Offen für jedes kleine Wunder
"Ein finsterheller Tag" und "Sterne im Kopf": Zwei Romane erzählen von der Kraft der Phantasie.
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Aber mehr noch vom reichen Innenleben des halbwüchsigen Jungen, der noch immer lieber Fußball spielt, als sich mit Mädchen zu beschäftigen. Der vor allem aber mit seinen Buntstiften jede ihn bewegende Szene zeichnet und ausmalt, begleitet von assoziativen Gedanken, Erinnerungen an Reales und Geträumtes. Vielleicht, sinniert er, lebt er selbst in einer Geschichte. "Wenn das wahr wäre, denkt er, würde ich nie davon erfahren, nicht wahr?" Und weil das so ist, geht er eben weiter und entflieht der Betriebsamkeit im Stadtzentrum. Dort bereiten sich inzwischen die Killens und die Craigs, Familien, die schon so lange miteinander verfeindet sind, dass sie selbst nicht mehr wissen, wie es einst dazu gekommen ist, auf neue Konfrontationen vor: Wer auch sonst als Zorro Craig sollte Jimmy Killen ermordet haben? Aber was, wenn er gar nicht tot wäre?
In diesem außergewöhnlich poetischen Jugendbuch begegnet Davie einer ganzen Reihe unterschiedlicher Menschen und ihren Lebensweisen, die sich sehr von seiner unterscheiden. Wie Wilf zum Beispiel, der mit seiner Beinprothese in der Gegend umherzieht – mit einer Freiheit, um die ihn Davie beneidet, ohne neidisch zu sein. Ein bemerkenswerter Charakterzug, der es ihm erlaubt, sich mit dem Leben derer, auf die er trifft, innerlich zu verbinden und daran zu wachsen. Nach diesem Tag ist er um viele Bilder in seinem Heft und in seiner Innen- und Außenwelt reicher: Bilder, in denen man sich gerne aufhält und die Welt – wie er – ebenso staunend und offen für jedes kleine Wunder betrachtet.
Auch der elfjährigen Lama kommt es so vor, als ob sie eine Doppelgängerin in einer Romanfigur haben könnte. "Guck mal, das bist du!", sagt jedenfalls ihr kleiner Bruder Bali, als sie auf der Straße über ein Buch stolpern. Mit dieser Ausgangssituation startet Andrea Karimé, eine mit etlichen Preisen geehrte Kinderbuchautorin, ihren neuen Roman: "Sterne im Kopf und ein unglaublicher Plan". In einem faszinierenden Wirbel ständig neuer Wortfindungen entwickelt sich das Geschehen um eine Mutter, die nach Marokko aufgebrochen ist, um sich in ihrer Ursprungsfamilie neu zu finden, einen Vater, der in sich gekehrt und wortkarg den Haushalt versorgt, und die beiden Kinder, die er bisweilen bei Onkel Safran abgibt und ansonsten untätig darauf wartet, dass seine Frau schon irgendwann wieder zurückkomme, ohne die inneren Nöte seiner Kinder zu registrieren, die die Mutter schmerzlich vermissen.
Das Buch, das Lama und ihr Bruder finden, ist Irmgard Keuns Geschichte "Das Mädchen, mit dem die Kinder nicht verkehren durften". Es gibt Lama die Kraft, ihre familiäre Situation und auch die schlimmen Erlebnisse in der Schule besser zu erfassen. Eine Geschichte, die damit auch von der Bedeutung von Literatur und Sprache erzählt.
Andrea Karimé: Sterne im Kopf und ein unglaublicher Plan. Roman. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2021. 128 Seiten, 15 Euro. Ab 10.