Kindesmissbrauch in der Kirche hat System - ein Opfer aus Offenburg erzählt
Matthias Katsch war 2010 federführend bei der Aufdeckung des Missbrauchsskandals am Berliner Canisius-Kolleg. Der Mitgründer des Vereins Eckiger Tisch blickt auf eineinhalb Jahrzehnte Aufarbeitung zurück.
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BZ: Herr Katsch, lassen Sie uns in die 1970er-Jahre zurückgehen, in Ihre Schulzeit in Berlin. Warum sind Sie, Kind aus sozialdemokratischem Haus, auf das Canisius-Kolleg der Jesuiten gegangen?
Das Canisius-Kolleg, eine reine Jungenschule, war damals tatsächlich eine der ganz wenigen Schulen, die ein Gymnasium ab der 5. Klasse in Berlin angeboten haben. Angesichts der sozialdemokratischen Schulpolitik, der zufolge die Kinder möglichst lange zusammen lernen sollten, war das Canisius-Kolleg als religiöse Privatschule eine Ausnahme. Ich hatte in der Grundschule einen Banknachbarn. Als es hieß, er verlasse nach der vierten Klasse die Schule und gehe auf das Canisius-Kolleg, wollte ich da auch hin – vor allem, um den Freund nicht zu verlieren. Und es hat funktioniert: Ich bin von Herbst 1973 an dort zur Schule gegangen. Ich habe das sehr genossen, mir hat es dort Spaß gemacht. Ich habe von Anfang an dieses Gefühl vermittelt bekommen, dass es etwas Besonderes ist, dort hinzugehen.
BZ: 1976 wurden Sie am Kolleg durch einen Priester sexuell missbraucht. Aus dem Besonderen wurde ein Albtraum...
Es war ein schleichender Anbahnungsprozess, aber als Kind habe ich das nicht gemerkt, sondern erst im Rückblick verstanden. Der Leiter der Jugendarbeit, ein Jesuit, war mein Religionslehrer und hat im Unterricht für die Jugendarbeit geworben. So stieß man da dazu – auf Fahrten, Veranstaltungen, zu gemeinsamen Wochenenden. Wir haben dann auch im Kolleg übernachtet, auf dem Schulgelände gab es dafür ein Gebäude, genannt "die Burg". So schuf der Täter immer mehr Situationen, in denen er mit Schülern auch alleine war. Das ging insbesondere bei der Beichte und in persönlichen Gesprächen. Ich war damals zwölf Jahre alt und wusste erstmal gar nicht genau, was der eigentlich von mir will, weil ich körperlich auch noch nicht so weit entwickelt war und nicht vertrauensvoll über Themen der Sexualität sprechen wollte. Da wurden von seiner Seite aus nach und nach die Barrieren dessen, was man ansprechen, vorschlagen und tun kann, gesenkt. Er war auch der erste Erwachsene, ...