"Ich fand das eher doof"

BZ-INTERVIEW mit Claudia Füßler über ihre Kindheit in der DDR und die Wiedervereinigung.  

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Claudias erster Schultag Foto: privat
Als vor 25 Jahren West- und Ostdeutschland wieder-vereint wurden, war BZ-Autorin Claudia Füßler gerade Mal elf Jahre alt und lebte in der Deutschen Demokratischen Republik, der DDR – also in Ostdeutschland. Im Interview erzählt sie, wie sie die Wende erlebt hat. Die Fragen stellte Stephanie Streif.


BZ:
Hast du gejubelt, als die Mauer fiel?
Claudia Füßler: Überhaupt nicht. Ich wusste ja nicht, was das bedeutete. Ich habe mitbekommen, dass die Erwachsenen sehr aufgeregt waren und es was Tolles sein musste. Ich fand das alles eher doof. Wegen der Wende durfte ich nur für kurze Zeit Thälmann-Pionier sein. Dabei hatte ich mich schon lange auf das rote Halstuch, das nur Thälmann-Pioniere trugen, gefreut. Außerdem hätte ich auch gerne den Jungpionieren gesagt, dass sie im Schulflur nicht rennen dürfen. Das musste ich mir nämlich immer von den Thälmann-Pionieren anhören.
BZ: Wer waren denn die Jung- und die Thälmann-Pioniere?
Füßler: Alle Schüler von der ersten bis zur siebten Klasse waren Mitglied. In der ersten Klasse musste man das Pionierversprechen ablegen und bekam ein blaues Halstuch. Das wurde mit dem Pionierknoten gebunden, den kann ich heute noch. Wir haben auch einen Pionierausweis bekommen. Da standen die Gebote der Jungpioniere drin, wie zum Beispiel dass wir unsere Eltern lieben, einander helfen, Sport treiben und ordentlich sein sollen. In der vierten Klasse ist man dann Thälmann-Pionier geworden.
BZ: Und woran hast du noch gemerkt, dass es die DDR nicht mehr gibt?
Füßler: Wir Kinder haben davon nicht so viel mitgekriegt. Zum Beispiel sind wir in der DDR ab und zu in einen Laden gefahren, in dem man Sachen kaufen konnte, die es eigentlich nur im Westen gab. Dafür brauchte man aber Westgeld. Für uns Kinder war das total aufregend, weil dort alles so anders aussah als in den Läden, die wir kannten. Ich habe mir immer knallbunte Kaugummikugeln ausgesucht. Und nun gab es die plötzlich überall!
BZ: DDR-Bürger durften ja kaum reisen. Wohin seid ihr eigentlich in Urlaub gefahren?
Füßler: An die Ostsee. Jedes Jahr in einen anderen Ort. Ich fand es schön am Meer. Wir Kinder haben am Strand gerne Hühnergötter gesucht. Das sind Steine, die ein Loch in der Mitte haben.
BZ: Habt ihr manchmal eure Verwandte n im Westen getroffen oder mit ihnen telefoniert?
Füßler: Wir hatten kein Telefon. Das hatten nur wichtige Leute. Meine Tante zum Beispiel, die war Chefin in einem Kaufhaus für Damenkleidung. Unsere Verwandten aus dem Westen haben uns Pakete geschickt. Immer, wenn eins angekommen war, haben wir uns alle bei meinen Großeltern getroffen und es gemeinsam aufgemacht. Für die Erwachsenen gab es Kaffee und Strumpfhosen und für uns Kinder Schokolade. Am meisten freuten wir uns über riesige Osterhasen und Weihnachtsmänner. Die hat mein Opa ganz vorsichtig aus der Folie geholt und später mit Watte ausgestopft. Sie standen das ganze Jahr über im Wohnzimmer. Manchmal kamen die Verwandten auch zu Besuch.
BZ: Was lief bei euch so im Fernsehen?
Füßler: Also ich fand das Fernsehprogramm super, ich wollte ständig gucken. Es gab viele Sendungen speziell für Kinder. Ich war großer Fan vom Spielhaus. Das waren Puppen, die in einem fahrbaren Haus wohnten und gemeinsam Abenteuer erlebten. Und es gab Meister Nadelöhr, der lebte im Schneiderhaus mit seinem Kanarienvogel Zwirnchen und erzählte die tollsten Märchen.

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