Erste Veranstaltung des Jahres

Im Literaturcafé St. Blasien: Ein Patriot und feiner Beobachter der Zeitgeschichte

Mit dem "Stechlin" von Theodor Fontane beschäftigt sich das Literaturcafé St. Blasien. Der Referent Christoph von Ascheraden erweist sich als großer Literaturkenner.  

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Ein volles Haus konnte Klaus-Peter Sch...anes „Stechlin“ referierte  | Foto: Karin Stöckl-Steinebrunner
Ein volles Haus konnte Klaus-Peter Schönfeld (stehend) zur ersten Lesung des Jahres im Literaturcafé begrüßen, bei dem Christoph von Ascheraden über Fontanes „Stechlin“ referierte Foto: Karin Stöckl-Steinebrunner
Mit heftigem Stühlerücken begann das erste Literaturcafé des Jahres im vollen Eckzimmer des Dom-Hotels zur Vorstellung von Theodor Fontanes "Stechlin" durch Christoph von Ascheraden. Dieser Andrang hatte sicherlich mit dem Bekanntheitsgrad des Vortragenden zu tun, ist der Arzt Christoph von Ascheraden doch als langjähriger Gemeinderat und Streiter für den Sanagarten in St. Blasien bestens bekannt. An diesem Nachmittag erwies er sich zudem als ausgezeichneter Kenner von Literatur und Geschichte.

Klaus-Peter Schönfeld, der Leiter des Literaturcafés, stellte den Referenten mit launigen Worten vor und erklärte, dieser und Fontane hätten eine wesentliche Gemeinsamkeit: Sie seien beide Preußen.

Daran knüpfte Christoph von Ascheraden nahtlos seinen in drei Teile geteilten Vortrag an, indem er zunächst mit dem kulturhistorischen Hintergrund begann, dann zu Fontanes Leben überging und zum guten Schluss einige Kostproben aus dem Roman vortrug und diese Stellen kommentierte.

Gesellschaftlichen Prozess literarisch begleiten

Schönfeld verwies auf das Toleranzedikt, mit dem Kurfürst Friedrich Wilhelm die Verfolgung der Hugenotten beendete und ihnen den Weg bereitete, im eher militaristischen Preußen ihre diplomatischen, wissenschaftlichen und kulturellen Lebensinhalte einzubringen. Den Ende 1819 geborenen Fontane schilderte von Ascheraden als seismographischen Beobachter der Zeit- und Kulturgeschichte, dessen Anliegen es gewesen sei, den gesellschaftlichen Prozess literarisch zu begleiten, und zwar nicht als scharfer Kritiker oder unbeteiligter Analytiker, sondern als deutscher Patriot.

Den Roman "Stechlin", der in den letzten drei Lebensjahren von Fontane entstand, habe der Autor selbst "eine relativ simple Geschichte" genannt. Tatsächlich habe der eigentlich schnelle Schreiber aber viel Zeit darauf verwendet, die Dialoge immer weiter zu verfeinern und alles mit einem leisen Schleier von Ironie und Selbstironie zu überziehen.

Die Personen sind mit wenigen aussagekräftigen Strichen gezeichnet. Vor allem hob von Ascheraden die Grabrede für den am Ende verstorbenen Hausherrn hervor, in der es heißt, er habe etwas stets Gültiges besessen, nämlich ein Herz und eine edle Gesinnung, er hätte keine Feinde gehabt, weil er selbst keines Menschen Feind gewesen sei. Diese Worte setzte er mit Fontane in Beziehung, viel Autobiographisches sei in dieser zutiefst humanistischen Gestalt enthalten.

In einer angeregten Diskussion im Anschluss waren sich alle einig, dass es eines zweiten oder auch dritten Zugriffs bedürfe, um die ruhigen Bilder in diesem Buch, das ausgebreitete Panorama menschlichen Wesens und die großartige Gesprächskultur genießen zu können.

Ersatz für Literaturkurse

Bereits seit etwa 1998 halten Referenten im Literaturcafé Vorträge, heute hat die Reihe nicht nur im Dom-Hotel einen festen Raum gefunden, sondern mit dem letzten Donnerstag im Monat um 16 Uhr auch einen festen Termin.

Ins Leben gerufen wurde es von der literaturinteressierten Apothekerin Hildegund Hirt, die es über 20 Jahre geleitet hat. Sie war ehrenamtliche Mitarbeiterin der katholischen öffentlichen Bücherei St. Blasien, der das Literaturcafé angeschlossen ist, und besuchte die ehemals von Karl Iglhaut angebotenen Literaturkurse, die später bereits unter dem Dach der Bücherei von Pater Peter Leutenstorfer jeweils im Winter und Frühjahr weitergeführt wurden.

Im Sommer und Herbst etablierte Hirt dazu ergänzend das Literaturcafé. Als die Literaturkurse im Jahr 2005 aufgegeben wurden, baute sie dessen Programm weiter aus. Im Jahr 2021 übergab sie die Leitung an Klaus-Peter Schönfeld, der unter anderem 37 Jahre lang am Kolleg Deutsch unterrichtet hat.

Beim nächsten Termin im Literaturcafé spricht Chris O’Reilly über Chimananda Ngozi Adichies Buch "Die Hälfte der Sonne". Aufgrund der Fasnacht findet das nächste Literaturcafé, um eine Woche vorverlegt, bereits am 21. Februar statt.
Schlagworte: Theodor Fontane, Christoph von Ascheraden, Klaus-Peter Schönfeld
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