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Sektdusche, Freudentränen und Mallorca-Mucke

Nach der Rückkehr aus Paderborn feiert der SC Freiburg mit 3000 Fans am Stadion den Aufstieg, danach wird die Nacht zum Tag gemacht /.  

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Gesichter der Begeisterung: Rund 3000 SC-Anhänger feierten mit der Mannschaft nach deren Rückkehr aus Paderborn. Foto: Fionn Große / Fionn-Gorilla.de
Dicht gedrängt stehen rund 3000 Fans auf dem Parkplatz des Schwarzwaldstadions und warten hinter Absperrgittern auf die Ankunft der Mannschaft. Vor dem Kabineneingang haben sich Freunde und Familien postiert. Und Spieler, die nicht im Kader und damit auch nicht in Paderborn waren. SC-Kapitän Julian Schuster hat den Aufstieg zu Hause auf dem Sofa erlebt: "Das ist natürlich was anderes, als auf dem Platz dabei zu sein, aber ich kann jetzt noch genügend feiern." Schuster wird später von den Fans genauso euphorisch bejubelt wie seine Kollegen, die in Paderborn die Rückkehr in die Bundesliga perfekt gemacht haben.

Ganz vorn am Absperrgitter steht Andreas Hoffmann mit seiner Frau Grit und seiner Tochter Nancy. Seit 22 Uhr warten die drei Fans aus Horben geduldig auf ihre Aufstiegshelden. Zu Hause haben sie ein ganzes Zimmer voller SC-Devotionalien, erzählt Hoffmann und zeigt ein Foto. Er hatte vor der Saison nicht damit gerechnet, dass der Sportclub nach nur einem Jahr wieder in die Bundesliga zurückkehrt – "vielleicht nach zwei Jahren". Viele erinnern sich an diesem Abend an die Rückkehr der Mannschaft vor einem Jahr nach der Niederlage in Hannover. Auch da standen einige treue Anhänger Spalier, klatschten und sprachen Spielern und Verantwortlichen Mut zu. Keine Selbstverständlichkeit, wie SC-Präsident Fritz Keller betont: "Es ist einfach ein geiler Klub mit grandiosen Fans, die haben uns getragen."

Auch auswärts. Rund 1500 waren in Paderborn mit dabei. Etwa doppelt so viele jubeln in Freiburg, als der Bus um kurz vor eins endlich aufs Stadiongelände rollt. Eigentlich hätte er schon viel früher da sein sollen, aber die feiernden Spieler wollten in Paderborn die Kabine gar nicht verlassen. "You’ll never walk alone" soll dort gesungen worden sein, was bei einigen im Funktionsteam für Gänsehautstimmung gesorgt hat. Und dann standen auch schon am Lahrer Flugplatz Fans, die mit den Aufsteigern feiern wollten und ihre Rückkehr nach Freiburg weiter verzögerten.

Als Erster steigt Trainer Christian Streich aus dem Bus, lässt sich umarmen und beglückwünschen. Die Spieler haben die Aufstiegsshirts an. "Eins hoch. Auf uns!", ist darauf zu lesen. "Ich hab ein Bier in der Hand und da werden noch einige folgen", kündigt Florian Niederlechner gegenüber einer Fernsehreporterin an. Mike Frantz will einfach nur alles genießen und aufsaugen, es gebe schließlich genügend Spieler, die so etwas nie erleben.

Von einem Sicherheitsbeauftragten werden Mannschaft und Trainerteam auf eine Plattform oberhalb der Fans geleitet, wo sie sich von ihnen feiern und besingen lassen. Die Spieler verteilen untereinander Sektduschen, vor denen natürlich auch Christian Streich nicht verschont bleibt. "Wir wollen den Trainer sehen", skandieren die Fans, doch der Geforderte lässt seinen Jungs den Vortritt. Erst ganz zum Schluss, als sich die Mannschaft nach einer guten halben Stunde wieder zurückzieht, kommt Streich allein vor ans Gitter. Bescheiden wirkt sein Auftritt. Auch das ist der SC.
Davor hat Nils Petersen noch die Humba angestimmt, mit einem "A wie Aufsteiger". Für den Stürmer ist es der erste Aufstieg, den er sichtlich genießt. Trotzdem hat er noch Ziele in dieser Saison, er will Meister und möglichst auch Torschützenkönig werden. Schließlich hat er mit seinem Treffer in Paderborn wieder die Führung in der Liste der treffsichersten Stürmer übernommen – vor dem Bochumer Simon Terodde.

"Wir wollen die Radkappe wieder nach Freiburg holen und dann möglichst für lange Zeit nicht mehr", sagt Fritz Keller, der gar nicht aufhören kann zu strahlen. Sportdirektor Klemens Hartenbach verdrückt nebendran Freudentränen: "Wer hätte das vor einem Jahr gedacht?" Alle Verantwortlichen nehmen sich immer wieder in die Arme, können ihr Glück noch gar nicht so richtig fassen, auch wenn es letztlich nicht unverhofft kam. Dass nachts so viele Fans zum Stadion gekommen sind, hat Streich aber fast erwartet: "Wenn ich ehrlich sein soll, bin ich gar nicht so überrascht. Ich habe ja gesehen, was hier bei den Spielen los war – auch das ist ein Stück weit einzigartig."

Alle betonen den Anteil, den die SC-Anhänger am Aufstieg haben. "Der Nährboden war ihre Begleitung nach dem Abstieg", betont Sportvorstand Jochen Saier, der glücklich und stolz ist darüber, "was Mannschaft und Trainerstab geleistet haben". Dass der Sportclub in Paderborn die glücklichere Mannschaft war und die Gegner drei Mal die Latte trafen, empfindet Streich als ausgleichende Gerechtigkeit. "Was wir letztes Jahr an Pech hatten, hatten wir jetzt an Glück, aber wir haben auch ein paar Sachen richtig gut gemacht."

Finanzvorstand Oliver Leki erzählt, dass er nie das Gefühl hatte, der SC könne das Spiel verlieren. Leki hat das Spiel zu Hause mit Freunden angeguckt, ist danach essen gegangen und freut sich beim Empfang der Mannschaft darüber, dass er zwei Spieltage vor Schluss Planungssicherheit hat. "Wir können jetzt fokussiert an die Verträge mit Sponsoren gehen."

Die Spieler machen sich unterdessen schon auf den Weg in die Innenstadt. Im Barbereich des Karma wird zunächst intern gefeiert, dann geht es runter in den Club. "Uns reicht ein normaler DJ, der Mallorca-Mucke für Mike macht", hatte Nils Petersen nach dem Spiel in Paderborn angekündigt. Früh am Morgen bestückt dann kurzfristig auch mal Linksverteidiger Christian Günter die Plattenteller. Die Spieler tanzen. Streich bleibt auch in der Disco lieber der Beobachter im Hintergrund, vielleicht auch, weil die Musik nicht so ganz nach seinem Geschmack ist. Stadionatmosphäre kommt auf, als der DJ den SC-Song spielt und als die Spieler den auf der Treppe stehenden Karim Guédé mit Sprechchören feiern. Kurz darauf geht das Licht an und auch draußen ist es inzwischen hell. Die Spieler haben aber genügend Zeit auszuschlafen. Das eigentlich für 10 Uhr angesetzte Training ist abgesagt. Erst am Montag geht es für die Aufsteiger zurück auf den Platz.

Der SC Freiburg ist sexy – auf seine Art

"Die Leute sagen, mit diesem Verein können sie was anfangen – auch der in Flensburg, der sagt, wir verstehen sie zwar da unten nicht richtig, und mit den Bergen, da siehste nichts, da möchte ich nicht wohnen, ich mag’s lieber flach haben." So hat Christian Streich einst beschrieben – auf seine ganz eigene Weise natürlich – , wie der SC Freiburg bundesweit wahrgenommen wird. Reiste man als Journalist in dieser Saison durch Fußball-Deutschland, so wurde einem allerorten bestätigt, dass der Freiburger Trainer mit seiner These nahe dran war an der Realität. "Schade, dass ihr runter müsst", hieß es anfangs. Es folgten Zuspruch ("Ihr kommt wieder") und irgendwann Gewissheit ("Schön, dass Ihr wieder oben seid"). Der Sportclub wird nicht geliebt oder gehasst wie die Bayern oder die Schalker. Er wird gemocht – und geachtet. Wie kein zweiter Fußballverein in Deutschland hat er sein Außenseiterdasein dauerhaft mit Leben gefüllt. Der SC Freiburg ist eine Marke im deutschen Fußball, weil er konsequent und erfolgreich auf Aus- und Fortbildung setzt. Die Breisgauer überzeugen nicht mit unangemessenen Gehaltsversprechen, sondern mit dem Nachweis, zu den besten Talentförderern im Land zu gehören. Und sie spielen einen Fußball, der attraktiv ist und den Menschen gefällt. Selbst dann, wenn sich die sportliche Situation schwierig darstellt, was in Erstligazeiten eher Regel denn Ausnahme ist. Hinzu kommt, dass sie einen Trainer haben, der fasziniert, besonders jene, die ihn nicht so gut kennen und auch nicht so gut verstehen. Dass sich im phrasendurchdrungenen Geschäft Profifußball einer hinstellt, sich so gibt, wie er ist und sagt, was er denkt – noch dazu mit diesem merkwürdigen Dialekt – das kommt an. "Ganz unsexy sind wir nicht." Auch das hat Christian Streich irgendwann mal gesagt. Sich selbst hat er ausdrücklich nicht gemeint. Recht hat er trotzdem.

Ressort: SC Freiburg

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