Harz aus der Wüste
Myrrhe ist Heilpflanze des Jahres und Teil der Weihnachtsgeschichte
Ein klebriges Harz - einst so wertvoll wie Gold: Die Myrrhe hat eine lange Tradition als Heilpflanze, findet aber auch in der modernen Medizin Verwendung.
epd
Di, 21. Dez 2021, 17:56 Uhr
Panorama
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Die Myrrhe gehört fest zur Weihnachtsgeschichte. Im zweiten Kapitel des Matthäusevangeliums wird von drei Weisen berichtet: "Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut und gingen in das Haus und sahen das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe." "Myrrhe" – jeder kennt das Wort, doch nur die wenigsten wissen, was sich hinter der Arzneipflanze des Jahres 2021 verbirgt.
Der Wert der Myrrhe, die heute zu erschwinglichem Preis zu bekommen ist, erklärt sich aus den damals langen und beschwerlichen Transportwegen. Der stämmige Strauch wächst auf trockenen Böden im Nordosten Afrikas wie Somalia oder auf der arabischen Halbinsel Jemen oder Oman. Von dort mussten Händler bis ins heutige Israel zwischen 3000 und 4000 Kilometer durch die Wüste zurücklegen.
Die buschartigen Bäume von Commiphora myrrha, so der botanische Name der echten Myrrhe, können einige Meter hoch werden. Neben der echten Myrrhe sind rund 200 weitere Arten in Indien, Westafrika und Äthiopien bekannt. Die Blätter des zur Familie der Balsamgewächse zählenden Strauches sind ledrig und gefiedert, gegen Fressfeinde wehrt es sich mit spitzen Dornen. Aus den gelblich-grünen Blüten der rein weiblichen und rein männlichen Bäume reifen nacheinander eiförmige Steinfrüchte.
Das begehrte Harz tritt aus der Borke des Baumes aus. An der Luft trocknet der Rindensaft zu einem durchscheinenden, harten Gummiharz. Dessen bitterer Geschmack stand Pate für den Namen: Das arabische "murr", von dem sich das Wort Myrrhe ableitet, bedeutet "bitter". Bereits vor 3000 Jahren verwendeten die alten Ägypter Myrrhe zur Einbalsamierung der Pharaonen, jüdische Salböle enthielten ebenfalls Myrrhe. Sowohl das Wort "Christus" als auch "Messias" meinen wörtlich "der Gesalbte".
Bereits das älteste Buch der Klostermedizin, das Lorscher Arzneibuch aus der Zeit etwa 800 nach Christus, erwähnt die Myrrhe als wirksames Heilmittel. Das Kräuterbuch schreibt dem Harz eine Heilwirkung bei Mundgeruch und Bronchitis bis zu Parasiten oder Wurmbefall zu. Rezeptiert sind etwa eine Abführsalbe, ein Komplexmittel zusammen mit Weihrauch und dem – hochgiftigen – Schierling zur Wundheilung oder eine Mischung aus Ziegenmilch und Myrrhe bei Rachenentzündungen.
Anwendung findet die Myrrhe heute in der modernen Pflanzenheilkunde als Tinktur, Dragées oder Salbe. Sie wirke krampflösend auf den Darm, könne Entzündungen der Mundschleimhaut lindern und Wunden desinfizieren, sagt Tobias Niedenthal. "Als Wirkstoffkombination mit Kaffeekohle und Kamille ist Myrrhe sogar in den ärztlichen Leitlinien empfohlen", verweist er auf eine Studie von 2013 zur entzündlichen Darmerkrankung Colitis ulcerosa. Verantwortlich für die Wirksamkeit seien Bitterstoffe und ätherische Öle in dem Baumharz, so das Mitglied der Forschergruppe.
Historisch bedeutsam ist die Myrrhe auch als Parfum mit erdigem Aroma. In der Antike galt das Harz als Aphrodisiakum. Die erotisierende Wirkung findet mehrfach im "Hohelied Salomos "Erwähnung: "Ein Beutel Myrrhe ist mir mein Geliebter, der zwischen meinen Brüsten ruht." In Psalm 45,9 heißt es schließlich: "Nach Myrrhe, Aloe und Zimt duften alle deine Kleider. Saiteninstrumente erklingen zu deiner Freude, aus Palästen, verziert mit Elfenbein."
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