Leute in der Stadt
Natali Kasem aus Syrien hat ein Stipendium am UWC
LEUTE IN DER STADT: Natali Kasem aus Syrien hat für das neue Schuljahr ein Stipendium am UWC.
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Draußen glüht die Sonne. Und drinnen, im Studienhaus Wiesneck in Buchenbach, sitzen Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren und diskutieren auf Englisch. Es geht um globale Erwärmung – spannend, findet Natali Kasem. Seit zwei Jahren interessiert sie sich für Umweltschutz-Themen: "Wir müssen schnell handeln, die Lage ist sehr ernst."
Bei der "Green Academy" wird vormittags Englisch gelernt, nachmittags stehen Ausflüge mit Öko-Bezügen auf dem Programm, in Freiburg zum Beispiel zum Recyclinghof in Haslach und zur Ökostation. Dass Natali Kasem hier mit Jugendlichen aus Frankreich, Italien und Freiburg diskutieren kann, liegt am Stipendium des Messtechnik-Unternehmens Siko und dem Einsatz von Uta-Beate Schroeder vom Carl-Schurz-Haus. Seit Uta-Beate Schroeder mit einer Mitarbeiterin des Diakonischen Werks Kontakt hatte, die eine englischsprachige Schule für Natali Kasem suchte, hat sie viel für das syrische Mädchen erreicht. Zum Beispiel kommt Natali Kasem inzwischen zum "English book club" ins Carl-Schurz-Haus – und vor allem: Ab Ende August hat sie einen der wenigen begehrten Schulplätze im United World College, das gezielt einzelne Flüchtlingsjugendliche aufnehmen wollte. Natali Kasem ist glücklich und dankbar über diese Chancen.
Sie will später Medizin studieren und bei den "Ärzten ohne Grenzen" arbeiten. "Ich denke, das ist die beste Möglichkeit, Menschen zu helfen", sagt sie auf Englisch. Bisher konnte sie noch kein Deutsch lernen, sie ist erst seit Ende Juni in Freiburg. Davor war sie in Polen auf einer internationalen Schule, getrennt von fast allem, was sie bis dahin kannte – auch von ihrer Mutter und den drei jüngeren Geschwistern. Nur ihr älterer Bruder hatte sie nach Polen zur Tante begleitet. Das erste Jahr in Polen war hart, alles fremd. Am schlimmsten aber war: Sie hatte ständig Angst um ihre Familie in Syrien , die sie meist nur alle paar Tage erreichen konnte. Ihre Mutter ist Zahnärztin und Frauenrechtlerin, sie hatte sich vom Vater der Kinder getrennt, als er eine zweite Frau heiratete. Es dauerte, bis es der Mutter gelang, mit den drei kleineren Kindern nach Deutschland zu fliehen. Inzwischen konnten Natali Kasem und ihr Bruder aus Polen nachkommen. Zu sechst leben sie in einer Wohnung in Haslach, Natali Kasem teilt ihr Zimmer mit zwei jüngeren Geschwistern. Sie versucht zu vergessen, was hinter ihr liegt, doch das gelingt nur teilweise. Ihre Freunde sind alle noch in Syrien, sie sorgt sich um sie. Fernsehnachrichten vermeidet sie völlig – sie erträgt Kriegsbilder nicht mehr.
In Syrien war für sie kein normales Leben mehr möglich. Zwar hatte sie noch Glück, weil sie weiter in die nahe gelegene Schule gehen konnte. Doch Examen mit Bombenlärm im Hintergrund, ständig Angst und Daueranspannung haben Spuren hinterlassen. Sie ging außer zur Schule nie aus dem Haus, weil es zu gefährlich war, zu Hause fiel der Strom dauernd aus, weder Internet noch Fernseher funktionierten. Da war es für sie keine Frage, dass es besser sein würde, in eine völlig ungewisse Zukunft aufzubrechen, als damals 14-Jährige und getrennt von ihrer Mutter: "Es war eine Frage von Sein oder Nichtsein." Natali Kasem kann sich nicht vorstellen, je wieder in Syrien zu leben: "Ich würde immer nur an alles erinnert werden." Sie will nach vorn schauen.
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