Afrika

Ruanda: Das Land der tausend Radfahrer

Gemessen an der Bevölkerungszahl gibt es kaum ein Land mit einer so hohen Dichte an Radfahrern wie Ruanda. Statt auf Eseln wird alles per Rad transportiert. Sogar ein Profi-Team gibt es hier.  

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Auf Fahrrädern wird in Ruanda so gut wie alles transportiert.    | Foto: dpa
Auf Fahrrädern wird in Ruanda so gut wie alles transportiert. Foto: dpa
Es ist ein Gewusel. Lautes Hupen, doch das Bild ist anders als in so manch anderer afrikanischen Hauptstadt. Am rechten Fahrbahnrand sind Heerscharen von Radfahrern unterwegs. Recht schwere, aber stabile Räder "made in China". Der Sattel ist bei fast allen mit einer Sitzbank bestückt, auf denen mit seitlicher Ausrichtung ein zweiter "Fahrgast" sitzt. Auch Fahrrad-Taxis sind reihenweise unterwegs. Willkommen in Kigali, Ruanda.

Wer hier als Weißer mit einem Rennrad unterwegs ist, fällt auf. Für eine Hauptstadt ist der Verkehr sogar noch erträglich, die Räder fast in der Überzahl. Und schnell ist man raus aus dem Gewusel, es geht nach rechts ab, auf die einzige Straße nach Ruhengeri, 120 Kilometer nördlich, an der Grenze zu Uganda gelegen. Und sofort weiß man, warum Ruanda auch "Das Land der tausend Hügel" heißt.

An fast jedem Anstieg ist hinter einem ein lauter Antritt zu hören, Trampeln im Stehen, Vorbeiziehen am Rennrad – breites Grinsen, der Gedanke scheint zu sein: "Ich zieh Dich ab." Kaum ein Auto, immer wieder nur Fahrräder. In fast jedem Ort sitzen Männer an der Straße, tauschen Ersatzteile aus, reparieren Räder. Gern wird die Frau auf dem Gepäckträger, das Kind auf der Stange chauffiert.

Da ist zum Beispiel Dany Twizerimana (25), er hat vier Bierkästen der Marke "Skol" auf dem Gepäckträger, der hier seinem Namen alle Ehre macht. Über Rennradschuhe und Klickpedale kann er nur lächeln. Er fährt mit Schlappen, wuchtet die Kisten den nächsten Berg hoch.

Die Liebe zum Rad zeigt sich bei vielen Ruandern auch in der besonderen Farbgestaltung. Sehr beliebt ist eine Ummantelung des Rahmen mit Gummibändern in den Farben Ruandas, blau gelb, grün. Wobei das blau für Frieden steht – früher war sie rot, gelb, grün, aber nach dem Genozid 1994 galt rot nicht mehr als angemessen.

Immer wieder gibt es an der Strecke Gedenkorte, die an das damalige Abschlachten vor allem der Tutsi durch radikale Hutu erinnern. Doch das Land versucht, die schrecklichen Ereignisse von damals hinter sich zu lassen.

Auch durch reichlich fließende Entwicklungshilfe. Ein Ergebnis davon sind die oft sehr guten Straßen, was dem Radfahren zusätzlich Vorschub leistet. Es wurde sogar an breite Seitenstreifen gedacht, was sich bei den ab und zu vorbeifahrenden Lastwagen und Militärtransportern als Vorteil erweist. Und: es ist blitzsauber, kein Müll fliegt herum – in Ruanda gilt ein Plastiktütenverbot.

Oft sieht man Radler, die sich hinten an Lastwagen festhalten und hochziehen lassen. Doch es geht auch sportlicher: Auf der Strecke nach Ruhengeri, Ausgangspunkt für Touristen, die zu den Berg-Gorillas wollen, gibt es plötzlich einen etwas ungewöhnlichen Anblick.

Zwei Rennradfahrer überholen, bekleidet mit Trikots des Nationalteams von Ruandas. Dieses wird gefördert von einer Stiftung des US-Supermarktkonzerns Walmart, der Etat soll sich auf eine halbe Million Euro belaufen. Einer der Sportler ist Nathan Byukusenge (36), er ist mit seinem Bruder unterwegs. Nathan war als Mountainbiker bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio dabei. Er verfehlte das Zeitlimit, das Dabeisein zählte. "Seit ich klein bin, fahre ich Rad. Vor zehn Jahren entschied ich dann, es professionell zu betreiben." Jedes Jahr werde die Szene größer. Es gibt auch eine Tour de Ruanda – Millionen Menschen würden bei den Etappen an den Straßen stehen. Mittlerweile fahre er weit über 5000 Kilometer im Jahr und bekommt im Monat als Profi 140 000 ruandische Franc, rund 160 Euro. Die größte Herausforderung? "Ersatzteile zu bekommen, hier gibt es nichts." Meistens müssen sie die in Südafrika besorgen.

Für Nathan Byukusenge ist das Radfahren auch ein Mittel, um das von seiner dramatischen Geschichte gebeutelte Land wieder zu einen. Und natürlich stellt sich die Frage, ob er nochmal den Traum habe, bei der Tour de France mitzufahren. Da muss er lachen: "Ich bin zu alt, aber vielleicht mein jüngerer Bruder." Im Team selbst spiele das Thema Hutu oder Tutsi keine Rolle – sie sehen sich auch als radelnde Friedensbotschafter.

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