Schönes neues Weltall
Vor 50 Jahren hatte die Fernsehserie "Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffs Orion" Premiere.
Sabine Göttel & Olaf Neumann
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Was die sonore Stimme des Schauspielers Claus Biederstaedt vor jeder der sieben Folgen von "Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffs Orion" aus dem Off ankündigte, entpuppte sich schnell als Volltreffer: Fast jeder zweite Haushalt mit Fernseher ließ sich 1966 von der "Orion" in die unendlichen Weiten des Weltraums entführen.
Nicht nur in Deutschland segelten die Fernsehmacher der 60er auf der Welle der Begeisterung für die Raumfahrt und den Wettlauf um die Mondlandung. Neun Tage vor dem Start der TV-Serie in der ARD war in den USA die "Enterprise" zu ihrem Jungfernflug gestartet. Als sie sechs Jahre später auf deutschen (Color-)Bildschirmen landete, war ihr deutsches Pendant längst Kult. Das ist die "Orion" immer noch. ARD, Regional- und Privatsender haben den Straßenfeger von damals inzwischen 20-mal wiederholt. 2002 lief eine Spielfilmfassung im Kino.
Produziert wurde die Serie von den Münchner Bavaria-Studios. Um die Regisseure Michael Braun und Theo Mezger (Tatort) versammelte sich am Set alles, was in der noch jungen TV-Branche Rang und Namen hatte. Die Schauspieler Eva Pflug, Margot Trooger, Charlotte Kerr und Wolfgang Völz waren aus Edgar-Wallace- und Durbridge-Filmen bekannt. Der hauptsächlich als Theaterdarsteller beschäftigte Dietmar Schönherr wurde durch "Orion" zum Fernsehstar. Er verkörpert die Hauptfigur der Serie: den intelligenten, aber renitenten Commander Cliff Allister McLane, dessen draufgängerischem Charme nach vielen Volten endlich auch die spröde Sicherheitsoffizierin Tamara Jagellovsk (Eva Pflug) erliegt.
Grenzenlos und global: Was heute in der Internationalen Raumstation ISS Wirklichkeit ist, wurde in der "Orion" zumindest in Ansätzen vorgedacht – die kollegiale und solidarische Zusammenarbeit von Raumfahrern unterschiedlichster Provenienz. Namen wie Tamara Jagellovsk (Pflug), Mario de Monti (Völz), Hasso Sigbjörnson (Claus Holm) und Atan Shubashi (Friedrich Georg Beckhaus) aus der Crew der "Orion" suggerieren die friedliche, wenn auch nicht spannungsfreie Koexistenz unterschiedlichster Temperamente und Ethnien auf engstem Raum. Man hält zusammen, denn es geht – wie sollte es anders sein – um nichts weniger als um den Kampf des Guten gegen das Böse – und die Rettung des Globus. Bereits der erste Routineflug der "Orion" hält eine Überraschung bereit: Man trifft auf eine Gruppe bisher unbekannter außerirdischer Lebewesen, die die Erde auslöschen wollen. Das Problem: Sie sind intelligenter als die Menschen, und deren brandgefährliche Laserwaffen machen ihnen rein gar nichts aus.
Die Titel der sieben Folgen klingen wie Kapitelüberschriften aus der klassischen Science-Fiction-Literatur: Angriff aus dem All, Planet außer Kurs, Hüter des Gesetzes, Deserteure, Der Kampf um die Sonne, Die Raumfalle, Invasion. Beheimatet ist die Serie jedoch unzweifelhaft in den 60ern. McLanes Abenteuerlust und sein Draufgängertum kontrastieren mit der Paragraphenreiterei seines Sicherheitsoffiziers und der engstirnigen Bürokratie seiner Vorgesetzten – was durchaus an den Generationskonflikt und an das gesellschaftliche Klima in der Bundesrepublik erinnert. Aufbruch auch in der Geschlechterfrage: Auf der "Orion" übernehmen auch Frauen Führungsaufgaben. Zeitgemäß auch der frühe Vorwurf an die Serienmacher, die an Militärkonflikte erinnernde Grundkonstellation trage faschistoide Züge – was zur Absetzung der erfolgreichen Serie nach nur sieben Folgen beigetragen haben soll.
Ausschlaggebend für das frühe Aus im Dezember 1966 waren wohl eher finanzielle Gründe. Tatsächlich war die "Orion" die bis dato teuerste Serie im deutschen Fernsehen. Das lag wohl an ihrer opulenten Ausstattung, die den Kultstatus der "Orion" bis heute begründet. Obwohl man zur Herstellung der Kulissen auch technisch neue Verfahren einsetzte – wie etwa Thermoformen zur Herstellung von Kunststoffelementen –, griff man für Details auf Gegenständen aus Haushalt und Baumarkt zurück. Duschköpfe und die Ventile einer Mischbatterie wurden zum Beispiel als hochsensibles Navigationsgerät eingesetzt.
Schön anzusehen ist immer noch die Unterwasserwelt hinter den Fenstern des "Starlight-Casino" (in dem bizarre Tänze aus dem Jahr 3000 getanzt wurden) und in McLanes Bungalow. Sie bestand aus Aufnahmen aus dem Aquarium des Berliner Zoos. Die damals teuren Spezialeffekte wirken heute billig und unbeholfen. Dennoch gilt die Serie als bahnbrechend für weitere Science-Fiction-Filme im Fernsehen.