Berlin
Noch nie hat eine Bundesregierung so wenig über den nächsten US-Präsidenten gewusst
Schwierige Beziehungen erwartet.
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Gernot Erler, Russlandbeauftragter der Regierung (SPD), eilt ernsten Blickes den Gang entlang. "Ein denkwürdiger Tag", murmelt er. Kremlchef Wladimir Putin habe jetzt sicher allen Grund, sich zu freuen, weil er auf einen Trump-Sieg gesetzt habe. Aber nicht einmal Moskau habe an Clintons Niederlage geglaubt. Das sei ein Schock, sagt er, und das sagen die anderen. Wie es weitergeht? "Wer kann’s wissen", sagt Erler.
Die Kanzlerin hat nicht die Nacht vor dem Fernseher durchgemacht, auch wenn sie dem Ergebnis natürlich wie so viele "mit besonderer Spannung" entgegengefiebert hat. Das sagt Kanzlerin Angela Merkel (CDU), als sie zur Mittagszeit Trump zum Sieg gratuliert. Im Bundeskanzleramt wird an diesem Tag, der einmal als Einschnitt in den Geschichtsbüchern vermerkt sein könnte, Routine zelebriert. Erst die Morgenlage, dann tagt wie jeden Mittwoch das Bundeskabinett. Das Festhalten an normalen Abläufen soll einerseits den nicht völlig aus der Luft gegriffenen Untergangsszenarien etwas entgegensetzen und gleichzeitig Pragmatismus signalisieren gegenüber dem, was sich nun nicht mehr ändern lässt.
Die Rat- und Sprachlosigkeit drückt sich aus in einem kaum drei Minuten dauernden Statement der Kanzlerin. Sie erinnert Trump darin an die Verantwortung, die er nun trägt, aber auch an die Werte, die bisher eines der Fundamente der transatlantischen Partnerschaft gewesen sind und von Trump in einem Wahlkampf mit, so Merkel, "schwer erträglicher Konfrontation" verbal mit Füßen getreten worden seien. "Auf der Basis dieser Werte", sagt die deutsche Regierungschefin, "biete ich dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, eine enge Zusammenarbeit an." Das soll eine Mahnung sein und Stärke demonstrieren – doch erst einmal ist Berlin ohne Einfluss und muss Kontakte neu aufbauen. Schon vor der Wahl hat das Kanzleramt für den Fall der Fälle mit Trumps Leuten Verbindung aufgenommen – eine Übung, die nun schnell intensiviert werden muss. "Wir strecken jetzt unsere Fühler zu den neuen Leuten aus, wobei wir nicht bei Null starten", heißt es schon kurz nach Trumps Siegesrede.
Vom Besuch des noch amtierenden US-Präsidenten Barack Obama kommende Woche erwartet man sich dabei wenig hilfreiche Erkenntnisse, da doch dessen Mannschaft geschlossen ausgetauscht werden wird. In Berlin gibt man sich jedoch nicht der Illusion hin, dass nach erfolgreicher Kontaktaufnahme alles beim Alten sein könnte: Syrien, die Ukraine, all die brisanten Krisenherde waren bisher schon kaum zu entschärfen. Mit einem Präsidenten, der autoritäre Führer und vor allem Putin schätzt, werde die Lage nun völlig unübersichtlich, heißt es. Und auch die Trump-Äußerungen im Wahlkampf, wonach man doch Atombomben auch mal nutzen sollte, wenn man schon viel Geld dafür bezahle, werden in einem neuen Licht betrachtet.
Der Koordinator für die Transatlantische Zusammenarbeit, Jürgen Hardt (CDU), gratuliert Trump zunächst artig, das gebietet die diplomatische Kinderstube, selbst wenn’s noch so weh tut. Dann erinnert er daran, wie sehr man bei Obama anfangs in Euphorie verfallen sei, was sicherlich nicht in allen Belangen gerechtfertigt gewesen sei. Wenn man heute zu Tode betrübt sei, könnte das im Rückblick ja vielleicht "auch nicht angemessen" sein.
Wenig später hat sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) angekündigt, der Trump noch im Sommer einen "Hassprediger" genannt hat. Natürlich hat auch er auf Clinton gesetzt. Jetzt muss er sich im Ton mäßigen, sagt lediglich, dass er "mehr als einmal verstört" gewesen sei über den Wahlkampfstil, erinnert an Donald Trumps Beschimpfungen an die Adresse Deutschlands. Man müsse sich darauf einstellen, dass die amerikanische Außenpolitik "weniger vorhersehbar sein wird".
Das ist eine dreiste Beschönigung. Die Wahrheit ist: Berlin hat keine Ahnung, was jetzt passiert, weil die ersten Kontakte ins Trump-Lager alle ohne jeden Nährwert geblieben sind.
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