Süßes für Storchenkinder

Weil die Störche sie einst von einer Mäuseplage erlösten, feiern die Haslacher am 22. Februar den Storchentag.  

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Heraus! Heraus!", brüllt die gewaltige Kinderschar vor den Fenstern. Und prompt kommen Orangen, allerlei Süßigkeiten, Popcorn, Wecken und Brezeln angeflogen. Die Kinder, alle mit Beuteln und Taschen ausgestattet, sammeln alles ein. Wenn nichts mehr geflogen kommt, wandern sie weiter zum nächsten Fenster. Mitten unter ihnen steht ein Mann im langen schwarzen Mantel und sorgt für Ordnung. Dafür hat er ein fünf Meter langes Meerrohr in der Hand, mit dem er die Kinder auf Distanz hält und auch die Erwachsenen ermahnt. Ab und zu reckt der "Storchenvater" aber auch seinen Stecken hinauf zum Balkon über ihm und bekommt Brezeln darauf gesteckt, die langsam nach unten rutschen. Unten lässt der Storchenvater sie vom Meerrohr gleiten und gibt sie an die Kleinen weiter, die sonst vielleicht zu kurz kämen. Auf dem Kopf trägt der Storchenvater einen Zylinderhut mit zwei aufgemalten Störchen, auf den Rücken geschnallt zwei Brotlaibe. Unter seiner Leitung hat sich der Zug wie jedes Jahr am 22. Februar um zwölf Uhr mittags bei der Haslacher Mühlenkapelle formiert und in der Kapelle ein Vaterunser, einen "Engel des Herrn" und noch einmal ein Vaterunser gebetet. Alle schulpflichtigen Kinder Haslachs dürfen am Storchentag mit dem Storchenvater durch das Städtchen ziehen und einsammeln, was ihnen von Fenstern und Balkonen entgegenfliegt. Bei gutem Wetter können schon einmal mehr als 200 Kinder zusammenkommen und mehr als drei Stunden dauert es, bis alles eingesammelt ist. Warum aber machen die Haslacher Kinder das? Vor langer Zeit, man weiß nicht mehr so genau wann, fiel im Kinzigtal zur Erntezeit allerhand Ungeziefer über die reifen Früchte auf dem Feld her. Es wurde mit der Zeit so schlimm, dass Mäuse und Schnecken die ganze Ernte, die für den Wintervorrat gedacht war, aufzufressen drohten. In ihrer Not beteten die Haslacher Bürger zu Gott und legten ein Gelübde ab, dass sie in Zukunft die Kinder und armen Bürger der Stadt beschenken würden, wenn nur die Mäuse und Schnecken verschwinden und ihre Wintervorräte verschonen würden. Kaum hatten die Haslacher das hoch und heilig versprochen und eine Prozession ins Feld abgehalten, da schwärmten Scharen von Störchen herbei und machten dem ganzen Ungeziefer den Garaus. Zwar kommen die Störche schon lange nicht mehr ins Kinzigtal, aber immer noch freuen sich jedes Jahr alle Kinder Haslachs auf den Storchentag. Aber eins wissen die Kinder: Wenn der Storchentag vorbei ist, dann dauert es nicht mehr lange, bis der Frühling ins Kinzigtal gezogen kommt. Und wer weiß, vielleicht bringt der Frühling auch wieder einmal einen Storch mit?

Wendelinus Wurth

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