BZ-Interview
Parapsychologe: Geister sind Spiegelbild unserer Seele
Halloween ist das Fest der Geister, Monster und Dämonen. Michael Saurer ließ sich den Brauch von dem Freiburger Parapsychologen Walter von Lucadou erklären – und warum die Geister heute besonders aktiv sind.
Sa, 31. Okt 2015, 18:26 Uhr
Panorama
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Von Lucadou: Halloween ist ein alter irischer Brauch, der nach Amerika exportiert wurde und nun wieder zurückkommt. Aber es ist ein Fest, das in seiner Bedeutung praktisch in allen Kulturen auf die eine oder andere Weise vorkommt und eine Umbruchzeit markieren soll, in der man besondere Vorsicht vor den Geistern walten lassen muss.
BZ: Umbruchzeit?
Von Lucadou: Man muss sich das so vorstellen, dass die Geister in einer Art Parallelwelt unter der Erde leben und während spezieller Umbruchzeiten – wozu auch die Winter- und die Sommersonnenwende gehören – die diesseitige Welt betreten können. Deshalb haben Feste wie Halloween die Funktion, böse Geister abzuwehren.
BZ: Aber die Menschen verkleiden sich doch als Geister und wehren sie nicht ab.
Von Lucadou: Aber genau das hat zwei Funktionen. Zum einen hat es kathartische Wirkung. Das bedeutet, dass man den Geistern so den Schrecken nehmen will. Und zum anderen das sogenannte Reziprozitätsprinzip, das bedeutet, dass man man Gleiches mit Gleichem bekämpfen will. Um gegen Geister vorzugehen, muss ich mich selber in einen hineinversetzen.
BZ: Nun glaubt der Mensch des 21. Jahrhunderts in der Regel aber nicht mehr an Geister.
Von Lucadou: Das kann man so nicht sagen. Es ist schon richtig, dass die Menschen in Europa durch den Einfluss der Aufklärung den Umgang mit der Geisterwelt zurückgedrängt haben. Auch Halloween ist in seiner heutigen Form ja vor allem eine kommerzielle Sache, deren wahren Sinn man nicht mehr kennt. Aber in anderen Kulturen – sei es in Asien, Afrika oder Südamerika – ist der Glaube an Geister und der selbstverständliche Umgang mit ihnen nach wie vor existent. Natürlich sind durch den Einfluss des europäischen Kolonialismus die Vorstellungen zumindest offiziell ein wenig in den Hintergrund geraten. Innerhalb der Bevölkerung sind derlei Vorstellungen und ihre entsprechenden Rituale aber nach wie vor lebendig.
BZ: Welche Arten von Geistervorstellungen gibt es denn?
Von Lucadou: Es gibt da ganz verschiedene Vorstellungen. In fast allen vorindustriellen Kulturen gibt es sogenannte Ahnengeister, also die Seelen der Verstorbenen. Um die muss man sich in besonderer Weise kümmern.
BZ: Wie macht man das?
Von Lucadou: Vor allem muss man ihnen zu bestimmten Zeiten Opfergaben entrichten, sonst können die auch ungemütlich werden. Schauen Sie doch Halloween an: In Amerika gibt die Tradition, dass Kinder als Geister verkleidet von Haus zu Haus gehen und Süßigkeiten einfordern. "Trick or Treat", lautet da die Parole – also entweder bekommen sie etwas oder sie werden demjenigen, der das verweigert, einen Streich spielen. Auch da spielt die Vorstellung der Opfergabe eine wichtige Rolle, wenngleich das den meisten Menschen heute gar nicht mehr bewusst ist.
BZ: Gibt es außer den Ahnengeistern noch andere Geister?
Von Lucadou: Es gibt auch Geister, die eine bestimmte Funktion haben, sogenannte Naturgeister. Diese Vorstellungen finden sich vor allem bei agrarischen Gesellschaften wieder. Die sind für so wichtige Sachen wie das Wetter oder die Ernte zuständig, und die muss man sich natürlich geneigt machen, oft auch durch Opfergaben. Aber generell spielt auch der soziale Aspekt bei der Geisterbesänftigung eine wichtige Rolle. Das Dorf kommt zusammen, man befragt einen Schamanen oder ein Medium, singt und tanzt zusammen. Aus Sicht der Psychologen würde man von einer Art Gruppentherapie sprechen, die den Zusammenhalt der Gemeinschaft stärken und schädlichen Einfluss außen vorhalten soll.
BZ: Das heißt, die Geister dienen den Menschen dazu, den Alltag besser bewältigen zu können.
Von Lucadou: So ist es. Sie dienen aber nicht nur der Gemeinschaft, sondern auch dem Individuum. Hier kommt der Begriff der mentalen Repräsentation ins Spiel. Der Mensch hat ja nur eine begrenzte Wahrnehmung und fehlende Informationen ergänzt unser Gehirn ganz automatisch – obwohl sie nicht da sind. Das sieht man etwa im Kino, wo der Film ja eigentlich eine Abfolge von Einzelbildern ist und unser Gehirn uns vorgaukelt, dass es sich um eine fließende Bewegung handelt. Genauso läuft es auch bei den Geistervorstellungen.
BZ: Wir sehen, was wir kennen?
Von Lucadou: Wenn man nur lang genug eine Raufasertapete, einen Baum oder die Wolken anschaut, dann erkennt man da plötzlich Gesichter. Auch die ergänzt unser Gehirn automatisch, sie sind unsere mentale Repräsentation, werden also aus unserem Unterbewusstsein nach oben gespült. Deshalb werden Geister auch immer menschenähnlich dargestellt. Unser Gehirn vervollständigt praktisch die Informationen, die es gerade nicht zur Verfügung hat durch uns bekannte Vorstellungen. Geister sind deshalb immer ein Spiegelbild unserer eigenen Erfahrung, unserer eigenen Seele. Wenn wir uns um sie kümmern, kümmern wir uns eigentlich um uns selbst.
Walter von Lucadou (70) ist promovierter Physiker und Psychologe. 1989 gründete er die parapsychologische Beratungsstelle in der Freiburger Wiehre, eine öffentliche wissenschaftliche Einrichtung, die vom Land Baden-Württemberg bezuschusst wird.
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