrasion, also das Abschleifen der Haut mit speziellen Instrumenten, oder die chirurgische Entfernung des Tattoos sollten nur in Ausnahmefällen angewandt werden. Die mit Abstand sicherste und effektivste Methode ist der Laser.
Ähnlich populär wie die Tätowierung ist das Piercen von Körperteilen: Kleine Stifte aus Metall werden durch Nasenwände, Unterlippen, Zunge, Augenbrauen oder Brustwarzen gestochen. Doch auch hier raten Fachleute zur Vorsicht. Beim Stechen des Lochs, durch das später das Piercing gezogen wird, können Nerven schwer geschädigt werden. Beim Durchstechen der Zunge kann es zu Gefäßverletzungen kommen, Mundboden und Zunge schwellen in den ersten Tagen nach dem Eingriff oft an, die Atmung kann behindert werden. "Besonders vorsichtig sollten auch Menschen sein, die selbst oder deren Familienmitglieder zu einer wulstigen Narbenbildung neigen", sagt Laurence Imhof. Durch den Reiz kann die Haut zu wuchern beginnen und Wülste bilden.
Steckt Kobalt oder Nickel in den Piercings, lösen sie häufig Allergien aus, hier sollte also auf hochwertiges Material geachtet werden. Piercings im Mundbereich können den Zähnen schaden. Wenn sie beim Reden und Kauen gegen die Zähne stoßen, greifen sie den Zahnschmelz an. Kleine Stücke können abbrechen. Besonders bei Lippenpiercings wird das Zahnfleisch geschädigt und geht zurück, die Zahnhälse liegen frei.
Während der Träger eines einfachen, einfarbigen Tattoos noch die Chance hat, das gute Stück einmal völlig loszuwerden, hinterlässt ein Piercing dauerhafte Spuren. Denn wie bei einem Ohrloch verschließt der Körper die inneren Wände entlang des Kanals. Wer sein Piercing mal nicht mehr tragen möchte, muss also mit dem Loch leben. Es zu entfernen, ist häufig nur über eine OP möglich: Das Loch wird herausgestanzt und die frisch entstandenen Wundränder vernäht. Dann bleibt statt dem Loch eine Narbe. "Wie gut das verheilt, hängt von der Struktur ab, in der sich das Piercing befindet. Ein Nasenknorpel reagiert anders als eine Oberlippe", sagt Felix Bross.
Mit dem englischen Begriff Body Modification wird die freiwillige Veränderung des menschlichen Körpers durch Körperschmuck bezeichnet. Die bekannteste Form der Body Modification ist die Tätowierung, bei der Tinte oder andere Farbmittel in die Lederhaut eingebracht werden. Sie sind dauerhaft. Anders verhält es sich bei Mehndi, die Körperbemalung mit Henna. Hier gelangt die Farbe lediglich in die obere Hautschicht, nach zwei bis drei Wochen verblasst das Tattoo. Wichtig: Viele Henna-Anbieter mischen der Farbe das Haarfärbemittel PPD bei. Das ist billig und verkürzt die normalerweise sechs bis acht Stunden dauernde Einwirkzeit des Hennas erheblich. Aber PPD kann schwere allergische Reaktionen auslösen und zu irreparablen Haut- und Leberschäden führen.
Beim Piercing wird stäbchen- oder ringförmiger Schmuck durch ein gestochenes Loch durch die Haut und das darunter liegende Gewebe angebracht. Von Scarification oder Skarifizierung spricht man, wenn der Haut künstliche Narben zur Zierde zugefügt werden. Geschieht das mittels Schnittwunden, nennt man das Cutting, werden
Brandmale erzeugt, handelt es sich um Branding. Eine weitere Möglichkeit sind kleine Metallplatten mit einem Gewinde, die unter die Haut implantiert werden. Das Gewinde bleibt an der Oberfläche sichtbar, hier können verschiedene Schmuckaufsätze angebracht werden. Diese Variation heißt
Transdermals, besonders kleine und daher schneller verheilende Implantate nennt man Microdermals.
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