Nach vorne, zurück ins Leben

Mountainbiker Benny Rudiger sitzt seit einem Sturz im Rollstuhl / Freunde sammeln für seine Reha.  

Zu den Kommentaren
Mail

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen

BREISGAU-HOCHSCHWARZWALD. Benjamin Rudiger presst die Lippen zusammen. Die Situation ist dem 31-Jährigen sichtlich unangenehm. Normalerweise ist er derjenige, der sich für andere einsetzt, sie unterstützt. Seit 1

0. Januar ist das anders. An diesem Tag stürzte der einstige Weltcup-Mountainbiker aus Kirchzarten vom Rad, sitzt seither im Rollstuhl. Jetzt braucht er Hilfe. Diese wollen ihm Freunde, Kollegen und Sportler geben, indem sie Geld für seine Reha sammeln. "KameRADschaft" haben sie ihre Initiative getauft – ein schöner, ein treffender Name.

Einen "blöden Unfall" nennt Benny – wie ihn alle in seinem Umfeld nennen – das, was an diesem Januartag passiert. Das Wetter ist gut, es liegt kein Schnee. Die Entscheidung, aufs Bike zu sitzen und mit seinem Cousin eine "handelsübliche Feierabendrunde" zu drehen, ist schnell gefallen. Die Stimmung ist gut. Zum Jahresbeginn hat Benny Rudiger bei seinem Ausbildungsbetrieb, der Sparkasse Hochschwarzwald, einen attraktiven neuen Job angefangen. Vor einem Gatter will er anhalten, er bremst, überschlägt sich, fällt unglücklich. Notarzt, Rettungshubschrauber, Uniklinik, Operationssaal – dann ist es erst einmal schwarz.

Es bleibt dunkel, als Rudiger aus der Narkose erwacht. Denn die Diagnose ist niederschmetternd: Er hat sich den siebten und achten Brustwirbel gebrochen, ist von den Brustwarzen abwärts gelähmt. Nach zwei Tagen wird er von Freiburg nach Tübingen verlegt. Rudiger muss lernen, sich überhaupt im Rollstuhl halten zu können. Er, der Sport und Bewegung liebt, ist gelähmt und starr vor Schreck. Seine trainierten, kraftvollen Beine sind schlaff und kommen ihm wie Fremdkörper vor. "Ich habe das Programm irgendwie abgespult." Benny Rudiger fällt wieder, diesmal in ein tiefes, dunkles Loch.

Etwas Aufhellung bringt die Verlegung in eine Unfallklinik ins bayrische Murnau. "Das Umfeld war toll, das schöne Alpenpanorama hat mir gut getan." Benny Rudiger lernt, mit dem ungeliebten Rollstuhl umzugehen. Die Zeit vergeht, dunklen Stunden bleiben. Nach dieser Reha weiß der mehrfache Deutsche Meister, er braucht mehr Zeit. Nottwil ist das Ziel.

Das Paraplegiker-Zentrum in dem schweizerischen Ort hat einen hervorragenden Ruf. Die Wiederherstellung von Persönlichkeits- und Lebensstruktur eines Verunfallten ist das Ziel. Was technisch klingt, hat viel mit Gefühlen zu tun: Es geht auch um Hilfestellungen für Kopf und Seele. Samuel Koch aus Efringen-Kirchen wurde nach seinem Unfall 2010 bei "Wetten, dass...?" in Nottwil behandelt.

Der Sportler fällt wieder,

diesmal in ein tiefes Loch

Seit einer Woche nun ist Benny Rudiger dort. Er übt Alltagssituation im Rollstuhl, hat schon ein Auto mit Handbetrieb gelenkt. Und er will sich in ein Handbike setzen. "Der Sport ist zwar noch ganz weit weg, aber ich will Kontakt knüpfen." Ganz nah ist dagegen die Frage, wie die Behandlung in der Schweiz bezahlen werden kann. Denn die hat ihren Preis: Zwei Monate kosten 120 000 Euro. Kosten, die keine Kasse übernimmt; Geld, dass die Familie Rudiger nicht hat.

Hier kommt "KameRADschaft" ins Spiel. Der Helferkreis, bestehend aus rund 15 Leuten, hat es sich zum Ziel gesetzt, Geld für Rudigers Reha zu sammeln. Mit dabei sind die Sparkasse Hochschwarzwald, Rudigers Arbeitgeber, und die Brauerei Rothaus, in deren Teams er gefahren ist und zu deren Bergradsportgruppe er gehört. Christian Rasch, Vorstandsvorsitzender von Rothaus, und Jochen Brachs, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Hochschwarzwald, schildern bei der Pressekonferenz die Betroffenheit in ihren Betrieben, als Rudigers Unfall bekannt wurde. Sie sprechen von einem Menschen, der beliebt und engagiert ist, "der anderen Kraft gibt". Sebastian Eckmann vom Organisationsteam des Ultra Bike Marathon und Patrick Faller, ehemaliger Trainer und langjähriger Freund, erzählen vom Feuer, das in der Radsportszene für Benny Rudiger brennt.

Denn er hat ihnen schon einmal bewiesen, zu was er fähig ist. Im Oktober 2006 wurde bei Benny Rudiger Krebs diagnostiziert, es folgten sechs Monate Chemotherapie. Schon Mitte 2007 saß er wieder im Radsattel – bei seinem Heimatrennen in Kirchzarten. Er gründet den Verein "Ride2live", der bis heute durch verschiedene Aktionen regionale Projekte im Kampf gegen Krebs unterstützt. "Schon damals hat er uns begeistert, mit seinem Willen und seiner Kraft." Vom Stehaufmännchen ist die Rede, vom Kumpel mit dem starkem Rückgrat und davon, dass er nach dem Unfall nicht mit dem Hintern zur Wand stehen soll. Begriffe und Bilder, die mit Blick auf Rudiger und seine gelähmten Beine seltsam klingen. Aber herzlich und ehrlich gemeint sind. "Wir sind für Benny da." Die Sparkasse etwa hält ihm seinen Arbeitsplatz frei, "egal, wann er zurückkommt".

Dem Betroffenen ist all das an diesem Abend in Kirchzarten fast peinlich. Eine Pressekonferenz, in der es um sein Schicksal und finanzielle Unterstützung für ihn geht, das empfindet er als seltsam. "Ich fühle mich komisch bis schlecht", sagt er zu Beginn. Doch im Lauf des Gesprächs wird er lockerer. "Ich habe nicht mehr Kraft als andere, nicht mehr Mut. Ich leb’ einfach ganz gern." Und er hat, wie er sagt, eine Verpflichtung – all den Menschen gegenüber, die sich jetzt so sehr für ihn ins Zeug legen. "Ich habe nicht das Recht, aufzugeben." Die Hilfe soll keine Einbahnstraße sein, "ich möchte was zurückgeben". Das wünscht er sich und dafür kämpft er. Und für ein selbstständiges, normales Leben – im Rollstuhl.

Mehr Informationen unter http://www.benny-rudiger.de

HILFE FÜR BENNY RUDIGER

Spendenkonto bei der Sparkasse Hochschwarzwald:
IBAN: DE05 6805 1004 0004 6080 22
BIC: SOLADES1HSW
Stichwort: Unterstützerkreis
KameRADschaft
Bei der Leistungsschau in Titisee-Neustadt, 12. bis 16. Juni, wird es Kaffee auf Kosten der BZ geben – gerne gegen eine Spende für Benny Rudiger.

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel