Helikopterabsturz
Irans Präsident Raisi und Außenminister sind tot – dem Land droht eine politische Krise
Das Wrack des Präsidenten-Hubschraubers ist im iranischen Gebirge gefunden worden. Staatsmedien bestätigen den Tod der Insassen. Der Islamischen Republik droht ein heftiger Machtkampf.
dpa
Mo, 20. Mai 2024, 11:27 Uhr
Ausland
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
Daraufhin entbrannten Spekulationen, ob der Absturz auf schlechtes Wetter, einen technischen Defekt am Hubschrauber oder gar Sabotage zurückzuführen sei. Klarheit darüber gab es bis zum Montagmorgen nicht.
Irans Luftwaffe gilt als stark veraltet, ihre Modernisierung kommt angesichts scharfer internationaler Sanktionen kaum voran, Ersatzteile sind schwer zu beschaffen. Viele Flugzeuge und Helikopter stammen noch aus der Zeit vor der Islamischen Revolution von 1979, als das Land enge Beziehungen zu den USA unterhielt. Immer wieder kommt es zu folgenschweren Unfällen und Abstürzen.
Stundenlang suchten Rettungskräfte bei strömenden Regen, Nebel und in schwierigem Terrain nach der Absturzstelle, ehe sie die Trümmer des Helikopters am frühen Morgen an einem Hang entdeckten. Iranische Medien zeigten Bilder eines völlig ausgebrannten Wracks.
Irans erster Vizepräsident, Mohammed Mochber, leitete am späten Sonntagabend eine Notsitzung des Kabinetts. Das Protokoll sieht vor, dass der erste Vizepräsident nach dem Tod des Präsidenten die Amtsgeschäfte als Regierungschef weiterführt. Laut der Verfassung müssen dann innerhalb von 50 Tagen Neuwahlen stattfinden.
Das Unglück dürfte die Islamische Republik in eine politische Krise stürzen. Mangels Alternativen dürfte sich die Suche nach einem langfristigen Nachfolger für Raisi schwierig gestalten. Und insbesondere Amirabdollahian war als Außenminister seit Beginn des Gaza-Kriegs verstärkt in die Öffentlichkeit gerückt und hatte zahlreiche Reisen zu Verbündeten unternommen.
Während Regierungsanhänger um die Staatsmänner trauerten, brachten zahlreiche Iranerinnen und Iraner in sozialen Medien ihre Schadenfreude über den Hubschrauberabsturz zum Ausdruck. Raisis Regierung steht seit Jahren wegen ihrer erzkonservativen Wertevorstellungen, der Unterdrückung von Bürgerrechten und der schweren Wirtschaftskrise im Iran in der Kritik.
Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei versicherte bereits am Sonntag, dass die Regierungsgeschäfte in keinem Fall beeinträchtigt würden. "Es wird keine Unterbrechung der Aktivitäten des Landes geben", zitierte ihn die Staatsagentur Irna.
Raisi war im August 2021 als neuer Präsident vereidigt worden. Der erzkonservative Kleriker wurde damit offiziell Nachfolger von Hassan Ruhani, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten durfte. Als Spitzenkandidat der politischen Hardliner sowie Wunschkandidat und Protegé des Religionsführers Chamenei hatte Raisi die Präsidentenwahl mit knapp 62 Prozent der Stimmen gewonnen.
Der Iran stand zuletzt verstärkt in den Schlagzeilen, auch weil ein regionaler Krieg mit dem Erzfeind Israel zu drohen schien. Während Raisis Amtszeit vertiefte die Islamische Republik ihre wirtschaftliche und militärische Kooperation mit China und Russland, die Beziehung zum Westen kühlte unter anderem wegen des Streits über das iranische Atomprogramm ab. Außerdem warf der Westen der Führung in Teheran schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen vor. Trotzdem gab es erst vor wenigen Tagen wieder Berichte über neue, indirekte Gespräche mit den USA im Golfstaat Oman.
Raisi wurde 1960 in Maschhad geboren und war über drei Jahrzehnte in der zentralen Justizbehörde des Landes tätig. 2019 wurde er zum Justizchef ernannt. In seiner früheren Funktion als Staatsanwalt soll er im Jahr 1988 für zahlreiche Verhaftungen und Hinrichtungen politischer Dissidenten verantwortlich gewesen sein, weshalb seine Gegner ihm den Beinamen "Schlächter von Teheran" verpassten.
Experten hatten Raisi zwischenzeitlich auch als möglichen Nachfolger für Chamenei gehandelt, der im April 85 Jahre alt wurde. Auch wenn sich die Kritik der jungen Generation inzwischen immer mehr gegen das gesamte System der Islamischen Republik richtet, stand Raisi innenpolitisch besonders unter Druck. Zuletzt trieb die Regierung ihren umstrittenen Kurs bei der Verfolgung des Kopftuchzwangs voran und brachte damit Teile der Bevölkerung noch mehr gegen sich auf.
Sollte das Präsidentenamt neu besetzt werden müssen, dürfte in Teheran ein heftiger Machtkampf ausbrechen, schrieb der Iran-Experte Arash Azizi in einer Analyse für die US-Zeitschrift "The Atlantic". Raisis Passivität habe Herausforderer unter den Hardlinern ermutigt. Sie würden seine schwache Präsidentschaft als Chance sehen, schrieb Azizi. "Der Tod von Raisi würde das Machtgleichgewicht zwischen den Fraktionen innerhalb der Islamischen Republik verändern."
Mehr dazu:
- Der Präsident ist tot: Wie geht es im Iran weiter?
- Nach Tod Raisis: Reaktionen von Putin, Michel und Anderen
- Ebrahim Raisi: Hardliner mit kurzem Draht zu Chamenei
Kommentare
Liebe Leserinnen und Leser,
leider können Artikel, die älter als sechs Monate sind, nicht mehr kommentiert werden.
Die Kommentarfunktion dieses Artikels ist geschlossen.
Viele Grüße von Ihrer BZ