Urbane Nutztierhaltung
Immer Menschen in der Großstadt steigen in Hühner-Haltung ein
"Urban Livestock Farming" nennt sich das Phänomen, dass immer mehr Großstädter auch in die Nutztierhaltung einsteigen. Hühner werden mittlerweile verliehen – Tierschützer sehen das kritisch.
dpa
Fr, 24. Jul 2020, 20:28 Uhr
Panorama
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Es habe einen Generationenwechsel gegeben. "Viele jüngere Menschen ab 30 interessieren sich nun dafür." Im Klischee sei eine Oma oder ein Opa Hühnerhalter, sagt der Präsident des Bundes Deutscher Rassegeflügelzüchter, Christoph Günzel. "Mit dem Dioxinskandal vor etwa zehn Jahren ging es los. Und der Bio-Trend sorgt auch dafür, dass das Interesse an eigenen Hühnern steigt."
Zu den Trend-Vorreitern gehört Vanessa Janßen aus Berlin-Rudow. In ihrem Garten scharren und picken seit Sommer 2019 sechs Hybridhennen, Kreuzungen verschiedener Rassen mit guter Legeleistung. Das Regiment führt ein Federfüßiger Zwerghahn. "Ich habe schon seit einigen Jahren daran gedacht, mir Hühner zuzulegen – als Verwerter für Essensreste und um eigene Eier zu haben", erzählt die 40-Jährige.
Eine Freundin mit Hühnern habe sie schließlich ermutigt. Den Stall baute die gelernte Tierpflegerin und Ergotherapeutin selbst. "Seitdem wir die Hühner haben, brauchten wir für unsere fünfköpfige Familie keine Eier mehr kaufen und können auch immer wieder Eier verschenken." Im Internet tauschen sich Zehntausende Hühnerfans bundesweit in sozialen Netzwerken über Ställe, Rassen und Futter aus oder posten Bilder ihrer gefiederten Freunde.
Hühner sind Experten zufolge als Einstieg in die Nutztierhaltung geeignet, aber man sollte sich vorher gut informieren. "Die Hühnerhaltung ist nicht unaufwendig. Einfach Tiere kaufen und mit ihnen in das Thema hineinwachsen ist nicht gerade tierfreundlich", sagt etwa Antje Feldmann, Geschäftsführerin der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH). Sie empfiehlt, sich bei Züchtervereinen oder in Seminaren und Büchern zu bilden. Außerdem rät sie, mit den Nachbarn zu klären, ob sie mit dem tierischen Lärm leben können. Der sei längst nicht so akzeptiert wie der Lärm von Autos, Laubbläsern und Rasenmähern.
Sie plädiert dafür, Hühner immer mit Hähnen zu halten. Alles andere sei nicht artgerecht. "Hähne geben eine Herdenstruktur vor und warnen die Hennen auch vor Gefahren, etwa durch Greifvögel aus der Luft."
Wer zuerst testen möchte, kann zunächst Hühner mieten. Anbieter aus verschiedenen Bundesländern sind zum Beispiel unter http://www.mieteeinhuhn.de zu finden.Auch in Südbaden gibt es einen Huhnverleih: So bietet Katharina Sandmann aus Oberried ein komplettes Paket samt mobilem Hühnerstall, Futter, Einstreu und Steckzaun für die Kunden zuhause an. Diese müssen allerdings eine Wiesenfläche von mindestens 25 Quadratmetern zur Verfügung stellen und sollten die Tiere für mindestens 14 Tage behalten.
Tierschützer sehen die Vermietung trotzdem kritisch. "Tiere sind keine Gegenstände, die man ständig herumreichen kann, sie wollen eine gewisse Kontinuität", sagt Beate Kaminski vom Berliner Tierheim. Die Haltung in der Stadt sieht sie zwiegespalten. Es gebe viele Halter, die alles richtig machten. Doch eben auch andere: So habe das Tierheim vor kurzem Hühner aufgenommen, die jemand in Kartons auf einem Hochhausbalkon hielt. Die Tiere hatten sich im Stress gegenseitig verletzt.
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