Eskalation
Wie wirkt sich der Krieg im Nahen Osten auf die deutsche Politik aus? Ein Überblick
Nach dem Angriff der Hamas auf Israel bekundet Deutschland seine Solidarität mit dem jüdischen Staat. Welche Konsequenzen hat die Attacke für die deutsche Sicherheitspolitik? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Tobias Heimbach, dpa & KNA
Do, 12. Okt 2023, 12:03 Uhr
Deutschland
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Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte Israel "jegliche Unterstützung in allen Bereichen" zu. Man wolle etwa mithelfen, über eine mögliche Freilassung von Geiseln zu verhandeln, so Baerbock. Auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) verkündete, man stehe "unverbrüchlich an der Seite Israels". Die Fraktionen von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU wollen am Donnerstag einen gemeinsamen Antrag in den Bundestag einbringen.
Elf Punkte sind aufgeführt, darin heißt es, Deutschland wolle die legitimen Interessen Israels in internationalen Organisationen gegen Angriffe verteidigen. Israel wünsche sich dies derzeit besonders. In dem Entschließungsantrag heißt es auch, man wolle auf Verbote von Unterstützungsorganisationen für Hamas und Hisbollah hierzulande hinwirken.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte, er befinde sich mit seinem israelischen Amtskollegen Yoav Gallant im Austausch. Bislang habe die israelische Seite aber keine militärische oder technische Unterstützung angefragt. Pistorius ergänzte: "Soweit wir humanitär helfen können, steht das Angebot im Raum – wurde aber noch nicht abgefragt."
Am Mittwochabend meldete dagegen der Spiegel, dass Deutschland Israels Offensive gegen die Hamas auch militärisch unterstützen werde. Demnach stellt die Luftwaffe die beiden Kampfdrohnen vom israelischen Typ Heron zur Verfügung, auf denen derzeit deutsche Piloten ausgebildet werden. Danach hätten die Israelis schon am Wochenende gefragt; Pistorius habe nun grünes Licht gegeben.
Die Regierung der Ukraine fürchtet angesichts der Lage in Israel, dass die westliche Unterstützung im Verteidigungskampf gegen Russland nachlassen könnte. Dem trat Pistorius entgegen. "Wir werden alles dafür tun mit unseren Partnern, dass die Unterstützung nicht bröckelt", sagte er. Mit Blick auf ein Rüstungspaket zur Luftverteidigung von Deutschland an die Ukraine sagte er: "Ich bin nach wie vor zuversichtlich, dass es große Pakete geben wird."
Indes versicherten die USA nach Angaben von Verteidigungsminister Lloyd Austin, bei der Unterstützung der Ukraine trotz angekündigter Hilfen für Israel nicht nachzulassen. Die Vereinigten Staaten seien weiter in der Lage, "an mehreren Schauplätzen" Ressourcen zur Bewältigung von Krisen bereitzustellen, sagte Verteidigungsminister Austin am Mittwoch. "Wir werden also fest an der Seite Israels stehen, während wir die Ukraine weiterhin unterstützen."
Mit dem Krieg in der Ukraine, aber auch dem Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien und den Spannungen im Kosovo ist die Attacke der Hamas ein weiterer Krisenherd in Europas (erweiterter) Nachbarschaft. Der Fraktionsvize der Union im Bundestag, Johann Wadephul (CDU), forderte Konsequenzen. "Das ist ein neuer, vielleicht letzter Weckruf für Deutschland. Die von Verteidigungsminister Pistorius geforderten zehn Milliarden Euro zusätzlich im Bundeswehretat müssen jetzt ebenso kommen wie ein Nationaler Sicherheitsrat", sagte er der BZ. "Die Scholz-Regierung muss endlich aufwachen und mit der Zeitenwende ernst machen." Die Landes- und Bündnisverteidigung im Rahmen der Nato müsse oberste Priorität haben. Im Lichte des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gehe es darum, die europäische Sicherheitsordnung wiederherzustellen und zu verteidigen. "Das ist auch unsere Lebensversicherung. Das tut die Bundesregierung nicht und das ist ein fundamentaler Fehler", sagte Wadephul.
Agnieszka Brugger, Fraktionsvize der Grünen, sagte Israel ebenfalls "jedwede Unterstützung" zu. "Das beinhaltet potenziell auch militärische Beiträge." Brugger mahnte, auch den Iran als Unterstützer der Hamas in den Blick zu nehmen. "Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass die iranische Revolutionsgarde auf europäischer Ebene endlich als Terrororganisation gelistet wird", sagte sie.
Nach dem blutigen Angriff der islamistischen Hamas auf Israel haben nach Angaben von Außenministerin Annalena Baerbock bereits Tausende Deutsche das Land verlassen. Darunter seien auch 17 Schulklassen, sagte die Grünen-Politikerin im Bundestag. Die Schulklassen seien auf unterschiedlichen Wegen zuerst aus Israel gebracht worden, da es keine Direktverbindungen gegeben habe. Manche seien mit Bussen nach Jordanien gebracht und von dort aus nach Deutschland geflogen worden. Andere Schulkinder seien über Island ausgereist.
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Man habe auch den anderen deutschen Staatsbürgern immer wieder deutlich gemacht, dass man über Umwege mit internationalen Fluggesellschaften ausreisen könne, sagte Baerbock auf die Frage des CDU-Außenpolitikers Jürgen Hardt, warum es so lange gedauert habe, Deutsche aus Israel herauszubringen. In den vergangenen Tagen seien etliche tausend Deutsche über Umwege aus Israel ausgereist. Von diesem Donnerstag an sollten zudem Deutsche mit Sonderflügen der Lufthansa aus dem Land gebracht werden, betonte die Außenministerin. Am Donnerstag und Freitag soll die Lufthansa mit je bis zu vier Flügen deutsche Staatsangehörige aus Israel ausfliegen.
Laut dem Auswärtigen Amt haben sich bislang 4.500 Deutsche in die "Elefand" genannten Listen zur Krisenvorsorge eingetragen, um ihren Ausreisewillen zu bekunden. Diese würden priorisiert behandelt, wenn neue Ausreisemöglichkeiten durch Flüge vorhanden seien, hieß es. Es dürften aber deutlich mehr sein, die ausreisen wollen, so das Ministerium.
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