Naschen ist kein Kündigungsgrund
Schokolade der Kollegin gegessen – Heilerzieherin wehrt sich vor Gericht gegen ihre Entlassung.
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Das Arbeitsgericht Heidelberg allerdings bewertet am Mittwoch die "Causa Schokolade" anders als die prominenten Fälle und macht einen überraschenden Vergleichsvorschlag: Abmahnung und Weiterbeschäftigung. Die seit 32 Jahren tadellos arbeitende Heilerzieherin einer Schule für körper- und nichtbehinderte Kinder darf sofort wieder ihre Arbeit aufnehmen – ohne Lohnverlust.
Julia L. ist entsetzt als ihr "Diebstahl und Verstoß" gegen die Hausordnung vorgeworfen und im Februar fristlos gekündigt wird. Dabei hatte sie doch nur von einer der vielen im Gemeinschaftsraum der Stephen-Hawkins-Schule in Neckargemünd herumliegenden Süßigkeiten genascht. Dass die Schokolade einer anderen Mitarbeiterin gehört, sei ihr zunächst gar nicht bewusst gewesen, so die Pädagogin vor Gericht. Und obwohl sie umgehend eine neue Tafel gekauft habe, sei sie gegen das Votum des Betriebsrates vor die Tür gesetzt worden. "Ich mache wohl zu oft meinen Mund auf und spreche unangenehme Wahrheiten aus", mutmaßt die Klägerin über den wahren Entlassungsgrund.
Zwei weitere Vorwurfspunkte der SRH-Anwälte wirken sehr konstruiert: Die Frau, die in eineinhalb Jahren in Rente gehen wird, soll Privatwäsche in der Schulmaschine gewaschen haben und eine Jutetasche im Wert von zehn Euro gestohlen haben. Beide Anschuldigungen sind Richter Daniel Obst nicht substanziell genug. Die hauseigene Waschmaschine werde schließlich auch von anderen Mitarbeitern der SRH-Gruppe privat genutzt und beim angeblichen Diebstahl der Tasche handle es sich wohl eher um ein Missverständnis.
Am Schluss der Verhandlung steht ein Vergleich, der die Verhältnismäßigkeit der Tat widerspiegelt. Für das Wegessen der Schokolade ohne Erlaubnis muss die Klägerin eine Abmahnung hinnehmen. Ansonsten darf sie ab sofort wieder ihren Job ausüben. Beide Parteien akzeptieren nach kurzer Beratung schließlich den Vergleichsvorschlag.
Über die kommende Rüge des Arbeitgebers ist Julia L. nach der Verhandlung dennoch nicht erfreut. "Genau genommen habe ich mir doch nichts schulde kommen lassen", sagt sie der Badischen Zeitung. Sie fühle sich aber psychisch stark genug, wieder in der Stephen-Hawkins-Schule anzufangen, wenngleich sie nun erwarte, dass ihr Arbeitgeber künftig ein besonderes Auge auf sie haben werde.
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