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Längst nicht ganz Europa wählt rechts

Ein Rechtsruck geht durch Europa – aber nicht in allen Ländern. Während viele auf Frankreich und Deutschland schauen, läuft es in manchen Staaten ganz anders.  

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Terry Reintke  | Foto: Hannes P Albert (dpa)
Terry Reintke Foto: Hannes P Albert (dpa)
"Das muss uns Zuversicht geben", sagt Grünen-Fraktionschefin Terry Reintke am Dienstag im EU-Parlament. Während Europa nach dem Rechtsruck bei der Europawahl noch unter Schock steht, verweist Reintke im Gespräch auf die vielen Länder in der EU, in denen Rechte kaum eine Chance hatten. Es seien gerade jene Staaten, in denen Grüne und Sozialdemokraten in den letzten Jahren gegen problematische Regierungen gekämpft haben. Ungarn und Polen zählt sie auf, aber auch in den baltischen und nordischen Ländern wie Schweden gibt es diese Entwicklung. Länder, in denen Rechte an die Macht gekommen sind. "Viele rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien gehen mit Forderungen in den Wahlkampf, die sie dann nicht erfüllen, wenn sie Zugang zu Macht erhalten", sagt Reintke. In Finnland habe etwa die Regierung Sozialausgaben massiv gekürzt. Ihr Fazit: "Wir haben keinen durchgehenden Rechtsruck."

Es ist eine Beobachtung, die der Direktor der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Brüssel, Tobias Mörschel, bestätigt. "Es gibt Abnutzungserscheinungen in Ländern, in denen rechte Parteien an der Regierung beteiligt sind", sagt Mörschel. In Schweden und Finnland seien rechte Parteien entzaubert worden, nachdem sie an die Macht gekommen waren. "Aber wir sehen an Italien, dass ein Entzaubern nicht zwangsläufig funktioniert."

Etwa 40 Sitze können die Rechten voraussichtlich im neuen EU-Parlament dazugewinnen, etwas weniger, als Umfragen voraussagten. In Polen ist die rechtspopulistische PiS erstmals seit 2015 bei einer Wahl nicht als stärkste Kraft hervorgegangen. Der konservative Donald Tusk geht gestärkt aus dieser Wahl hervor, nicht jedoch die gesamte polnische Regierung. Denn seine Stimmen gingen zum Teil zulasten seiner Regierungspartner. In der Slowakei wurde die Partei des populistischen Regierungschefs Robert Fico nur zweitstärkste Kraft. Nach dem Attentat auf ihn vor wenigen Wochen hatte Fico der Opposition vorgeworfen, eine Hetzkampagne gegen ihn zu führen. Beobachter waren davon ausgegangen, dass ihm dies zusätzliche Prozentpunkte einbringen werde. Doch der 59-Jährige konnte wegen des Attentats kaum zusätzliche Wählerinnen und Wähler mobilisieren.

Eine Überraschung gab es auch in Ungarn, wo die Fidesz-Partei des rechtspopulistischen Regierungschefs Viktor Orban erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt weniger als 50 Prozent der Stimmen bekam. Die neue Partei Tisza seines Herausforderers Peter Magyar erzielte aus dem Stand fast 30 Prozent. "Das setzt Orban unter Druck", sagen ungarische Diplomaten mit Blick auf die nächste Parlamentswahl in Ungarn. Nun wird Orban nur noch elf statt 13 Abgeordnete nach Brüssel schicken können, Tisza kommt auf sieben Mandate.

Orbans Fidesz-Partei war vor einigen Jahren noch Teil der konservativen EVP-Faktion, der auch CDU/CSU angehören. Doch die vielen Provokationen der Fidezs-Abgeordneten und ihr Wunsch, die EVP nach rechts neu auszurichten, haben schließlich zum Aus geführt. Nun gilt es als ausgemacht, dass Tisza der EVP beitritt. Doch sind Hoffnungen auf einen Kurswechsel in Ungarn berechtigt? "Orban hat einen Dämpfer erhalten, aber sein Konkurrent Peter Magyar ist ihm gar nicht so unähnlich", sagt FES-Direktor Mörschel.

Nicht nur in Osteuropa haben demokratische Parteien dazugewonnen, auch in Spanien und Portugal wurde der Vormarsch der rechtsextremen Parteien gestoppt. In Italien kann die Konkurrentin von Postfaschistin und Regierungschefin Giorgia Meloni Zugewinne verbuchen. Bei aller Rede vom Rechtsruck müsse man daher berücksichtigen: "Nicht ganz Europa wählt rechts."

Ressort: Ausland

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