Kino- und Filmbranche
Neue deutsche Filmförderung: Was bewegt kommunale Kinos in Freiburg und Breisach?
Mehr Geld, weniger Bürokratie – das verspricht die neue Filmförderung. Der Betreiber der Friedrichsbau-Kinos blickt kritisch auf die deutsche Filmkultur. Im Breisacher Koki sorgen Vorgaben für Frust.
So, 20. Apr 2025, 10:00 Uhr
Kino
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Kunst und Politik, das ist eine schwierige Kombination – die einen schaffen kulturelle Inhalte, die anderen die Rahmenbedingungen. Neriman Bayram, künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin des Kommunalen Kinos in Freiburg, ist eine Kulturschaffende, die sich von politischer Arbeit nicht abschrecken lässt. "Ich bin sehr gerne engagiert für eine Sache, die mich überzeugt, dann kann ich auch beharrlich sein", sagt Bayram, die nun neu in den Verwaltungsrat der deutschen Filmförderungsanstalt (FFA) berufen worden ist. "Man muss Kompromisse machen und viel Ausdauer haben." Bayram ist als Mitglied des Vorstands des Bundesverbands Kommunaler Filmarbeit in den 36-köpfigen FFA-Verwaltungsrat berufen worden, dem Mitglieder aus Politik, Kultur und Wirtschaft angehören.
Das neue Filmförderungsgesetz
Bundestag und Bundesrat haben zum 1. Februar ein neues Filmförderungsgesetz beschlossen, auch die Zuschüsse aus staatlichen Fördertöpfen wurden erhöht. Neu ist, dass geförderte Projekte statt 20 nun 30 Prozent der förderfähigen deutschen Herstellungskosten bekommen können. "Wir können es uns nicht leisten, dass noch mehr Talente aus Deutschland abwandern, noch mehr Produktionsflächen brach liegen und der deutschen Wirtschaft noch mehr Innovation und Investition in einer zentralen Kreativ- und Zukunftsbranche verloren gehen", erklärte Finanzminister Jörg Kukies (SPD).
Was Neriman Bayram von Filmemachern rückgespiegelt bekommen hat, ist der Ärger über viel Bürokratie und viele verschiedene Fördertöpfe von Bund, Ländern und TV-Sendern. "Die FFA hat gesagt, dass die Bürokratie mit dem neuen Filmförderungsgesetz abgebaut werden soll", sagt Bayram – ein Versprechen, das die künftige Regierung für viele Alltagsbereiche angekündigt hat.

Ludwig Ammann kritisiert mittelmäßige Produktionen
Ludwig Ammann, mit Michael Isele Betreiber von elf Kinosälen (Harmonie, Friedrichsbau, Kandelhof) in Freiburg, zeigt überwiegend Arthaus-Filme; ob aus Deutschland oder international, ist für ihn nicht entscheidend. Ein Film laufe gut, "wenn es ein guter Film ist", sagt er. Seine Hits 2024 sind ganz andere als die der FFA-Hitliste, die von US-Produktionen angeführt wird: "Zone of Interest", eine britisch-polnisch-amerikanische Koproduktion über den Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß und seine Familie, und der in Japan gedrehte Spielfilm "Perfect Days" des deutschen Regisseurs Wim Wenders; beide Filme lockten mehr als 10.000 Menschen in Ammanns Kinos.
"Es gibt in Deutschland viel zu viel Filmförderung für viel zu viele verschiedene Projekte"Ludwig Ammann
Was dem Kinobetreiber auffällt, sind relativ viele mittelmäßige, geförderte Produktionen, etwa wegen eines "unausgegorenen Drehbuchs", das eine weitere Fassung vertragen hätte, die mangels Geldes aber nicht zustande kam. Stattdessen, ärgert sich Ammann, werde "ohne Rücksicht auf künftige Zuschauerzahlen einfach trotzdem gedreht". Seine Einschätzung: "Es gibt in Deutschland viel zu viel Filmförderung für viel zu viele verschiedene Projekte." Wenn man sich da auf weniger konzentrieren und mehr aussieben würde, könnte man es vielleicht ermöglichen, dass noch eine zweite oder dritte Drehbuchfassung entsteht, sagt er. In den USA, wo Filme privat finanziert werden, passiere das – aus Angst, dass sonst viel Geld verloren gehen könnte. Deutsche Produzenten arbeiteten risikofrei: "Für die ist das Geschäft beendet, noch bevor das erste Ticket an der Kinokasse gelöst ist", sagt Ammann. 2024 wurden in Deutschland 115 Filme mit mehr als 60 Millionen Euro sowie sechs Produktionsdienstleister, die an ganz oder teilweise in Deutschland gedrehten internationalen Produktionen beteiligt waren, mit 31,3 Millionen Euro gefördert.

Apropos Kinokasse: Einen Anteil jedes verkauften Tickets muss jeder Kinobetreiber an die Filmförderung abgeben. Die sogenannte Filmabgabe von Kinos, der Videowirtschaft, den Fernsehveranstaltern sowie den Programmvermarktern orientiert sich am Nettoumsatz des Vorjahres und liegt je nach Höhe des Umsatzes zwischen 1,8 und 3 Prozent. Weil die großen Kinos mit Mainstream-Filmen im Angebot mehr Abgabe zahlen, findet Ammann es auch gerecht, dass neben Arthaus- auch deutsche Mainstream-Produktionen wie "Fack Ju Göthe" gefördert werden. "Oder man stellt das gesamte System um und es gibt gar keine Subventionen wie in den USA."
Viele Filme gehen "durch die Drehtür"
Dieses Zuviel an geförderten deutschen Filmen hat laut Ammann zur Folge, dass viele dieser Filme bei ihm "durch die Drehtür" gehen und sich "mit 1000 oder 2000 Zuschauern" wieder aus dem Programm verabschieden. Insgesamt, sagt der Kinochef, sei das vergangene Kinojahr durchwachsen gewesen. Trotz ungünstigerer Bedingungen als 2023 – keine Kassenschlager wie "Barbie" und "Oppenheimer" und im vergangenen Herbst nicht genügend "Zugpferde" für die großen Säle – und einer dreimonatigen, umbaubedingten Betriebspause im Friedrichsbau seien er und sein Geschäftspartner nicht hinter das Niveau von 2023 (rund 300.000 Besucher) zurückgefallen. Ende 2024 zählte er 87 Prozent der Besucher des Vor-Pandemie-Jahres 2019, nach dem ersten Quartal 2025 sei man gar bei 95 Prozent angekommen. Bundesweit wurden im vergangenen Jahr laut FFA allerdings weniger Karten verkauft als im Vorjahr: 90 Millionen Tickets (-5,8 Prozent). Dabei setzten die 1211 Kinobetriebe 868,4 Millionen Euro (-6,5 Prozent) um.

Streamingdienste bedeuten für viele ländliche Kinos das Aus
In ländlichen Regionen sind kommerziell betriebene Kinos wegen des Wachstums der Streamingdienste und der modernen digitalen Projektortechnik, die hohe Investitionen erfordert, kaum noch überlebensfähig. Viele haben aufgegeben. Um Kinos dort zu erhalten, haben sich vielerorts kommunale Kinos gegründet, betrieben als ehrenamtlich geführte Vereine – in Breisach und Kandern ist das "Koki" im angestammten Kino ansässig geblieben. Die Breisacher Engel-Lichtspiele kamen 2024 auf 317 Vorstellungen, und das ohne Zuschüsse; die gab es nur bei höheren Investitionen.

Das Problem: Bei aktuellen Filmen müssen kleine Kinos wie das in Breisach oft vier bis sechs Wochen nach dem Bundesstart warten, ehe sie den Film zeigen können – der Vorgaben der Verleihfirmen wegen. "Das ist schade", findet die Vorsitzende des 2014 gegründeten Koki-Vereins, Angelika Harter. So sei eine der Auflagen, dass man einen Film drei Wochen am Stück zeigen müsse, in der ersten Woche sogar zweimal am Tag. "Das ist für uns oft schwer zu leisten." Ausnahmen mache man mal bei besonders heiß begehrten Filmen wie "James Bond".
Subventionen helfen den Kokis
Wie Neriman Bayram vom Koki in Freiburg, so legt auch das Koki in Breisach Wert auf Kooperationen mit anderen Institutionen. "Es ist für mich eine Herzensangelegenheit, das Haus für andere zu öffnen, denn wir werden ja gefördert und wollen dann schon auch Plattformen und Räume zur Verfügung stellen, gerade auch für Menschen, die nicht so sichtbar sind und die keine Stimme in der Öffentlichkeit haben", sagt Bayram. Sie nennt als Beispiel eine Behindertengruppe der Christuskirche, die alle drei Monate einen Filmabend im Koki macht. Anders als etwa das Koki in Breisach lebt das vielfach prämierte Freiburger Kommunale Kino von Subventionen: mehr als eine halbe Million Euro jährlich von Stadt und Land zusammen. Die Einnahmen liegen bei rund 80.000 Euro, die Auslastung bei um die 49 Prozent: "Das ist sehr gut für kommunale Kinos." Träume hat Bayram trotzdem noch, etwa den von einem ökologisch nachhaltigen Kino der Zukunft, wie es die Wiener Architektin Gabu Heindl für das Koki im 1890/91 erbauten Alten Wiehrebahnhof skizziert hat. Das Konzept liegt in der Schublade, was fehlt, ist eine Finanzierung.
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