Männer am Spieß
In Trier gibt es einen kuriosen "Verein". Ihm geht es nicht um Sport oder andere Hobbys, sondern um Spießbraten. Bekannt für die Liebe zum Braten ist auch Idar-Oberstein. Dort können Piloten den Braten sogar per Funk vorbestellen.
Birgit Reichert (dpa)
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Beim Treffen der 25 Sippenbrüder, so nennen sie sich, läuft alles nach festen Regularien ab. Zwei Männer sind für die Zubereitung des Bratens und der Soße zuständig, drei weitere später für die Braten- und Soßenkritik. Das Fleisch wird mit Brot serviert – und beim Essen tragen die Herren Lätzchen, damit keine Flecken auf Sakko oder Hemd kommen. Dabei nimmt sich keiner wirklich ernst. "Wir pflegen unsere Club-Rituale, aber mit Humor", sagt Milde, der seit 1988 dabei ist.
Der Club ist im Mai 1905 von einer geselligen Männerrunde gegründet worden – "als Persiflage auf den deutschen Vereinsmichel", wie Milde sagt. Damals seien für jeden x-beliebigen Zweck Vereine gegründet worden. "Und wir haben diese typische Vereinsmeierei auf die Schippe genommen." Der Club ist daher auch kein eingetragener Verein: "Wir haben nur ein einziges Mitglied. Alle anderen Sippenbrüder sind alle im Vorstand", sagt Milde (67) lachend.
Nach und nach versammeln sich die Herren um den Braten. "Spieß heil!", sagen sie zur Begrüßung, während der Braten vom "Dreh-Team" immer wieder mit Wein übergossen wird. Darunter auch das einzige Mitglied Jürgen Weisgerber. "Ohne mich geht hier gar nichts", sagt der 79-Jährige. Er ist einmal im Jahr für die Entlastung des Vorstandes zuständig.
Die humorvolle Kritik an der Vereinsmeierei lebe bis heute fort, sagt Sippenbruder Rüdiger Bechtel, der seit 14 Jahren kaum ein Treffen verpasst hat. So gebe es eine Club-Hymne, die nach dem Mahl gesungen werde. Oder ein Vorstandsmitglied, das für den Witz des Monats zuständig sei. Er komme immer gerne, zum Austausch – und wegen des guten Bratens, von dem jeder zwei Scheiben bekommt.
Die Sippenbrüder setzen sich bunt zusammen: Es sind Handwerker ebenso darunter wie Ingenieure, ein Arzt und frühere Bankangestellte. Einfach eintreten in den Club könne man nicht, sondern man werde vorgeschlagen und müsse zudem eine einjährige Probezeit überstehen, sagt Christian Hardt (50), der in einer Bank in Luxemburg arbeitet.
"Die Abende sind immer sehr schön. Es ist mal was ganz anderes", sagt er. Ihm gefalle, dass man mit Leuten zusammenkomme, die man sonst nicht treffen würde. "Es ist eine gute Abwechslung." Und Christian Keiser, der als Lebensmittelkontrolleur bei der Stadt Trier arbeitet, sagt, er möge die Kameradschaft und den guten Zusammenhalt.
Eigentlich wollte der Club im Jahr 2020 seinen 115. Geburtstag feiern, aber dann kam Corona. Nun ist der Club eben 118 Jahre alt geworden. Frauen sind bei den Clubtreffen nicht dabei. Nur alle fünf Jahre werden sie nach ungeschriebener und mündlich überlieferter Satzung zu den Jubiläen eingeladen. "Zum 120. Geburtstag ist also geplant, die Damen wieder einzuladen", sagt Sippenvater Milde.
Klar sei, der Trierer Club sei der älteste Spießbratenclub Deutschlands. Es gebe noch andere ähnliche Zusammenkünfte um den Braten: "Aber die zelebrieren nicht so, wie wir das machen", sagt Milde. Auch die Braten unterschieden sich.
Überregional bekannt für Spießbraten ist zum Beispiel die Stadt Idar-Oberstein. Das habe historische Gründe, sagt Stadtsprecherin Eva Grosser. Mitte des 19. Jahrhunderts hätten Auswanderer aus der Region Idar-Oberstein in Brasilien die Zubereitung des Fleisches am Spieß über dem Feuer kennengelernt und die Tradition dann zurück mit nach Hause gebracht. "So kam der Spießbraten hierher", sagt Grosser.
Heute gebe es zwei Arten: Der Idarer Braten – meist aus Schweinekamm – werde als dickeres Stück Fleisch auf dem Schwenkrost gegrillt. Und der Obersteiner Spießbraten werde als Rollbraten am Spieß gedreht. Clubs oder Vereine rund um den Braten gebe es aber in Idar-Oberstein nicht. Es gebe aber viele Restaurants, die ihn zubereiteten: etwa die Flugplatz-Gaststätte, in der Piloten den Spießbraten sogar per Funk bestellen könnten, wenn sie aus der Luft anreisen.
Das laufe über die verschlüsselte Funksprache, sagt Restaurantchefin Helga Rossmann. "Echo" beispielsweise für Entrecôte, "Foxtrott" für Rinderfilet oder "Lima" für Schweinelende. "Wir hören den Funk an der Küche und an der Grillstation", sagt sie. "Wenn die gelandet sind und dann kommen, ist das Essen fertig. Das Feuer brennt bei uns außer montags jeden Tag im Jahr."
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