Handys und Computerspiele
Suchtforscher warnen vor Social Media Disorder bei Jugendlichen
Doch für Kinder und Jugendliche, die von sozialen Medien oder Computerspielen abhängig sind, gibt es zu wenig Behandlungsplätze – dabei sehen Eperten ein ernstes Problem.
dpa
Di, 18. Sep 2018, 12:44 Uhr
Computer & Medien
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Bis in die Nacht sitzen Jungs am Computer und kämpfen sich Strike um Strike durch die virtuelle Kampfzone. Mädchen zählen die Likes unter ihren Fotos. Ist das nicht mehr zu kontrollieren, sehen Experten ein ernstes Problem. Die Teilnehmer eines Kongresses von 600 Suchtforschern am Montag in Hamburg forderten mehr Plätze zur stationären Behandlung.
Diese Form der Internetabhängigkeit betreffe Mädchen stärker als Jungen. "Mädchen neigen eher dazu, exzessiv Social Media zu nutzen", sagt Thomasius. Jungen gerieten dafür schneller in Abhängigkeit von Computerspielen wie "Call of Duty" oder "Counter Strike". Eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Krankenkasse DAK in Kooperation mit Thomasius im vergangenen Jahr ergab, dass 2,6 Prozent der 12- bis 17-Jährigen in Deutschland als abhängig von sozialen Medien einzustufen sind. Betroffen sind demnach rund 100 000 Jungen und Mädchen.
Der Kontrollverlust sei immer das zentrale Kriterium, erklärt Thomasius. Das gesamte Denken und Verhalten verenge sich auf das Computerspielen oder die sozialen Medien. Betroffene Jugendliche geben demnach andere Freizeitaktivitäten auf, schwänzen häufig die Schule. Sie belügen ihre Eltern über die tatsächliche Zeit, die sie im Internet verbringen. Nimmt man ihnen das Handy oder den Computer weg, haben sie Entzugserscheinungen, werden gereizt oder gar depressiv.
Im Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf machen die Mitarbeiter aber genau das mit ihren Patienten: "Wir nehmen ihnen das Wichtigste weg", sagt Thomasius, der das Zentrum leitet.
Wer stationär für drei Monate oder auch nur teilstationär für zwei Wochen aufgenommen wird, muss sein Smartphone abgeben. Er erhält dafür ein nicht internetfähiges Handy. Vormittags bemüht sich ein Team aus Sonderpädagogen, die Jugendlichen wieder an den Schulalltag heranzuführen. Nachmittags folgen Therapieprogramme, Sport und Musik.
Anders als bei Alkohol- oder Drogensucht könne das Ziel einer Therapie nicht die Abstinenz sein, sagt Thomasius. Es gebe praktisch keinen Beruf ohne PC mehr. Die Jugendlichen müssten den verantwortlichen Umgang mit dem Internet lernen. Die Heilungsquote sei mit 70 bis 80 Prozent sehr hoch. Bei Alkohol- und Drogensucht betrage die Erfolgsquote nur 30 bis 40 Prozent. Internetsüchtige Jugendliche seien leichter therapierbar, weil sie meist keine dissozialen Begleitstörungen hätten und nicht unter den Auswirkungen einer toxischen Substanz litten.
Derzeit gibt es in Deutschland nur 200 Plätze in der stationären Suchtbehandlung. Doch allein in sein Zentrum kommen laut Thomasius jährlich rund 400 Kinder und Jugendliche mit internetbezogenen Störungen. Als Präsident des Hamburger Kongresses fordert Thomasius, die Behandlungsmöglichkeiten für Jugendliche, die süchtig nach Computerspielen und Social Media sind, auszubauen.
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