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Leserbrief

Leserbrief zu Kündigung von Domkapellmeister: "Wie lässt sich das vor dem christlichen Gewissen verantworten?"

Leserbrief zu Dissonanzen am Freiburger Münsterplatz: Domkapellmeister Boris Böhmann erhält Kündigung – und klagt dagegen (BZ, 30. Oktober 2024)  

  • Helmut Hoping (Professor für Dogmatik und Liturgiewissenschaft an der Katholischen-Theologischen Fakultät der Universität), Reiner Marquard (evangelischer Theologe und Honorarprofessor der Uni Freiburg)

  • Fr, 1. Nov 2024, 14:30 Uhr
    Leserbriefe Freiburg

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Die Domsingschule am Münsterplatz  | Foto: Rita Eggstein
Die Domsingschule am Münsterplatz Foto: Rita Eggstein

Zum Bericht "Domkapellmeister klagt gegen Kündigung" (BZ vom 30. Oktober).

Als ob das Erzbistum Freiburg nach den Fällen nicht abgeführter Sozialabgaben, der Veruntreuung hoher Geldsummen durch Pfarrer und dem Missbrauchsskandal nicht schon genügend schlechte Presse gehabt hätte, gibt das Metropolitankapitel nun durch eine völlig undurchsichtige Kündigung des Domkapellmeisters Professor Böhmann kurz vor seinem 60. Geburtstag weiteren Anlass zu öffentlicher Kritik. Generalvikar Neubrand spricht von einem ausgewachsenen Konflikt, der zur Kündigung geführt habe und deren Wirksamkeit durch das Arbeitsgericht in erster Instanz bestätigt wurde: Strengen Kündigungsschutz genieße der Leiter der Domsingschule, die durch eine vom Domkapitel verwaltete selbstständige kirchliche Stiftung finanziert wird, nach Auffassung des Gerichts nicht.

Man fragt sich, warum die gewichtigen Einwände des Anwaltes von Boris Böhmann, u.a. die Feststellung offensichtlicher Anzeichen für einen Gemeinschaftsbetrieb von Ordinariat und Domfabrikfonds vom Gericht nicht berücksichtigt wurden. Gegen das Urteil kann Berufung eingelegt werden, die aber keine aufschiebende Wirkung hat, so dass Böhmann zum 1. März 2025 arbeitslos und mit dem Verlust seiner Dienstwohnung womöglich auch wohnungslos ist.

Offensichtlich war das Domkapitel, das für die Domsingschule zuständig ist, nicht in der Lage, den Konflikt zu lösen, was Fragen hinsichtlich seiner Führungs- und Leitungskompetenz aufwirft, ist es doch Aufgabe von Bischöfen und Priestern, der Herde vorzustehen, deren Hirten sie sind (Lumen gentium Nr. 20 und 28). Was ist das für ein Hirtenamt, wenn der Hirtenstab sich vom Ausrufungszeichen zum Fragezeichen verkrümmt? Wo – so fragen wir geistlich – bildet sich in diesem Fall das Skandalon des Kreuzes ab, das ein Zeichen der Ohnmacht und nicht der Herrschaft ist?

Über die Gründe der Kündigung von Böhmann wird in der Öffentlichkeit gerätselt. Nur soviel ist klar: Es geht nicht um den Vorwurf sexualisierten und grenzüberschreitenden Verhaltens, dessen sich in den letzten Jahrzehnten vor allem Priester schuldig gemacht haben, was die Stellungnahme von Generalvikar Neubrand doch sehr skurril erscheinen lässt. Ein nicht substantiierter Konflikt soll es rechtfertigen, Böhmann nach über 20 Jahren außerordentlich erfolgreicher Tätigkeit vor die Tür zu setzen? Während Priester, die vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden, weiterhin Bezüge erhalten, hat der verheiratete Domkapellmeister ab März nächsten Jahres kein Einkommen mehr und das bis zu seinem Renteneintrittsalter von 67. Seine Entlassung ist also in erheblichem Maße existenzgefährdend. Die Mitglieder des Domkapitels hat das nicht davon abgehalten, zum scharfen Schwert der Kündigung zu greifen, ohne Angaben von Gründen. Es stellt sich die Frage, wie sie dies vor ihrem christlichen Gewissen verantworten können.

Die außerordentlichen Leistungen von Boris Böhmann sind unbestritten, nur Kunstphilister können sie ignorieren. Auf hohem Niveau haben seine Chorformationen bei Kapitels- und Pontifikalämtern mitgewirkt und ihren liturgischen Dienst, der einen "notwendigen und integrierenden Bestandteil der feierlichen Liturgie" (Sacrosanctum Concilium Nr. 112) bildet, ausgeübt. Glänzend waren die von Böhmann dirigierten Münsterkonzerte mit Domsingknaben, Domkapelle und Domchor sowie ihre nationalen und internationalen Auftritte. Die Domsingknaben konzertierten u.a. in Australien und Japan, im Teatro Colón in Buenos Aires, in der Kölner und Berliner Philharmonie sowie in der Elbphilharmonie. Das Domkapitel setzt die hohe Qualität der Freiburger Dommusik aufs Spiel.

Wir sind Domkapellmeister Professor Böhmann seit vielen Jahren freundschaftlich und kollegial verbunden. Die Kündigung beschädigt das Vertrauen in das Domkapitel nachhaltig.

Leserbriefe geben die Meinung der Leserinnen und Leser wieder, nicht die der Redaktion. Sie werden nur mit vollem Namen veröffentlicht. Wir freuen uns über Zuschriften, behalten uns aber das Recht zur Kürzung vor.

Ressort: Leserbriefe Freiburg

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Kommentare (2)

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Klaus Kienzler

1438 seit 19. Mär 2019

Was ist eigentlich der Unterschied ob einem Kapellmeister oder einem Arbeiter/Angestellten einer Firma gekündigt wird? Zumindest haben die Zweitgenannten kaum ein Zuspruch von akademischer Seite zu erwarten. Wenn das Arbeitsgericht in erster Instanz feststellt, dass die Kündigung wirksam sei, so müssen wohl entsprechende Argumente dafürsprechen. Reine Sympathiekundgebungen oder auf gute Beziehungen zu verweisen ist wohl etwas wenig um einer Kündigung zu widersprechen. Was hier passiert, wird jeden Tag vielen Menschen angetan, die meisten davon können sich, ohne Gewerkschaft, keinen Rechtsanwalt leisten und müssen ohne Klagemöglichkeit die „Kröte“ schlucken. Die Arbeitsgerichte werden über den Fall entscheiden. Wir wissen ja nicht, warum die Kündigung ausgesprochen wurde. Ein ausgewachsener Konflikt ist nun keine Bagatelle. Bei einem normalen Arbeitnehmer, und was anderes ist der Herr ja auch nicht, werden angebliche oder wirkliche Verdienste für die Firma kaum in Erwägung gezogen. Obwohl es hier um Streit innerhalb der Kirche geht, hat dies mit christlichem Gewissen überhaupt nichts zu tun! Wenn dies anders wäre, müsste wohl jede Kündigung innerhalb der Kirche mit einem angeblichen “christlichen Gewissen“ geprüft werden. Was ja nicht immer zugunsten der Angeklagten ausging. Zum Glück haben in der dritten Gewalt eine religionsunabhängige Instanz.

Hartmut Kirchem

3470 seit 25. Jul 2018

Ein überaus dummer Kommentar zum Leserbrief.
Es geht um Wertschätzung und der Transparenz.
Und ein Arbeitgeber Kirche muß sich an durchaus auch eigeneb Wertvostellungen und "christlichem Gewissen"messen lassen. es ist eben nicht nur ein gewöhnlicher Arbeitgeber. Übrigens, im öffentlichen Dienst, wenn Sie schon so kommen, sind Sie nach so langer Zeit, quasi unkündbar. Dieses "machen andere ja auch" ist zudem eine Relativierung, die unerhört ist. Sozialabgaben hinterziehen, Mißbrauch etc gibt es anderswo auch. Ist es deshalb weniger verwerflich? Und dem Gericht ging es nur um die Frage, ob die Domschule arbeitnehmermäßig isoliert oder erheblich größer zu betrachten ist. Eine Organisation, die Ethik und Moral vertritt kann man doch nur schwerlich mit kapitalorientierten Unternehmen vergleichen. Der Vorgang hat viele Facetten. In Betrieben kann ein Betriebsrat unterstützen, hier offenbar nicht.
Ich finde, man darf durchaus geschätzte Menschen unterstützen und sich nicht nur relativierend und obrigkeitshörig Schukterzuckend zeigen.


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