China
Das Jahr des Schafes beginnt – doch niemand will ein Schaf sein
Das anstehende Jahr des Schafes ist schuld: Chinesische Eltern wollen von Donnerstag an auf keinen Fall Kinder zur Welt bringen. Das Jahr des Schafes soll nämlich Pech bringen. Dabei sprechen Forscher von reinem Aberglauben.
Inna Hartwich & dpa
Mi, 18. Feb 2015, 0:00 Uhr
Panorama
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Obwohl auch in der Volksrepublik längst der gregorianische Kalender gilt, richten sich die Menschen hier beim Jahreswechsel immer noch nach dem Mondkalender. Der Beginn des neuen Jahres fällt somit in jedem Jahr auf einen anderen Tag – auf einen Neumond zwischen dem 20. Januar und 20. Februar.
Am morgigen Donnerstag wechseln die Chinesen vom Jahr des Pferdes ins Jahr des Schafes. Manche nennen es auch das Jahr der Ziege, da das chinesische Wort "yang" keinen Unterschied zwischen Schaf und Ziege macht. Nahezu alle Eltern, die derzeit im Mingde-Krankenhaus auf den Nachwuchs warten, setzen alles daran, dass ihr Kind kein Schaf wird. Ein Kaiserschnitt muss her. Denn einem Pferd – es gilt als dynamisch und arbeitsam – wird viel Glück zugesprochen. Dem Schaf dagegen reichlich Pech – obwohl es im kommenden Jahr unter dem Element Holz steht. Das schenkt dem pessimistisch eingestellten Schaf eigentlich viel Optimismus und Lebensfreude.
Das sanftmütige Schaf ist gesegnet mit Kreativität und Kultiviertheit. Mit den Schafen, auch wenn sie oft mürrisch seien, sei man in bester Gesellschaft, heißt es. Sie seien um Ausgleich bemüht und stehen auf der Seite des Friedens. Warum also so ungeliebt? Weil sie zwar weich und niedlich sind, aber auch reichlich dämlich, sagt so mancher. Ein schwaches Tierchen eben.
Wissenschaftler versuchen nun, den Aberglauben zu brechen. Das Parteiorgan Volkszeitung zitierte den Soziologieprofessor Gu Jun von der Universität Schanghai: "Das ist vollkommener Quatsch." Es gebe keinen automatischen Zusammenhang zwischen einem Geburtsjahr und dem späteren Leben. Viele chinesische Wahrsager gehen dennoch davon aus, dass das neue Jahr ein Jahr der Ruhe wird. Internationale Konflikte würden beigelegt, denn selbst mit seinen Feinden versuche das Schaf stets in Frieden zu leben. Legen China und Japan also ihren Streit um Gebiete im ostchinesischen Meer bei? Einigen sich Russland und die Ukraine auf ein Ende des Krieges in der Ostukraine? Schade nur: Unter den Hauptpersonen der Konflikte findet sich kein Schaf. Russlands Präsident Wladimir Putin ist ein Drache, arrogant und selbstsicher; sein ukrainischer Amtskollege Petro Poroschenko eine Schlange, argwöhnisch und unberechenbar genauso wie Chinas Staatschef Xi Jinping. Kein Wunder also, dass es durchaus Wahrsager in China gibt, die eine schwierige Zeit erwarten. In den vergangenen beiden Schafsjahren 1991 und 2003 hatten in Kuwait und später im Irak Kriege angefangen. Viele Chinesen wollen allerdings nicht lange über die Weltpolitik im Zeichen des Schafes nachdenken. Sie wollen feiern, fast zwei Wochen lang. Millionen Wanderarbeiter bevölkern tagelang die Bahnhöfe im Land. Endlich geht es für sie nach Hause. Für die meisten ist es das einzige Mal im Jahr, an dem sie ihre Kinder sehen. Das Frühlingsfest ist eine Familienfeier, der wichtigste Tag des Jahres.
Die Menschen statten sich mit Stoffschafen aus, kaufen Wandsprüche in der Glücksfarbe Rot und essen, essen, essen. Es gibt Fisch, Fleisch und Neujahrsküchlein aus klebrigem Reis. Zuvor müssen die Wohnung geputzt, die Haare geschnitten, neue Kleider gekauft werden. Das Alte bleibt im alten Jahr, das Neue soll Einzug ins neue Jahr halten. Jeder, der im Jahr des Schafes geboren wurde, soll am Neujahrsfest etwas Rotes tragen – das bringt Glück.
Auch das Mingde-Krankenhaus hat sich trotz des Andrangs auf die Kaiserschnitte auf die Umstellung vorbereitet. Neben den roten Stoffpferdchen stehen nun rote Stoffschäfchen in den Schwesternzimmern. Ab Donnerstag holen die Ärzte nur noch Schafskinder auf die Welt.
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