Straßburg
Korruptionsskandal im Europäischen Parlament weitet sich aus
Das EU-Parlament wird von einem großen Skandal erschüttert: Belgiens Justiz lässt eine Vizepräsidentin wegen mutmaßlicher Korruption festnehmen. Im Fokus stehen nun auch Menschenrechtsorganisationen.
Daniela Weingärtner & Michel Winde
So, 11. Dez 2022, 20:08 Uhr
Ausland
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Im Raum steht neben Vorwürfen der Bestechung und Bestechlichkeit auch der Verdacht der Geldwäsche. Die Vorwürfe setzten den politischen Betrieb in Brüssel unter Schock. In der EU-Hauptstadt, wo Gesetze für rund 450 Millionen Europäer gemacht werden, gehört Lobby-Arbeit selbstverständlich dazu. Nach Angaben des Vereins Lobbycontrol tummeln sich etwa 25.000 Lobbyisten in der Stadt. Sie alle versuchen, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Doch dieser Fall ist anders, brisanter – und lässt hohe kriminelle Energie vermuten.
Seit mehreren Monaten verdächtigen belgische Ermittler nach Angaben der Staatsanwaltschaft einen Golfstaat, "die wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen des Europäischen Parlaments zu beeinflussen". Dazu sollen hohe Geldsummen gezahlt oder teure Geschenke an Entscheidungsträger im Parlament gemacht worden sein. Aus Ermittlerkreisen wurde bestätigt, dass es sich bei dem Golfstaat um Katar handelt.
Im Verlauf des Sonntags weitete sich der Skandal immer weiter aus. Im Fokus stehen nun zwei Menschenrechtsorganisationen, die in Brüssel unter derselben Adresse logieren: "No Peace Without Justice" und "Fight Impunity" mit Panzeri an der Spitze. Laut Webseite finden sich im Aufsichtsrat so prominente Namen wie die des sozialistischen französischen Ex-Premiers Bernard Cazeneuve und der ebenfalls zur sozialistischen Partei gehörenden ehemaligen EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini aus Italien. Beide legten die Posten sofort nieder, als die Verbindungen der auf Menschenrechte im Nahen Osten und Nordafrika spezialisierten NGO zum Skandal deutlich wurden.
Kaili war zuletzt mit einer eher ungewöhnlichen Haltung gegenüber Katar aufgefallen. Das Emirat steht wegen katastrophaler Arbeitsbedingungen bei der Errichtung der Stadien für die laufende Fußball-Weltmeisterschaft seit langem in der Kritik. Als das Europaparlament im November über eine Resolution diskutierte, die die WM in Katar kritisieren sollte, attestierte Kaili dem Land, Vorreiter in Sachen Arbeitsrechten zu sein. Die WM sei Beweis dafür, "dass Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land bewirken kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben". Zudem beklagte sie, dass jeder, der mit Katarern spreche, der Korruption verdächtigt werde.
Unter den in Brüssel Festgenommenen ist auch der Italiener Luca Visentini, der im vergangenen Monat Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsverbandes ITUC wurde. Davor war er über viele Jahre Chef des Europäischen Gewerkschaftsbundes gewesen. Das entbehrt nicht der Ironie, da gerade von europäischen Gewerkschaften die schärfste Kritik an den Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter in Katar geäußert wurde. Schon vor Visentinis Amtsübernahme fiel allerdings auf, dass der ITUC nicht in die Katar-Schelte einstimmte. Visentinis Vorgänger hatte Kritiker dazu aufgefordert, sich vor Ort selbst ein Bild zu machen, wie sich die Dinge zum Positiven gewandelt hätten.
Zahlreiche damalige Mitglieder des Exekutivkomitees des Weltfußballverbands Fifa, das 2010 die WM nach Katar vergeben hatte, sind inzwischen der Korruption überführt. Katar selbst hat den Vorwurf der Bestechung jedoch stets bestritten. Der Innenausschuss des Europaparlaments wiederum stimmte Anfang Dezember dafür, die Visa-Regeln für Katar und andere Länder zu erleichtern. Obwohl Kaili selbst kein Mitglied im Ausschuss ist, stimmte auch sie ab – dies geschah in Einklang mit den Parlamentsregeln. Das letzte Wort bei der Visa-Liberalisierung ist allerdings noch nicht gesprochen.
Die Grünen im Europaparlament erklärten nun, dass sie gegen Visaerleichterungen für Katar stimmen werden. "Auch mit Blick auf die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn muss völlig klar sein, dass das Europäische Parlament seine Glaubwürdigkeit nicht aufs Spiel setzt", erklärte die Fraktionsvorsitzende Terry Reintke. Der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary lehnt Verhandlungen über Visa-Erleichterungen zum jetzigen Zeitpunkt ebenfalls ab.
- Geldwäsche und Bestechlichkeit: Korruptionsverdacht erschüttert das EU-Parlament
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