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Bundestag

Regierungserklärung zum Haushalt: Der fast regungslose Bundeskanzler

Die Regierungserklärung des Kanzlers war nicht der Weisheit letzter Schluss. Viele Fragen sind weiter unbeantwortet.  

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Kanzler Olaf Scholz versprach „schnellstmöglich“ Lösungen.  | Foto: Michael Kappeler (dpa)
Kanzler Olaf Scholz versprach „schnellstmöglich“ Lösungen. Foto: Michael Kappeler (dpa)
Tagelange hat er nichts gesagt, der Kanzler. Jetzt steht er im Bundestag und wiederholt einen Satz, den man schon kennt. "You‘ll never walk alone", sagt er, wie schon vor anderthalb Jahren während der Energiekrise: "Wir lassen niemanden allein." Olaf Scholz blickt nur kurz auf, dann schaut er wieder auf seinen Redezettel. Er sieht vermutlich nicht, wie Dorothee Bär, die Vize der Unionsfraktion, ihr Gesicht in den Händen versenkt. Aber er kann hören, dass die Abgeordneten von CDU/CSU und AfD laut auflachen.

Am Dienstag äußert sich der Kanzler im Bundestag zur Haushaltskrise. Fast zwei Wochen ist es her, dass das Bundesverfassungsgericht ein Verfahren für verfassungswidrig erklärte, auf dem die Haushaltsplanung der Ampel-Regierung ruhte. Der Koalition fehlen nun mindestens 60 Milliarden Euro. Und die Zeit wird knapp, vor Jahreswechsel einen Haushalt für 2024 vorzulegen.

Den Druck merkt man ihm – wie gewöhnlich – nicht an, als er ans Rednerpult tritt. Scholz spricht, wie er immer spricht, fast regungslos. Er erinnert an die Krisen: Pandemie, russischer Angriff auf die Ukraine, die Folgen für die Energieversorgung, die Überflutung des Ahrtals. "So ein Wiederaufbau dauert Jahre", sagt er. Es ist die Rechtfertigung für die erneute Aussetzung der Schuldenbremse im Jahr 2023. Dann erklärt Scholz, dass die Regierung daran arbeite, alle nötigen Beschlüsse für den kommenden Haushalt zu treffen – "schnellstmöglich". Was Scholz nicht sagt: wann und wie genau. Eine Lösung für die Haushaltskrise hat der Kanzler nicht dabei. Will die Koalition die Schuldenbremse reformieren? Oder doch Ausgaben kürzen? Das scheint sie selbst noch nicht zu wissen. Zumal sie für jede Veränderung, die die Verfassung betrifft, also etwa eine Reform der Schuldenbremse, die Unterstützung der Union bräuchte.

Nach Scholz spricht Unionsfraktionschef Friedrich Merz. Er setzt mit leiser Stimme an: "Diese Entscheidung war in der Sache richtig, sie kommt zum richtigen Zeitpunkt, und sie war vor allem notwendig." Merz fügt hinzu: "Wir haben über dieses Urteil nicht triumphiert." Da wiederum lachen die Abgeordneten in den Fraktionen der Ampel-Koalition.

Merz geht darüber hinweg. Dann wendet er sich gegen den Kanzler persönlich. "Der Urheber dieser verfassungswidrigen Konstruktion war kein Geringerer als Sie, Herr Bundeskanzler", sagt Merz. Er habe ein Wort des Bedauerns oder der Entschuldigung erwartet. Doch das sei ausgeblieben. "Sie wissen doch sonst immer alles besser als alle anderen", ruft Merz dem Kanzler zu – nun laut. Er sagt zu Scholz: "Sie können es nicht." Scholz sitzt wie eingefroren da, keine Regung im Gesicht. Irgendwann setzt er die Lesebrille auf und greift nach seinem Handy.

Merz legt nach: "Damit Sie sich bitte keine Illusionen machen: Wir werden an der Schuldenbremse festhalten!" – "Versuchen Sie erst gar nicht, einen Keil in die Union zu treiben!" Merz scheint zu wissen, dass er hier angreifbar ist. Einige seiner Ministerpräsidenten haben sich anders geäußert. In den Ländern stehen viele nach dem Urteil selbst unter Druck, weil auch ihre Haushaltsplanungen gefährdet sind.

Das halten der Union viele Abgeordnete der Ampel-Fraktionen in den folgenden Reden vor. Während Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sich mit Bezug auf die USA für hohe Investitionen für den Wirtschaftsumbau ausspricht und AfD-Chefin Alice Weidel der Ampel vorwirft, das Land in den Bankrott getrieben zu haben, liest Scholz konzentriert in einem Stapel von Papieren. Erst als FDP-Fraktionschef Christian Dürr ans Pult tritt, legt Scholz die Papiere kurz beiseite. Dürr kontert Merz: "Der Einzige aus der Union, der die Schuldenbremse in dieser Woche noch nicht infrage gestellt hat, ist Markus Söder. Aber es ist ja auch erst Dienstag." Darüber lachen viele im Saal.

Zwei Stunden streitet das Parlament. Viele Abgeordnete von SPD und Grünen plädieren für eine Reform der Schuldenbremse. Die FDP konzentriert sich darauf, die Vorwürfe der Union zu kontern. Doch einig ist sich die Ampelregierung offenbar untereinander selbst noch nicht. Gegen Ende der Debatte hat sich das Plenum geleert. Auch der Kanzler ist weg. Er hat da noch eine Krise zu lösen.

Ressort: Deutschland

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mi, 29. November 2023: PDF-Version herunterladen

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