Konjunktur
Wirtschaft in Südbaden: Wo bleibt nur der Aufschwung?
Die Stimmung in Südbadens Wirtschaft ist schlecht: Ob Handwerk, Handel oder Industrie – es läuft nicht mehr rund, und auch der Ausblick ist trübe. Manch einer fühlt sich an eine Grippeerkrankung erinnert, die nicht enden mag.
Ronny Bürckholdt & Bernd Kramer
So, 20. Okt 2024, 7:00 Uhr
Wirtschaft
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Fragt man dieser Tage in südbadischen Chefetagen nach dem Befinden, so scheint dort eine kollektive Herbstdepression ausgebrochen zu sein. Derart mies, so ist zu hören, seien die Geschäfte lange nicht gelaufen. Und von einem nahenden konjunkturellen Frühling sei rein gar nichts zu sehen.
Beispiel Handwerk: Dort habe sich das Geschäftsklima zuletzt deutlich abgekühlt, heißt es bei der Handwerkskammer Freiburg auf Nachfrage. Regelmäßig befragt sie ihre Mitgliedsbetriebe, wie die Geschäfte denn so liefen. Gut – das hätten vor einem Jahr noch 74 Prozent gesagt; jetzt seien es noch 56 Prozent. Das ist ein regelrechter Stimmungsabsturz – und ein ungewöhnlich niedriger Wert für einen Wirtschaftszweig, der sich in der Vergangenheit lange wenig beeindruckt gezeigt hatte von allerhand internationalen Krisen. Dass die steigenden Materialkosten im Handwerk heute nicht mehr ganz so schmerzten wie noch vor zwei Jahren, kann dort die Stimmung auch nicht recht aufhellen.
Mittlerweile bewerten 13 Prozent der Handwerksfirmen in der Region ihre Geschäftslage als schlecht – vier Mal so viele wie vor einem Jahr. Wenig erbaulich fällt auch der Blick Richtung Jahreswechsel und darüber hinaus aus: "Für die kommenden Monate erwarten die Betriebe keinen Aufschwung." Großes Hemmnis über alle Gewerke hinweg sei die schwache gesamtwirtschaftliche Lage. "Nicht nur der Export, auch der Konsum ist weit entfernt von einstigen Höhenflügen – das bremst auch das Handwerk aus."
Wie eine Grippe, die nicht weggeht
Christof Burger, der Chef der Handwerkskammer, appelliert daher an die Politik, die Krise in den Betrieben nun nicht noch mit steigenden Sozialabgaben zu verschärfen. Deutliche Zusatzbelastungen sind im kommenden Jahr etwa bei den Beiträgen zur Krankenkasse zu erwarten, was nicht nur die Arbeitnehmer finanziell treffen würde, sondern auch deren Arbeitgeber. "Vielmehr muss durch eine Senkung der Lohnnebenkosten neuer Spielraum für die Unternehmen geschaffen werden", findet Burger.
Nicht besser sieht es in anderen Wirtschaftszweigen aus. Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südlicher Oberrhein lag 2018 – in der Schlussphase eines wirtschaftlich goldenen Jahrzehnts – der Konjunkturklimaindex nahe der 150-Punkte-Schwelle. Das war vor dem Nachfrageeinbruch in der Autoindustrie, vor Corona, vor dem Beginn des russischen Angriffs auf die ganze Ukraine, vor der Energiekrise und vor den wachsenden Zweifeln an der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft. Jetzt beträgt der Index, in den sowohl die derzeitige Lage als auch die Erwartungen an die Zukunft einfließen, bei nur noch 94 Punkten. Ein Wert unter 100 deute auf eine Rezession hin, erklärt die IHK.
"Es ist wie eine Grippe, die nicht weggeht", sagt IHK-Vize-Hauptgeschäftsführer Alwin Wagner. Die Lage sei schon vor dem Herbst schlecht gewesen, aber nun sei alles noch ein wenig schlechter geworden. Pessimismus mache sich in allen Wirtschaftsbereichen breit. Die Geschäftserwartungen lägen flächendeckend im negativen Bereich. Selbst bei den lange optimistischeren Dienstleistern herrsche inzwischen Trübnis.
Viele sehen das Ampelbündnis als Gefahr fürs Geschäft
Die Bauwirtschaft und die Industrie hatten schon seit Längerem über schlechte Geschäftsaussichten geklagt – die einen wegen der Bauzurückhaltung infolge höherer Zinsen und gestiegener Materialkosten, die anderen wegen mauer Exporte und wegen der Schwierigkeiten der Autoindustrie.
So gering wie seit Jahren nicht mehr fällt das Vertrauen der heimischen Betriebe in die Wirtschaftspolitik der Regierung aus. Mehr als 40 Prozent der Unternehmen, die an der jüngsten Umfrage der IHK teilnahmen, sehen das Ampelbündnis als Gefahr fürs Geschäft.
Ähnlich sieht es das Verarbeitende Gewerbe. Nach Einschätzung von Christoph Münzer, dem Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Industrieller Unternehmen Baden (WVIB), sei es der "politischer Schlingerkurs und das halbherzige Herumdoktern an Symptomen", mit dem die Bundesregierung Vertrauen verspiele und für Verunsicherung sorge. "Wenn Deutschland wieder auf Wachstumskurs kommen soll, müssen die Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln deutlich verbessert werden", fordert Münzer.
Lange hatte ein starkes Inlandsgeschäft auch Südbadens Wirtschaft gestützt und in Teilen die Schwäche der Weltwirtschaft zu kompensieren vermocht. Doch diese Zeiten sind vorbei. Knapp zwei Drittel der von der IHK befragten Betriebe betrachten mittlerweile den nachlassenden Auftragseingang aus Deutschland als Risiko für ihr Unternehmen.
Selbst vermeintlich gute Nachrichten aus der regionalen Wirtschaft sind derzeit keine. Dass laut IHK nun nur noch 53 Prozenten der Unternehmen statt wie vor einem Jahr 71 Prozent den Fachkräftemangel als Gefahr sehen, liege nicht etwa an einer gelungenen Akquise vieler neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Grund sei allein die schwache Konjunktur, die nur vorübergehend eine geringe Nachfrage nach Arbeitskräften mit sich bringe.
Aus diesem Grund schlägt nun auch Handwerkskammerpräsident Burger Alarm. Er äußert die Sorge, dass die derzeitige Flaute die Schlagkraft des hiesigen Handwerks nachhaltig schwächen könnte. Denn der einfach nicht kommen wollende Aufschwung "nährt die Befürchtung, dass dem Handwerk in den kommenden Wochen Personal verloren geht, das uns dann in den kommenden Jahren fehlen wird." Es drohen also im irgendwann sicher einsetzenden Boom jene Leute zu fehlen, die dann die neuerlichen Aufträge abarbeiten könnten.
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