Talk am Gymnasium
„Nachgefragt“ im Rotteck: Jennifer Teege über ihren Opa, den KZ-Kommandanten
Jennifer Teege ist weder Star noch Promi – aber ihre Geschichte ist bekannt und bewegend: Eher zufällig entdeckte sie, dass KZ-Kommandant Göth ihr Großvater war. Darüber sprach sie bei "Nachgefragt" im Rotteck-Gymnasium.
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tritt. Entsprechend brandet Jennifer Teege – tatsächlich ist sie 45 – auch schon gleich üppiger Applaus aus dem zahlreichen, dicht gedrängten Publikum entgegen. Costanza Dohmen und Dennis Dickert begrüßen ihren Talkgast charmant und mit großem Respekt: Jennifer Teege ist zwar weder eitler Star noch funkelnder Promi – aber ihre Geschichte ist ebenso bekannt wie bewegend.
Bei einer Hand voll Veranstaltungen im Jahr allerdings lässt sie sich gerne auf andere Formate und Altersgruppen ein: "Ich will der Gesellschaft etwas zurückgeben." Am Dienstagabend im Rotteck-Gymnasium tut sie das lebhaft und gut begleitet von den beiden jugendlichen Gastgebern der schulischen Talkshow, Costanza, die als Pianistin gelobt wird und Dennis, der praktisch nur als Talkmaster kurzzeitig mal vom Longboard steigt.
Zum Auftakt erbitten die beiden eine kurze einleitende Lesung aus dem Buch "Amon. Mein Großvater hätte mich erschossen." Mit Co-Autorin Nikola Sellmaier ist Jennifer Teege darin weit über die eigene Betroffenheit hinaus gegangen. Das Anliegen der studierten Historikerin und professionellen Werberin zielt auf Grundlegenderes. Zum Beispiel die wichtige Erkenntnis, dass weder Schuld noch Charakter vererbbar sind. Die Gastgeber nicken. Und fragen: Wie wirken sich gut gehütete Familiengeheimnisse aus? Sie entfalten auch ungekannt ihre toxische Wirkung, sagt Jennifer Teege, so sie denn von Schuld und Scham handeln.
Die Talker haken nach: Wie sie sich folglich gefühlt habe, als sie schließlich über ein Buch stolperte, in dem ihre Mutter Monika Göth von ihrem Leben erzählte und damit das Geheimnis um Amon Göth lüftete? "Zunächst war ich vor allem wütend und enttäuscht und wollte auch erstmal keinen Kontakt", sagt Jennifer Teege, "überhaupt war meine Kapazität, etwas aufzunehmen erschöpft." Genau genommen war sie selbst erschöpft. Im Publikum ist es ganz still, als sie von Rückzug und Verlangsamung erzählt. Ohne Pathos und auch ganz ohne Pose.
Als vier Wochen alten Säugling hatte Monika Göth ihre Tochter in ein Kinderheim gegeben. Drei Jahre später kam sie in eine Pflegefamilie, die sie auch adoptierte, als sie sieben Jahre alt war. Dennoch war lange Großmutter Ruth Irene Göth eine wichtige und zugeneigte Bezugsperson. Mit dem Buchfund und allen späteren Recherchen stellten sich Fragen. Wie konnte Ruth Irene Göth als Lebensgefährtin von Amon Göth dessen Gewalttätigkeit ignorieren? Das Dienstmädchen Helen Rosenzweig berichtet viel später in einer Filmdokumentation davon.
Das Talkgespann spürt, wie Jennifer Teege mit ihrer klaren und ruhigen Erzählung immer auf den Punkt kommt – und andere Wege einschlägt, als die anvisierten. Dennoch trifft sich das Trio auf dem Podium immer wieder an sinnigen Schnittstellen – wenn zum Beispiel ganz im Format – nachgefragt wird: Wie sieht Jennifer Teege rückblickend ihre Großmutter? "Es war sehr schwer zu verstehen, dass die Frau, die mir lange sicherer Hafen gewesen war, auch eine sehr dunkle Seite in sich hatte. Und dass sie Amon Göth vermutlich so sehr in Liebe verbunden war, dass sie nicht weggehen konnte, kann ich zwar versuchen zu verstehen, aber ich kann es nicht billigen."
Das ernste Abwägen, das Beforschen von Lebens- und Zeitgeschichte, die Suche nach Erklärungen und Motiven haben in der Erzählung nichts Schweres. Auch im Hin und Her zwischen den jungen Gastgebern und dem Talkgast bleibt eine kluge Leichtigkeit – erst recht als die spielerischen Aufgaben noch einmal Biografisches ganz neu anpacken: Ihr Studium in Israel, ihre Jobs in der Bar und auf dem Laufsteg, ihre Fähigkeiten als Werbekonzeptionierin, ihr Weltbürgertum – Heimat ist kein Ort, sondern ein Gefühl – und ihr Selbstverständnis.
Als einst ihre Therapeutin fragte, warum schreiben Sie eigentlich nicht, war ihre Antwort: "Weil ich die Geschichte nicht in mir habe." Hatte sie doch. Nur der Zugriff darauf fehlte. Und den teilt sie seither. Schreibend. Und wundervoll auch redend. Junges und älteres Publikum sind hingerissen und der Büchertisch ist sofort leergekauft.
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