Schwerer Stoff, der zum Nachdenken anregt
In "Annes Kampf" haben im Lahrer Parktheater zwei Schauspieler auf der Bühne vorgelesen. Die eine aus dem "Tagebuch der Anne Frank", der andere aus Hitlers "Mein Kampf". Kann das als Theaterstück funktionieren?.
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Der Kontrast zwischen Liedern wie den "Moorsoldaten" und "Davon geht die Welt nicht unter" spiegelt den Gegensatz der Texte. Während Hitler über die "körperliche Unsauberkeit und moralischen Schmutz" der Juden schwadroniert, schildert Anne die ausgetüftelte Baderoutine der anfangs sieben, später acht Bewohner ihres Verstecks in einem Amsterdamer Hinterhaus. Während Anne Französisch und Rechnen im Selbststudium betreibt, fordert Hitler, das Hauptgewicht bei der Erziehung von Mädchen auf ihre Rolle als Mutter auszurichten. Der Ton der beiden Bücher könnte nicht unterschiedlicher sein. Hier die 14-jährige Anne, die ihre innersten Gefühle und Gedanken einem Tagebuch anvertraut. Dort der an der eigenen Legendenbildung arbeitende Hitler. Hier die leise Stimme eines Mädchens, das von einer Zukunft als Autorin träumt, dort der polternde Nominalstil des Diktators. Anne plagt sich mit Schuldgefühlen, weil es ihr besser geht als den Juden in den Konzentrationslagern, Hitler bezeichnet die Juden als "gegenseitig sich bekämpfende Rotte von Ratten", die nur als "Parasit und Schmarotzer anderer Völker leben".
Unterschiedlich auch die Bekanntheit der Texte. Anne Franks Tagebuch ist seit Jahrzehnten Schullektüre, von Hitlers "Mein Kampf" kennen alle den Titel, gelesen haben dürften es nur wenige. Es war zwar nie verboten, aber nachgedruckt werden durfte es aus rechtlichen Gründen erst wieder 2016. Die vom Institut für Zeitgeschichte herausgegebene kommentierte Ausgabe landete schnell auf Platz zwei der Spiegel-Bestsellerlisten im Bereich Sachbuch. Diese Tatsache war der Impuls für Autor Guido Rohm, daraus ein Bühnenstück zu machen.
Die Übertragung auf heutige Verhältnisse wird weitgehend dem Publikum überlassen. In der vom Künstleragenten Sammy Eggers angebotenen Einführung zum Theaterstück im Foyer des Parktheaters prallten die Einschätzungen allerdings schon hart aufeinander. Eggers hatte eine Parallele zur erstarkenden AfD gezogen, der anwesende AfD-Gemeinde- und Kreisrat Benjamin Rösch wehrte sich gegen eine Gleichsetzung seiner Partei mit nationalsozialistischem Gedankengut. Eggers verwies unter anderem auf menschenverachtende Äußerungen eines ehemaligen Mitarbeiters der baden-württembergischen AfD-Landtagsfraktion aus dem Jahr 2015. Von den rund 50 Teilnehmern der Einführung erhielt Rösch keine Unterstützung.
Am Ende des Theaterstücks wurde lange applaudiert. Begeisterung kann ein solch schwerer Stoff kaum auslösen, Betroffenheit und Nachdenken schon. Und die Erkenntnis, dass die Lektüre von Anne Franks Tagebuch doch viel mehr lohnt als Hitlers "Mein Kampf". Das dünne Buch des Mädchens, das nur 15 Jahre alt wurde, erwies sich als wirkmächtiger als der destruktive Weltentwurf des "Gröfaz". Bislang jedenfalls.
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