Account/Login

"Ich liebe Deutschland"

BZ-INTERVIEW mit der aus Saudi-Arabien geflohenen Rana Ahmad, die ein Buch über ihr Leben dort und ihre Flucht geschrieben hat.  

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
1/2
Familienausflug in Riad: Ohne Begleitung dürfen die tief verschleierten Frauen nicht aus dem Haus. Foto: dpa

Sie lacht viel am Telefon. Ihr Tag habe nie genug Stunden, denn sie wolle ihre Freiheit in Deutschland doch nutzen, sagt Rana Ahmad. Eine so vergnügte Frau, Rana Ahmad ist nicht ihr richtiger Name, war nicht zu erwarten gewesen. Denn die heute 33-Jährige ist vor fast drei Jahren vor Unterdrückung, religiösem Zwang und Gewalt in der Familie aus Saudi-Arabien geflohen. Darüber hat sie ein erschütterndes Buch geschrieben. Heidi Ossenberg hat mit der Ex-Muslima ein Telefongespräch auf Englisch geführt.

BZ: Frau Ahmad, welche Reaktionen bekommen Sie auf Ihr Buch?
Ahmad: Ich bekomme fantastische Reaktionen. Und zwar von Frauen, Männern oder älteren Leuten. Es war eine gute Entscheidung, dieses Buch auf Deutsch zu veröffentlichen. Die Menschen geben mir das Gefühl, das ich stark bin und das ich willkommen bin hier in Deutschland. Sie freuen sich für mich, dass ich hier mein freies Leben leben kann. Das gibt mir das Gefühl, ich hätte schon vor einer langen Zeit aus Saudi-Arabien fliehen sollen.

BZ: Sie haben Ihr Land vor zweieinhalb Jahren verlassen. Wie geht es Ihnen jetzt gerade in Deutschland?
Ahmad: Ich kann meine Tür öffnen, heraustreten und die Dinge tun, die ich tun möchte. Ich liebe Deutschland, ich liebe mein freies Leben in Deutschland. Wenn die Sonne scheint und mein Haar berührt, dann sage ich zu meinem Haar: Jetzt kannst Du atmen! Ich kann gar nicht beschreiben, wie wichtig dieses Leben jetzt für mich ist. Für mich als Frau. Ich habe meine eigene Wohnung, ich kann lernen. Für viele ist das ganz normal – aber für mich ist es wie ein Traum.
BZ: Was ist Ihr offizieller Status in Deutschland im Moment?
Ahmad: Ich habe einen Aufenthaltstitel für drei Jahre. Danach werden sie mich fragen, was ich in diesen drei Jahren getan habe. Es ist wichtig, dass ich Deutsch lerne und arbeite, nicht einfach zu Hause herumsitze. Und ich glaube, sie werden überrascht sein, was ich alles tue!

BZ: Sie wollen noch immer studieren?
Ahmad: Ja. Physik. Aber nächsten Monat, im April, trete ich mein erstes Praktikum an. In der Schweiz, am Cern. Ich bin vor Glück fast durchgedreht, als sie mich akzeptiert hatten. Ich habe geschrieben: Bitte nehmen Sie mich, es wäre für mich wie im Paradies, dort arbeiten zu dürfen. Ich liebe die Naturwissenschaften.

BZ: Haben Sie noch Kontakt zu irgendjemanden in Saudi-Arabien? Zu Ihrem Vater womöglich, zu dem Sie immer ein sehr enges Verhältnis hatten?
Ahmad: Ja, mein Vater und ich haben manchmal e-mail-Kontakt. Er fragt, wie es mir geht, wie mein Leben in Deutschland ist. Es ist gefährlich für ihn, mich anzurufen, daher schreiben wir. Ich vermisse ihn. Ich habe das Gefühl, ich habe einen hohen Preis für mein Leben in Freiheit bezahlt. Meinen Vater verloren zu haben, ist sehr schlimm für mich.

BZ: In Deutschland kann man den Eindruck bekommen, Kronprinz Mohammed bin Salem setze sich für wirtschaftliche und soziale Reformen ein. Glauben Sie, er ist auch daran interessiert, Frauen mehr Rechte zu geben?
Ahmad: Bis heute nicht. Bis heute gibt es die Bewachung von Frauen. Alles, was Frauen tun, muss ihnen von ihren Vätern, Ehemännern oder Brüdern erlaubt werden. Sonst landen sie im Gefängnis. Ich höre das Reden über Veränderungen in Saudi-Arabien. Aber man kann es nicht sehen, für mich ist es reine Propaganda.

BZ: In Saudi-Arabien sind Sie über das Internet zur Atheistin geworden. Dort ein Grund, hingerichtet zu werden – auch deshalb sind Sie geflohen. Jetzt haben Sie in Deutschland das Projekt "Säkuläre Flüchtlingshilfe" mitgegründet. Was machen Sie da?

"Alles was wir wollen, ist in Frieden leben. Ohne Religion."

Ahmad: Es geht darum, Menschen zu helfen, die in einer ähnlichen Situation sind, wie ich es war. Wir setzen uns für Religionsfreiheit ein. Als ich nach Deutschland kam, gab es keine Organisation für uns geflohene Atheisten. Alles was wir wollen, ist in Frieden leben. Ohne Religion. Ich sehe es als meine Aufgabe an, anderen Frauen und Männern zu helfen. Wir betreuen gerade sieben oder acht Frauen aus Saudi-Arabien und einen Mann aus Pakistan. Jeder Fall ist anders, aber sie sind alle in der gleichen Situation. Wir können für diese Arbeit gut noch Unterstützung gebrauchen!

BZ: Mich hat Ihre Geschichte beim Lesen beeindruckt; Ihr Mut, Ihren Willen, für sich ein besseres Leben zu erkämpfen. Wir in Deutschland sind in der glücklichen Situation, unsere Meinung frei zu sagen, zu demonstrieren, so zu leben, wie wir wollen. Dennoch gibt es Menschen hier, die unzufrieden sind. Was sagen Sie denen?
Ahmad: Sie wissen nicht zu schätzen, was sie haben! So einfach ist das. Ich liebe dieses Land! Und ich werde es verteidigen, wenn es jemand angreift! Freiheit, Respekt – ich kann nicht verstehen, warum man das nicht wertschätzt! Ich habe alles aufgegeben, um dies zu erlangen. Und ich werde mich bemühen, die deutsche Staatsangehörigkeit zu erlangen. Ich werde noch besser Deutsch lernen; schon jetzt bemühe ich mich, mit allen Deutsch zu sprechen. Auch mit meinen arabischen Freunden.

BZ: Gut, dann führen auch wir unser nächstes Interview auf Deutsch!
Ahmad: Ja, auf jeden Fall, denn ich bin sehr glücklich, zu Deutschland zu gehören!

BZ: In dieser Woche wird der Internationale Frauentag gefeiert. Feiern Sie diesen Tag ebenso?
Ahmad: Ja, ich werde demonstrieren. Es gibt eine Veranstaltung des Zentralrats der Ex-Muslime. Wir protestieren dagegen, dass Frauen im Iran gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen. Auch demonstriere ich dagegen, dass schon Kinder einen Schleier tragen müssen. Wenn ich das sehe, selbst hier in Deutschland, das tut mir richtig weg. Es erinnert mich daran, dass ich mit zehn Jahren einen Schleier tragen musste.

Ressort: Liebe & Familie

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 05. März 2018: PDF-Version herunterladen

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel