Klage von Ex-NSU-Helfer erfolgreich
Karlsruhe verlangt, dass Übermittlungspflichten des Verfassungsschutzes eingeschränkt werden.
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Konkret ging es um eine schon seit Jahrzehnten bestehende Regelung im Bundesverfassungsschutzgesetz. Paragraf 20 verpflichtet die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern dazu, Informationen an die Polizei weiterzugeben, wenn dies "zur Verhinderung und Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist". Gegen diese gesetzliche Übermittlungspflicht erhob bereits 2013 der Ex-NSU-Helfer Carsten S. Verfassungsbeschwerde. Er hatte dem NSU-Terrortrio einst die Tatwaffe, eine Ceska-Pistole, überbracht. Später stieg er aus der rechten Szene aus, bereute seine Mordbeihilfe und sagte umfassend aus. 2018 wurde er zu drei Jahren Jugendhaft verurteilt und lebt heute in einem Zeugenschutzprogramm.
Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU), bestehend aus Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, ermordete zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen. Seine Existenz wurde erst 2011 bekannt. Böhnhardt und Mundlos begingen Suizid. Zschäpe sowie vier Helfer der Terrorzelle sind inzwischen rechtskräftig verurteilt. S. bekam drei Jahre Jugendhaft. Nur durch seine Aussage konnte die Bundesanwaltschaft die Tatabläufe weitgehend ermitteln. Er war auch der einzige Angeklagte, der Reue zeigte.
Seine Verfassungsbeschwerde hatte damals der linksliberale Bürgerrechtler Fredrik Roggan geschrieben, der heute Rechtsprofessor an der Brandenburger Polizeihochschule ist. Carsten S. sah sich durch die gesetzliche Übermittlungspflicht in seiner informationellen Selbstbestimmung verletzt. Als betroffen sah er sich vor allem im Zusammenhang mit der 2012 – nach dem Auffliegen des NSU-Terrors – eingeführten Rechtsextremismusdatei (RED). Die Datei sollte zwar keine neuen Daten erfassen, aber die Übermittlung vorhandener Daten an andere Behörden erleichtern.
Beim Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts hatte die neun Jahre alte Klage nun Erfolg. Die weitgehende Übermittlungspflicht sei unverhältnismäßig, entschieden die Richter. Grundsätzlich sei die Übermittlung von Verfassungsschutz-Daten an die Polizei zwar legitim, um Gewalttaten und Hetze von Extremisten zu verhindern und aufzuklären. Wenn es aber um Daten geht, die heimlich gewonnen wurden (etwa durch V-Leute oder abgehörte Telefonate), dann ist die Übermittlung in der Regel nur zulässig, wenn auch die Polizei mit ihren Befugnissen die Daten hätte erheben dürfen.
Konkret heißt das: Der Verfassungsschutz darf der Polizei heimlich gewonnene Daten nur übermitteln, wenn eine "hinreichend konkretisierte" Gefahr besteht oder wenn es einen konkreten Verdacht gibt, dass eine besonders schwere Straftat begangen wurde. Es geht dabei insbesondere um den Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Freiheit sowie des Staates. Angriffe auf Sachen gelten nur dann als besonders schwere Tat, wenn die Sachen von öffentlichem Interesse sind, wie etwa ein Kraftwerk.
Das Verfassungsschutzgesetz enthält zwar ein allgemeines Übermittlungsverbot, wenn Belange des Betroffenen die Sicherheitsinteressen überwiegen. Das Gericht hielt dies aber für zu unbestimmt (Aktenzeichen: 2354/13).
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