Selbermachen (7)
Reparieren statt Wegwerfen – Repair-Cafés helfen dabei
Ob Toaster oder Handy: Geht ein Gerät nach der Garantiezeit kaputt und erscheinen die Reparaturkosten beim Hersteller oder in der Fachwerkstatt zu hoch, ist die Selbsthilfe einen Versuch wert.
Mi, 16. Sep 2015, 8:38 Uhr
Südwest
Thema: Selbermachen
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Gabriele M. zum Beispiel hatte sich für 15 Euro auf dem Flohmarkt eine Stereoanlage gekauft, der leider die Antenne fehlte. Einer der Tüftler hat ihr eine gebaut. "Jetzt empfange ich fünf Sender!", jubelt die 64-Jährige. Wenn der Riemen am Rucksack reißt oder sonst was kaputtgeht, geht sie damit ins Reparatur-Café. Die Bewohnerin der Freiburger Seniorenwohnanlage "Im Grün" hat es nicht weit. Jeden letzten Samstag im Monat verwandelt sich deren Begegnungsstätte in ein Schrauberparadies. Jörg Könöszi, der Leiter der Anlage, sieht darin eine Chance, Leben ins Haus hereinzuholen.
Sein Kalkül geht auf – und wie! Alle Tische sind besetzt von Gästen und Reparateuren. Bis auf einen: Den musste er für die Bewohner reservieren. Bei Kaffee und Kuchen beobachten sie das Treiben, auch wenn sie gerade nichts zu reparieren haben. Gabriele M. hat diesmal einen Ventilator dabei. Ihrer hat gerade den Geist aufgegeben. Norbert – alle, vom Chirurgen bis zum Softwareentwickler, nennen sich hier beim Vornamen – greift zu einem oxidlösenden Spray. "Die Lagerbuchsen sind am Ende", vermutet der 55-jährige Diplomingenieur. "Beruflich sitze ich nur noch am Schreibtisch", erklärt er seine Lust am Tüfteln. Mit seinem akademischen Wissen komme er dabei oft nicht weiter. "Man braucht Ideen."
Den Herstellern von Haushaltsgeräten, Unterhaltungselektronik und sonstigen Alltagsgegenständen dürfte das Treiben ein Dorn im Auge sein: Ihnen wird von Verbrauchern gerne nachgesagt, sie bauten absichtlich Schwachstellen ein, um die Lebensdauer ihrer Produkte zu verkürzen und damit den Konsum anzuheizen. Weder die Stiftung Warentest noch eine Studie von Umweltbundesamt, Öko-Institut und der Universität Bonn konnten bislang Belege dafür finden. Wohl aber für eine ständig sinkende Nutzungsdauer von Geräten, die eigentlich noch funktionieren, jedoch gegen technisch weiterentwickelte Geräte ausgetauscht werden.
Der Klassiker sind Fernsehapparate: Während die alten Röhrenfernseher im Durchschnitt bis zu zwölf Jahre ihren Dienst taten, sind moderne Flachbildschirmgeräte durchschnittlich nur noch 5,6 Jahre in Betrieb. 2012, so die Studie, seien mehr als 60 Prozent der noch funktionierenden Flachbildschirmfernseher durch ein noch besseres Gerät ersetzt worden. Waschmaschinen, Trocknern und Kühlgeräten geht es nicht anders.
Ein Drittel der ersetzten Geräte sei noch funktionstüchtig, wenn sie nach im Schnitt 13 Jahren auf dem Sperrmüll landen. Rainer Schumm könnte das nicht passieren. Mit einem 20 Jahre alten CD-Player taucht er im Reparatur-Café auf. "Er ist von guter Qualität, hat aber immer wieder mal seine Macken", sagt der 65-Jährige. Einmal hat er ihn selbst wieder instand gesetzt, als die eingeschobene CD nicht mehr gelesen wurde. Jetzt lassen sich die Schubladen nicht mehr öffnen. Er braucht etwas Geduld, bis er an der Reihe ist. Auf einer Tafel am Eingang ist notiert, was alles noch repariert werden will: Laptop, Staubsauger, Radio, Föhn … Der nächste freie Reparateur schaut, was er sich zutraut und fängt mit dem Auseinandernehmen an.
Schumm bekommt einen Laufzettel und muss unterschreiben, dass er die Leute vom Reparatur-Café nicht haftbar macht, wenn was schiefgeht. "Wir sind alle Laien", erklärt einer. "Wir nehmen die Geräte auseinander, schauen, wie’s gehen könnte, und lernen was dabei."
Roland (47), Elektroniker und Produktentwickler, schraubt an einem 2007 gekauften Industriestaubsauger herum, der nach Angaben seines Besitzers seit zwei Jahren kaputt in der Garage steht.
Er braucht ihn zum Autoaussaugen. Gemeinsam prüfen sie die Bauteile, messen Kontakte und Widerstände am Schalter. Welches von den blauen, roten und braunen Kabeln gehört wohin? "Wir arbeiten nach dem Ausschlussverfahren", erklärt Roland. Ein defektes Netzkabel entpuppt sich schließlich als das Corpus Delicti. Der Gast wird ein neues kaufen.
Später sieht man Roland mit einer Schere in der Hand eine Hose kürzen. "Ich bin jetzt in der Rolle des Gastes bei Anne." Die 51-jährige Krankenschwester, die sich schon seit Jahren "durchs Leben näht", hat immer "Ideen, wie man noch was retten kann": wie man ein Kleid enger schneidert, wie Hosen gekürzt werden. Sie kennt sich aus mit allen Nähmaschinentypen und hat für jeden Stoff das passende Garn dabei.
Sabine – auch sie will nur mit Vornamen genannt werden – hat ihren defekten Tintenstrahldrucker mitgebracht. Nach drei Jahren lohnt sich eine Reparatur beim Fachmann angeblich nicht mehr. Sie wäre teurer als ein neues Gerät.
Das ist, wie Stiftung Warentest herausgefunden hat, eine typische Strategie der Hersteller, ihren Umsatz anzukurbeln: Akkus, die nicht ausgewechselt werden können, verklebte statt verschraubte Bauteile, fehlende Ersatzteile schon wenige Jahre nach der Anschaffung. Sabine sucht auf ihrem Handy nach Hinweisen, was mit ihrem Drucker los sein könnte und versorgt Wolf, mit dem sie ihn instand setzen will, mit Informationen.
Die Reparatur-Cafés wollen nicht einfach nur ein kostenloser Reparaturservice, sondern Hilfe zur Selbsthilfe sein. Die Gäste werden mit einbezogen. Am Ende hinterlassen sie eine Spende, die in Werkzeug und Material reinvestiert wird. So viele Schraubenziehersets für die unterschiedlichsten Schraubenköpfe könnte ein Einzelner gar nicht vorhalten.
Die Idee, gemeinschaftlich in angenehmer Atmosphäre kaputte Sachen zu reparieren, statt immer mehr Müll zu produzieren und sinnlos Energie und wertvolle Rohstoffe zu verschwenden, wurde in den Niederlanden von der Journalistin Martine Postma geboren: 2009 organisierte sie in Amsterdam das erste Repair-Café und gründete eine Stiftung, die anderen Starthilfen bietet.
Mittlerweile gibt es weltweit 750 in 18 Ländern, allein 247 in Deutschland. Monatlich 13.000 Produkte setzen sie instand. Auch in Südbaden verbreitet sich die Idee. Treibende Kräfte sind die Nachhaltigkeitsinitiative Transition Town (Stadt im Wandel), der Chaos Computer Club, Quartierstreffs, Stadtteilvereine, der Bund für Umwelt und Natur, die Volkshochschulen (siehe Adressen).
"Die Einstellung der Menschen zu den Dingen verändert sich in den Reparatur-Cafés", sagt Christian Bär, der sich in seiner Abschlussarbeit an der PH Freiburg mit dem Thema beschäftigt hat. Statt der Wegwerfmentalität wächst die Wertschätzung. Sie lernen, dass Sachen zu reparieren gar nicht so schwer ist wie gedacht. Und dass es sogar eine Menge Spaß machen kann.
Geschichten über Geschichten ließen sich erzählen über die Gegenstände, die die Besucher an diesem Samstag mitbringen. Eine ältere Chansonsängerin, die sich aufgeschmissen fühlt ohne ihren in die Jahre gekommenen Mini-Kassettenrecorder, der ihr beim Einstudieren des Repertoires hilft. Ein Antriebsriemen war defekt und nur nach langer Internetrecherche als Ersatzteil aufzutreiben.
Allerdings nur im Set: Das Reparatur-Café hat die überzähligen seinem Bestand hinzugefügt. Oder die Geschichte von der Fußpflegerin, der Passanten aus ihrer Praxis heraus die Handtasche klauten – nur weil die zwei Vögel nicht gepiepst haben, die sie dabeihat und die in ihrer Funktion als Bewegungsmelder versagt hatten.
Kleine Ursachen – große Wirkung: Erstaunliches hat Vito zutage gefördert. Neben einem schwarzen Laptop, den er auseinandergenommen hat, liegt eine Wollmaus: Hausstaub, der sich im Lüfter zusammengeballt und das gesamte Betriebssystem lahmgelegt hatte. Ein Stoß mit dem Druckluftspray – und der Computer lässt sich anstandslos wieder hochfahren.
Unter http://repaircafe.org/de findet sich eine Liste von Repair-Cafés, in denen erfahrene Laien oder Profis Verbrauchern zur Seite stehen. Eine weitere Sammelstelle ist die Internetseite Reparaturinitiativen, auf der Adressen von Reparaturtreffs gefunden werden können. Folgende Anlaufstellen gibt es in Südbaden.
Bad Säckingen
»Das erste Treffen des Bad Säckinger Repair-Cafés findet am Samstag, 26. 9, von 10 bis 15 Uhr statt. Ort: AWO-Begegnungsstätte in der Mumpferfährstraße 7.
Emmendingen
»Die nächsten Termine im Reparatur-Café im Fairkaufhaus am Elzdamm sind am Samstag, 26. 9., und Samstag, 7. 11, jeweils von 10 Uhr bis 15 Uhr.
Freiburg
»Reparatur-Café in der Begegnungsstätte im Seniorenwohnheim "Im Grün" (Im Grün 5). Die nächsten Termine: 26. 9, 31. 10., 28. 11, Beginn ist jeweils um 14 Uhr. http://www.ttfreiburg.de
Nähcafé: Immer am zweiten Sonntag im Monat, jeweils von 14 bis 17 Uhr.
»Die nächsten Termine: 11. 10., 8. 11. und 13. 12.
Reparaturcafé Holz: Jeden dritten Samstag im Monat im Spielturm Weingarten, Krozinger Straße 80.
Reparatur-Café im Rieselfeld:
»Die nächsten Termine: 24. 10. und 21. 11., jeweils von 10 bis 14 Uhr im Glashaus. http://www.aewir.org
Reparatur-Café Vauban:
»Das nächste Reparatur-Café im Vauban findet am Samstag, 26. September, von 14 bis 18 Uhr im Jugendzentrum Vauban
im Haus 027 statt. (Eingang auf der Seite des Restaurants Süden im ersten Stock.)
Offenburg
Repair-Café Offenburg im Stadtteil- und Familienzentrum am Mühlbach, Vogesenstraße 14 a.
»Termine: Jeden dritten Samstag im Monat von 14 bis 17 Uhr (außer im Dezember). E-Mail: [email protected]
Rheinfelden
Repair-Café in der VHS: Cafeteria der Volkshochschule, Hardtstraße 6.
»Die nächsten Termine: 10. 10. und 14. 11, jeweils von 13 bis 17 Uhr, keine Anmeldung erforderlich.
Weil am Rhein
»Das nächste Treffen des Repair-Cafés findet am Freitag, 20. November, von 18 bis 21 Uhr im Kulturzentrum Kesselhaus, Am Kesselhaus 13, statt. Weitere Infos unter http://www.vhs-weil-am-rhein.de
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