Bundestagswahlkampf

Talkshow Nachgefragt am Rotteck: Wem die Kandidierenden des Wahlkreises Freiburg ihr Herz schenken

Chantal Kopf ist Fan von Taylor Swift, Klaus Schüle joggt in aller Herrgottsfrüh, Vinzenz Glaser hat eine Spinnenphobie. Die Schüler-Talkshow Nachgefragt offenbart unbekannte Seiten der Bundestagskandidaten.  

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Diskussion auf farblich passenden Stüh...laus Schüle (CDU), Martina Kempf (AfD)  | Foto: Thomas Kunz
Diskussion auf farblich passenden Stühlen (von links): Vinzenz Glaser (Linke), Ludwig Striet (SPD), Chantal Kopf (Grüne), Ruben Schäfer (FDP), Klaus Schüle (CDU), Martina Kempf (AfD) Foto: Thomas Kunz

Rappelvoll ist das Foyer des Rotteck-Gymnasiums am Sonntagabend. Das Publikum – darunter beileibe nicht nur Jugendliche – drängt sich sogar auf Empore und Treppen. Die Wände sind mit Herzchen dekoriert, die Talkshow lehnt sich an die Sendung "Herzblatt" an, die um die Jahrtausendwende im Fernsehen lief. Das Rotteck-Team will diesen "hasserfüllten Zeiten" etwas entgegensetzen. Wie wohltuend ist eine Diskussion, die ohne das Thema Migration auskommt.

Charmant und frech: das Moderationsduo Leonora Sans und Tim Bauß  | Foto: Thomas Kunz
Charmant und frech: das Moderationsduo Leonora Sans und Tim Bauß Foto: Thomas Kunz

Stattdessen konfrontiert das Moderationsduo Leonora Sans und Tim Bauß ebenso charmant wie frech die Gäste mit Fragen zu Klimaschutz, Drogenpolitik, Wirtschaft und dem Verhältnis zu den USA. Sachorientiert und respektvoll diskutieren die Kandidierenden auf ihren farblich passenden Stühlen. Aus dem Rahmen fällt AfD-Frau Martina Kempf, die wenig Beifall bekommt, auf Fragen keine eigene Position formulieren kann, sondern bestenfalls das Parteiprogramm zitiert, das Zustände beklagt, aber kaum Lösungen anbietet. Damit konfrontiert, dass die AfD nichts für die Ärmeren tue, aber die Steuer für die Reichen reduzieren will, antwortet sie mit der Senkung der Mehrwertsteuer für Restaurants. Damit würden Döner billiger, wovon doch gerade die Ärmsten etwas hätten.

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Dass Klimaschutz existenziell ist, ist unter den anderen fünf Kandidaten unumstritten. Den kontinuierlichen Anstieg des CO2-Preises, um die Emissionen zu senken, ist Konsens, doch Unterschiede gibt es in der Umsetzung. Die zusätzlichen Einnahmen solle der Staat in Form des versprochenen Klimagelds zurück an die Bürger geben, sagt Klaus Schüle (CDU). Das sei bislang nicht passiert. "Das ist aber wichtig für die Akzeptanz." Vinzenz Glaser (Die Linke) geht noch einen Schritt weiter und fordert eine "sozial-ökologische Transformation". Während manche "krass erben, leben andere zu dritt in einer Ein-Zimmer-Wohnung". Auch Chantal Kopf fehlt bislang "der Faktor Bezahlbarkeit". Es brauche finanzielle Förderung, zum Beispiel für E-Autos. Ruben Schäfer (FDP) hält es für besser, das Ziel eines klimaneutralen Deutschlands bis zum Jahr 2045 an das EU-Ziel fünf Jahre später anzugleichen. "Lieber die Grenze realistisch fassen, als eine, die nicht zu erreichen ist." Sonst glaubten einem die Leute nicht mehr, was bereits daran zu sehen sei, dass sie keine E-Autos mehr kaufen, aber Gasheizungen. Ludwig Striet (SPD) plädiert dennoch dafür, "Vorreiter zu bleiben", was allein schon deshalb sinnvoll sei, "weil es sich um einen Zukunftsmarkt handeln wird".

Die besten Sprüche
  • Ruben Schäfer (FDP): "Der Markt sind wir. Niemand wird gezwungen, einen SUV zu kaufen."
  • Ludwig Striet (SPD): "Ich bin mir nicht sicher, ob ich dem Instagram-Account von Olaf Scholz folge."
  • Martina Kempf (AfD): "Den USA geht es darum, die Kräfte zu stärken, die sie für vernünftig halten."
  • Vinzenz Glaser (Linke): "Das Wort Krise suggeriert, dass es allen Menschen schlechter geht. Das ist nicht der Fall. Großkonzerne schütten ihren Aktionären immer noch Dividenden in Milliardenhöhe aus."
  • Klaus Schüle (CDU): "Ich rege mich immer schnell auf, aber mit dem Alter wird es besser."
  • Chantal Kopf (Grüne): "Wenn wir ernstgenommen werden wollen, müssen wir eine echte europäische Außenpolitik hinbekommen."

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Diszipliniert und konzentriert diskutieren die Kandidierenden, auch dank der beherzten Moderation. "Kommen Sie mal zum Punkt", grätscht Tim Bauß der grünen Bundestagsabgeordneten in ihr Referat über den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Talkreihe hat auch deshalb ihren Reiz, weil sie Inhalte mit originellen Spielideen verbindet. Jeder bekommt ein Lebkuchenherz, das er oder sie einem Mitbewerber schenken soll. Kopf und Schäfer beschenken sich gegenseitig, weil sie sich offenbar bei einer gemeinsamen Autofahrt wegen des Streiktags persönlich schätzen gelernt haben. Glaser bedenkt Striet, den er für einen Vertreter des "links-progressiven SPD-Flügels" hält. Striet reicht sein Herz an Glaser, weil Chantal Kopf schon so viele hat. Leer geht Schüle aus, der aber den größten Lacher des Abends verzeichnet: "Mein Herz bekommt Chantal Kopf, allein um Markus Söder zu ärgern." Tosender Applaus. Auch Martina Kempf bleibt herzlos.

Rückblick: Markt oder Staat? Freiburgs Bundestagskandidaten stellen sich Fragen zur Wirtschaftspolitik

Und dann treten die Gäste eine Reise nach Berlin an, nicht nach Jerusalem. Das T-Shirt mit dem Aufdruck "I love Berlin" geht am Ende an Ruben Schäfer, der keine ernsthaften Chancen auf den Einzug in den Bundestag hat. An der traditionellen "Nachgefragt"-Bar müssen die Kandidaten einen Gegenstand im Grabbelsack ertasten und dann ein paar persönliche Dinge verraten: Juristin Martina Kempf putzt gern, Sozialarbeiter Vinzenz Glaser hat eine Spinnenphobie und wegen seines Kleinkindes wenig Nachtschlaf, Unternehmensberater Ruben Schäfer ist frisch verheiratet und hat für seinen Podcast einen haftentlassenen Nawalny-Unterstützer interviewt, Klaus Schüle joggt dreimal die Woche ab 6.15 Uhr an der Dreisam entlang, für Informatiker Ludwig Striet ist ein Kneipenbesuch ein besonderer Luxus, Abgeordnete Chantal Kopf ist Fan von Taylor Swift.

Nach zwei Stunden hat das Publikum die Chance, per Handy eine Wahl zu treffen: Kopf liegt mit 39 Prozent knapp vor Glaser mit 37 Prozent, gefolgt von Schäfer (10), Striet (9), Schüle (4) und Kempf (1).

Schlagworte: Chantal Kopf, Klaus Schüle, Martina Kempf
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Franz Buhl

7044 seit 25. Jun 2010

Wurde gefragt, was die Kandidaten mit abweichedner Meinung zu ihrer Partei bei Fraktionszwang machen?

Peter Hartenbach

70 seit 29. Jun 2015

Krass 85 % für Rot-Rot Grün
Das geht fast auch nur in Freiburg

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