Cyber-Stalking
Mann erpresst Mädchen mit Nacktfotos über das Internet
Zuerst wollte er nur ihre Brüste sehen, danach mehr. Über Jahre hinweg erpresste ein Niederländer junge Mädchen über das Internet – eines beging Suizid. Nun steht der Mann vor Gericht.
dpa
Mi, 1. Feb 2017, 0:01 Uhr
Panorama
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Die minderjährigen Opfer bleiben im Gericht anonym. Sie sollen soweit wie möglich geschützt werden. Eines der mutmaßlichen Opfer des Angeklagten erlangte traurige Berühmtheit: Amanda Todd. Das 15 Jahre alte Mädchen aus Kanada hatte sich 2012 aus Verzweiflung über einen Cyber-Stalker und wegen Mobbings umgebracht. Ihr Fall hatte Millionen in aller Welt erschüttert.
"Wenn er es war, muss er schuldig gesprochen worden", schrieb Amandas Mutter Carol in ihrem Blog. Sie wird in dieser Woche den Mann zum ersten Mal sehen, der für den Tod ihrer Tochter verantwortlich sein soll. Sie will endlich verstehen, wie jemand so etwas tun kann. Es ist zweifelhaft, ob sie Antworten bekommt. Bislang schweigt der Angeklagte.
Todd, die sich für Opfer von Cyber-Stalking einsetzt, will sich in Amsterdam auf den Prozess zum Tod ihrer Tochter in ihrem Heimatland vorbereiten. Dafür soll der Niederländer an Kanada ausgeliefert werden. Amanda wurde weltweit zur Symbolfigur des Cyber-Mobbings. Nur wenige Tage vor ihrer Verzweiflungstat hatte sie im Internet einen Hilferuf veröffentlicht und ihre Leidensgeschichte in einem Video geschildert.
Ihr Martyrium begann, als sie 12 Jahre alt war. Sie chattete im Internet und schickte einem Mann ein Foto ihrer nackten Brüste. Der erpresste sie und forderte mehr sexuelle Handlungen vor der Webcam. Er sprach von "Shows". Als Amanda sich weigerte, schickte er das Foto an ihre Schule und lud es bei Facebook hoch. Amanda wurde beschimpft, gemobbt und geschlagen. Obwohl sie mehrfach die Schule wechselte, entkam sie ihrem Peiniger nicht. Jede Nacht habe sie geweint und alle ihre Freunde verloren, schrieb Amanda auf eine Karte, die sie in dem Video zeigte. "Ich habe niemanden." Im Oktober 2012 nahm sie sich das Leben.
Den Mädchen, deren Leidensgeschichten nun in Amsterdam verlesen wurden, erging es ähnlich. Als der Mann drohte, ein Sexvideo an ihre Freunde zu schicken, sagte eine 13-Jährige: "Wenn du das tust, bring’ ich mich um."
Manche Opfer waren erst elf Jahre alt. Der Täter hatte sich als Jugendlicher Tyler ausgegeben oder als 16-jährige Kelsey. "Er gab mir Selbstvertrauen", sagte ein Mädchen den Ermittlern. "Ich wurde gemobbt, und er sagte, dass mein Busen groß genug war." Warum sie sich dann dazu verleiten ließ, vor der Kamera den Pulli auszuziehen? "Ich hab mir nichts gedacht. Das machen doch alle."
Dann forderte er "mehr Shows", ansonsten würde er ihr Leben kaputt machen. Scham und Angst der Mädchen waren groß. Sie waren in einem Teufelskreis gefangen.
Der mutmaßliche Täter war im Januar 2014 in einem Bungalowpark in Oisterwijk im Süden der Niederlande festgenommen worden. Der entscheidende Tipp kam über Facebook. Das soziale Netzwerk hatte Verdacht geschöpft, weil der Mann unter fast 100 verschiedenen Namen aktiv war.
Auf seinem Computer fanden die Ermittler mehr als 200 000 Fotos, 4000 Videos und mehr als 250 Mappen mit den Namen der Opfer. Der Mann beteuert seine Unschuld. "Die Daten auf dem Computer und die beschlagnahmten Festplatten stammen nicht von ihm", sagte sein Verteidiger Robert Malewicz. Das Urteil wird für März erwartet.